Immobilien

Alle Augen auf die EZB: Prognose für Immobilienkäufer

Seit Ende 2023 wird spekuliert, dass die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins anpassen wird. Das würde sich auf die Bauzinsen in Deutschland auswirken. Was das für den deutschen Immobilienmarkt bedeutet.
Autor
05.03.2024 11:00
Aktualisiert: 05.03.2024 16:15
Lesezeit: 3 min

Die Inflation, die Europa seit 2022 in Atem hält, ist den Zielen der Europäischen Zentralbank (EZB) abträglich. Der Krieg in der Ukraine ließ Energie- und Lebensmittelpreise schlagartig explodieren; wir verzeichnen die höchste Inflation in Deutschland seit der Wiedervereinigung. Im Februar 2024 beträgt die Inflationsrate in Deutschland 2,9 Prozent. Das ist eine starke Verbesserung, denn die letzte Messung im Dezember 2023 lag bei einer Rate von 3,7 Prozent. Eine Intervention der EZB durch die Senkung des Leitzinses würde die Preissteigerungsrate vermitlich weiter drücken.

So arbeiten Inflation und Leitzins zusammen

Der Leitzins ist der Zinssatz, zu dem sich eine Geschäftsbank – zum Beispiel die Deutsche Bundesbank – Geld beschaffen oder anlegen kann. Der aktuelle Leitzinssatz liegt bei 4,5 Prozent. Zum Vergleich: 2020, als die Inflationsrate bei 0,5 Prozent lag, war der Leitzins bei 0 Prozent. 2022 wurde dieser bei der explodierenden Inflation von 6,9 Prozent auf 0,58 Prozent angepasst. So mancher Experte, zum Beispiel Volker Wieland, Stiftungsprofessor für Monetäre Ökonomie und Geschäftsführender Direktor des Institute for Monetary and Financial Stability an der Goethe-Universität Frankfurt, empfand das für zu wenig, um die Inflation in Bann zu halten.

Heute geht die EZB deutlich aggressiver vor als noch vor zwei Jahren. Die Zentralbank nutzt den Leitzins als ein Mittel, um Preise zu beeinflussen. Bezieht man dies auf den Immobilienmarkt, bedeuten niedrigere Zinsen, dass sich deutlich mehr Menschen einen Immobilienkredit leisten können. Die Coronakrise motivierte über mehrere Jahre hinweg eine Niedrigzinspolitik der EZB. Diese sollte Konsumenten erlauben, weiter Geld auszugeben und so den Markt zu füttern, Weltwirtschaftskrise und Pandemie zum Trotz. Die deutsche Wirtschaft ist ein Kreislaufsystem – solange Geld reinfließt, kann Geld auch wieder rausfließen.

Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass ein zu niedriger Zins die Inflation in die Höhe treibt. Betrachtet man den Anstieg der Lebenshaltungs- und Energiepreise der letzten Jahre in Kombination mit den in Relation stagnierenden Einkommen der Deutschen, ist der Wertverlust evident. Es ist eine delikate Aufgabe, beide Variablen im Gleichgewicht zu behalten. Der Angriffskrieg in der Ukraine, nachdem die internationale Wirtschaft bereits durch drei Jahre Pandemie geschwächt war, führte zu einem Riss in diesem Gleichgewicht.

So beeinflusst die EZB den Immobilienmarkt

Stabilität und Planbarkeit ist über alle Branchen hinweg relevant, dieser Grundsatz der EZB ist aber insbesondere für den Bau wichtig. Es dauert durchschnittlich zwischen fünf Monaten und einem Jahr, um ein Einfamilienhaus zu bauen. Zuvor werden Pläne gemacht, Verträge unterzeichnet und Kredite abgeschlossen. Dieser Kredit begleitet den Immobilienbesitzer dann über mehrere Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte hinweg. Bei besten Bedingungen ist der Kauf und die Instandhaltung einer Immobilie eine Lebensaufgabe. Kommen erschwerende Umstände rund um Politik und Wirtschaft hinzu, verliert der Markt seine Sicherheit.

Deutschland hat in den letzten 10 Jahren einen echten Bauboom erlebt. Es war einfacher denn je, einen Kredit zu bekommen. Attraktive Zinsen und die weitläufig stabile weltpolitische Lage nach der Krise 2008 führten zu zahlreichen Bauaufträgen. 2024 sieht der Traum vom Haus etwas düsterer aus. Das Bauvolumen sinkt seit 2021 jedes Jahr mehr, Personal und Material werden teurer. Die goldenen Baujahre in Deutschland scheinen vorerst vorbei zu sein.

