Anleger ziehen immer mehr Gelder aus offenen Immobilienfonds ab. Laut den Marktforschern von Barkow waren es von August bis Dezember insgesamt 750 Millionen Euro in Deutschland. „Eine derartige Serie von Mittelabflüssen über fünf aufeinander folgende Monate war zuletzt während der großen Fondskrise von 2005 bis 2006 zu beobachten, als in sieben Monaten mehr als 13 Mrd. Euro abflossen und im Nachgang zahlreiche Fonds schließen mussten“, berichtet Barkow. Dennoch seien die Abflüsse im Vergleich zum Gesamtvermögen der Fonds „immer noch nur ein geringer Anteil“.
Die Lage bei den offenen Immobilienfonds aus Österreich ist angespannter. Hier betrugen die Nettomittelabflüsse im Jahr 2023 bei den größten Fonds jeweils rund 15 Prozent des Fondsvermögens. Das zeigen Zahlen der Ratingagentur Morningstar, die DWN ausgewertet hat.
Bei den größten Fonds aus Deutschland investierten die Anleger hingegen in Summe mehr Gelder, als dass sie abzogen. Drei der vier größten Fonds verzeichneten Nettozuflüsse von bis zu 2 Prozent. Bei einem Fonds gab es im vergangenen Jahr einen leichten Abfluss (minus ein Prozent des Fondsvermögens vom Januar 2023).
Ratingagentur Scope gibt Entwarnung - aber nur teilweise
Die Ratingagentur Scope sieht denn auch die Situation der deutschen Fonds weniger kritisch als die der österreichischen Pendants. „Scope rechnet nicht damit, dass es zu einer Reihe von (zeitweiligen) Fondsschließungen kommen wird“, erklärt die Fondsanalystin Sonja Knorr über die deutschen Fonds. „Dass einzelne Fonds von solchen Maßnahmen betroffen sein könnten, lässt sich aber nicht ausschließen.“
Die österreichischen Fonds würden aktuell keinen mit Deutschland vergleichbaren Rückgaberegelungen unterliegen, erklärt Knorr weiter gegenüber DWN. In Deutschland dürfen Anleger Anteile frühestens zwei Jahre nach Kauf an die Fondsgesellschaft zurückgeben und müssen die Rückgabe ein Jahr im Voraus verbindlich anmelden. In Österreich sei die Rückgabe börsentäglich möglich, erklärt Knorr. „Daher fallen die Rückgaben in Österreich derzeit höher aus als in Deutschland und ein Fonds, der LLB Semper Real Estate, musste bereits die Anteilscheinrücknahme aussetzen.“
Laut Knorr liegt der Fehler auch bei den österreichischen Fonds. „Die Regulatorik hätte eine deutlich frühere Einführung von Rückgaberegelungen erlaubt, die Branche hat sich jedoch dagegen entschieden, was die Situation entsprechend verschärft hat.“ Zuletzt verfügten die österreichischen Fonds weiter über einen Liquiditätspuffer. Etwa lag die Liquiditätsquote beim größten Fonds Real Invest Austria laut Scope bei 14 Prozent (zum 30. September 2023; 3,6 Mrd. Euro Fondsvermögen).
Beim zweitgrößten Erste Immobilienfonds betrug sie 10 Prozent (zum 31. Oktober 2023; 2,0 Mrd. Euro Fondsvermögen). Beim Immofonds I lag sie bei 12 Prozent (zum 31. Januar 2024; 1,1 Mrd. Euro Fondsvermögen) und beim Erste Responsible Immobilien bei 13 Prozent (zum 30. September 2023; 440 Mio. Euro Fondsvermögen). Die Verschuldung war zuletzt im Vergleich zu den deutschen Fonds gering. Etwa lag die Fremdkapitalquote laut Scope beim Real Invest Austria bei 7 Prozent (zum 30. September 2023), beim Erste Immobilien bei 3 Prozent (zum 31. Oktober 2023) und beim Immofonds I bei 7 Prozent (zum 31. Januar 2024). Der Erste Responsible Immobilien hielt gar keine Kredite.
Gleichwohl sieht es Sonja Knorr kritisch, dass die Angaben nicht monatsweise veröffentlicht werden müssen. „Die Transparenz ist bei österreichischen offenen Immobilienfonds deutlich geringer als bei deutschen“, erklärt die Head of Alternative Investment. „Besonders auf monatlicher Basis fehlen oft wichtige Informationen, die als Grundlage von Anlageentscheidungen in dieser Frequenz vorhanden sein sollten.“
Deutsche Fonds mit hohem Liquiditätspuffer Die deutschen Fonds verfügen in der Summe über einen relativ hohen Liquiditätspuffer. Laut Sonja Knorr ist die volumengewichtete Liquiditätsquote derzeit mit 15,2 Prozent höher als in den Jahren 2021 und 2022. Das seien insgesamt 18,3 Milliarden Euro, die an ausstiegswillige Anleger ausgezahlt werden könnten (von insgesamt 127 Milliarden Euro in den Fonds).