Prognosen und Konsequenzen

Die EZB strebt mittelfristig eine Inflationsrate von 2 Prozent an. Ein gewisser Grad an Inflation bedeutet auch, dass der reale Wert von Kreditschulden sinkt. Ein hoher Leitzins wirkt dagegen, dass der Wertverfall nicht zu extrem wird. Ein bisschen Inflation kann dem Markt helfen, da diese den Kaufwunsch von Konsumenten erhöht. Zu viel Inflation bedeutet dagegen, dass die Kaufkraft der Deutschen zu tief sinkt, um den Kreislauf der Wirtschaft aufrechtzuerhalten. Unternehmen machen in Phasen hoher Inflation tendenziell weniger reale oder gar nominale Gewinne, was langfristig dazu führt, dass Mitarbeiter entlassen werden und Firmen schließen.

Der Balanceakt stimmt die EZB vorsichtig. Trotz der rückläufigen Inflation und damit verbundenen Spekulationen im Bezug auf die Zinspolitik hält die EZB bereits zum dritten Mal in Folge an der Zinspause fest. Bei der geldpolitischen Sitzung Ende Januar waren sich alle Teilnehmer einig, dass eine zu rapide Zinssenkung langfristige Reputationskosten mit sich ziehen würde. Der Wert des Euro darf nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Ein Blick zu unseren Nachbarn verrät: Die Bank of England entschied sich zuletzt ebenfalls dafür, ihren Leitzins bei 5,25 Prozent zu belassen. Bis 2026 soll dieser um einen Zinspunkt fallen. Ausschlaggebend für diese Entscheidung war die Entwicklung in der Inflation, sowie die Einkommens- und Arbeitslosigkeitspolitik des Landes.

Warten auf Zinssenkungen

Auch in Deutschland hat man ein scharfes Auge auf die Inflation. Zwischen Dezember 2023 und Februar 2024 ist bereits eine Entspannung spürbar; wir bewegen uns mit rapiden Schritten auf die von der EZB gewünschte 2-Prozent-Marke zu. Wie sich der Markt entwickelt und ob eine Anpassung des Leitzinses im Angesicht der Inflationsentspannung notwendig wird, bleibt abzuwarten. Immobilienbesitzern und Interessenten tun gut daran, einen genauen Blick auf tagesaktuelle Zinsprognosen zu haben.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Warum nur 1 von 25 Aktien echten Wohlstand schafft
02.08.2025

Nur vier Prozent der Aktien schaffen es, den Markt nachhaltig zu schlagen – der Rest vernichtet langfristig Vermögen. Was Anleger jetzt...

DWN
Finanzen
Finanzen Immobilien-Crowdfunding-Falle: Anleger warnt vor Reinvest24
02.08.2025

Ein Investor schlägt Alarm: Zinsen bleiben aus, Geld verschwindet, Auskünfte gibt es keine. Der Fall der Plattform Reinvest24 zeigt, wie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Fahrermangel in Europa: Fast die Hälfte der europäischen Lkw-Fahrer steht kurz vor der Pensionierung
02.08.2025

Europa droht eine stille Krise, die alle trifft: Hunderttausende Lkw-Fahrer gehen bald in Rente – doch kaum jemand will nachrücken....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chef des Superfonds Eifo zur chinesischen Windkraft-Offensive: „Ich bin besorgt“
02.08.2025

Chinas Windkraftkonzerne drängen mit Macht auf globale Märkte – und bedrohen nun auch Europas Energiewende. In Lateinamerika, Afrika...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gefahr für Trumps Zollpolitik: Klagen eingereicht – entscheidender Prozess hat begonnen
01.08.2025

Trumps Zollpolitik steht vor dem juristischen Kollaps: Fünf US-Firmen und zwölf Bundesstaaten klagen gegen die Sondervollmacht, auf deren...

DWN
Technologie
Technologie Huawei schockt die Konkurrenz: 3000-Kilometer-Batterie stellt alles Bisherige in den Schatten
01.08.2025

Huawei greift nach der Technologieführung im Batteriezeitalter: Mit 3000 Kilometern Reichweite und fünf Minuten Ladezeit droht der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps Zollroulette: Die Weltwirtschaft tanzt nach seiner Pfeife
01.08.2025

Donald Trump zündet die nächste Eskalationsstufe im globalen Wirtschaftskrieg – mit Zöllen, Chaos und Drohgebärden. Experten sprechen...

DWN
Politik
Politik Boomer-Soli: Rentensystem soll stabiler werden – und reiche Rentner sollen zahlen
01.08.2025

Reiche Rentner sollen künftig stärker zur Kasse gebeten werden – so die Idee eines "Boomer-Soli". Ein Vorschlag, der das Rentensystem...