Zudem bleiben Altanleger offenbar den Fonds treu. Laut Scope sind diese langfristig orientiert und daher weniger ausstiegswillig. Laut Scope betrug der Anteil der Altanleger 33 Prozent zu Ende 2022. Altanleger haben Anteile bis einschließlich 21. Juli 2013 gekauft und dürfen bis zu 30.000 Euro pro Kalenderhalbjahr sofort abziehen, ohne dass eine Kündigungsfrist von 12 Monaten gilt.
Nach DWN-Einschätzung dürften gerade große Immobilienfonds stabiler sein als Fonds mit weniger Immobilienvermögen. Zum einen sind sie beim Verkauf von Immobilien flexibler, da sie über mehr Objekte verfügen. Zum anderen sind sie häufig an eine große Bankengruppe angebunden. Sie haben ein größeres Vertriebsnetz hinter sich und können auch in schweren Zeiten Anlegergelder einsammeln.
Das zeigen auch die Morningstar-Zahlen: Etwa verzeichnete der größte offene Immobilienfonds aus Deutschland, der Deka Immobilien Europa, Nettomittelzuflüsse von 325 Millionen Euro im Jahr 2023. Bei der Deka handelt es sich um eine Tochter der Sparkassen. Auch die beiden Flaggschifffonds der Union Investment – ein Ableger der Volks- und Raiffeisenbanken – konnten trotz der Immobilienkrise und gestiegener Kontozinsen Gelder anziehen (Uniimmo Deutschland und Uniimmo Europa).
Wie können Anleger Anteile verkaufen?
Kritische Vermögensberater empfehlen derweil unabhängig von der Marktlage einen Verkauf von Anteilen. Etwa verwies Matthias Krapp von Abatus Vermögensmanagement gegenüber DWN auf die geringe Rendite und die Illiquidität der Fonds.
Laut den Berechnungen des Vermögensberaters Gerd Kommer laufen Immobilien- oder Aktien-ETFs deutlich besser. Die drei größten offenen Immobilienfonds aus Deutschland rentierten in den 25 Jahren von 1997 bis 2021 zwischen 2,9 und 3,4 Prozent pro Jahr. In den zehn Jahren bis 2021 sanken die Zugewinne auf 1,9 bis 2,1 Prozent pro Jahr (ohne Inflation).
Die Anbieter werben wiederum mit der stetigen Performance. Die Fonds würden bereits seit Jahrzehnten Jahr für Jahr Erträge ausschütten und schwankten im Gegensatz zu Investmentfonds und ETFs kaum im Kurs, betonen sie. Anleger können Anteile an die Fondsgesellschaft oder an der Börse verkaufen. Der Unterschied: An der Börse erhalten sie ihr Geld sofort, aber müssen Abschläge hinnehmen.
Diese lagen Mitte Februar bei den großen Fonds aus Deutschland zwischen 5 und 12 Prozent zum Rückgabepreis, den die Fondsgesellschaft zahlt. Bei der Rückgabe an die Fondsgesellschaft erhalten Anleger nicht den aktuellen Rückgabepreis, sondern den in einem Jahr gültigen Kurs. Anleger müssten Verluste hinnehmen, wenn die Gutachter die Fondsimmobilien in der Zwischenzeit geringer bewerten. Zwei voneinander unabhängige Gutachter müssen alle Fondsimmobilien mindestens vierteljährlich bewerten.
Matthias Krapp würde persönlich über die Börse verkaufen. „Der erste Verlust ist eventuell der geringere, je nach Einstand und Dauer des offenen Immobilienfonds im jeweiligen Depot. Zumindest ist er aber bekannt und planbar“, erklärte er gegenüber DWN. Sehr hohe Anlegergelder in offenen Immobilienfonds Offene Immobilienfonds sind in Deutschland äußerst beliebt: Sie verwalten Anlegergelder von insgesamt 127 Milliarden Euro. Das ist ein Zehntel aller Gelder in offenen Publikumsfonds (einschließlich ETFs).
Doch die Fonds stehen gerade unter Druck: Ursachen sind die gestiegenen Zinsen, die die Gewerbeimmobilienpreise sinken lassen, ein möglicher Trend zum Homeoffice und Onlineshopping sowie verschärfte Sanierungsauflagen. Die großen deutschen Fonds investieren überwiegend in Büros, Einkaufszentren und Hotels in Westeuropa. Das Problem: Sollten viele Anleger auf einmal Anteile zurückgeben, wären die Fonds zum Verkauf von Immobilien gezwungen. Sollten sie bloß niedrige Preise am Markt abrufen können, müssten sie womöglich die Anteilsrücknahme aussetzen. Anleger könnten Anteile womöglich nur noch an der Börse mit hohen Abschlägen zu Geld machen. Letzteres passierte im Zuge der Finanzkrise 2008, als eine Reihe von Fonds jahrelang geschlossen war und manche mit teils herben Verlusten für Anleger aufgelöst wurden.
Der Gesetzgeber führte darum Mindesthaltefristen ein: Seit dem Jahr 2013 müssen deutsche Anleger, die Anteile nach dem 21. Juli 2013 gekauft haben, diese mindestens zwei Jahre lang halten und eine Rückgabe an die Fondsgesellschaft ein Jahr im Voraus anmelden.