Politik

ESG-Regulierung nimmt weiter zu – aus der Wirtschaft hagelt es Kritik

Die grüne Transformation gerät ins Stocken, auch weil wichtige Branchen aktuell Probleme auf der Nachfrage-Seite haben. Die Politik ist entsprechend unter Druck. Bankenvertreter warnen davor, politische Ziele mittels schärferer regulatorischer Vorgaben durchsetzen zu wollen.
09.03.2024 12:51
Aktualisiert: 09.03.2024 14:00
Lesezeit: 2 min
ESG-Regulierung nimmt weiter zu – aus der Wirtschaft hagelt es Kritik
Die ESG-Regulierungen werden vor allem aus Wirtschaftskreisen stark kritisiert. (Bild: iStock.com, Tanankorn Pilong). Foto: Tanankorn Pilong

Der grüne Wandel verliert an Fahrt. Zwar ist der politische Wille unverändert vorhanden, jedoch stellt die Realität aus technischen Restriktionen und nonkonformem Konsumentenverhalten ihren Erfolg in Frage. So verzeichnete beispielsweise der Markt für Elektroautos im Dezember 2023 einen regelrechten Einbruch, in Folge des plötzlichen Wegfalls des Verkaufsargumentes „Umweltbonus“ fielen die PKW-Neuzulassungen hierzulande im Jahresvergleich schlagartig – um sage und schreibe 48 Prozent. Europaweit sanken die Neuzulassungen um 3,8 Prozent, das war der erste monatliche Rückgang seit mehr als anderthalb Jahren.

Seitens der Industrie nehmen die Herausforderungen zu, dank gestrichener Förderprogramme, technischer Pannen wie jüngst bei einem großen deutschen Windkraftanlagenbetreiber, und der die Finanzierung erschwerenden Zinsentwicklung. Banken sehen sich mit zunehmender ESG-Regulierung konfrontiert, hochkarätige Branchenvertreter warnen bereits vor einer Vereinnahmung der Finanzinstitute durch die Politik.

Kreditportfolien fehlt der Klimabezug

Einer jüngst erstellten Analyse der Bankenaufsicht der EZB zufolge entsprechen die Kreditbestände der europäischen Finanzinstitute „in erheblichem Maße“ nicht den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens. Für die Studie wurden 95 bedeutende Geldhäuser untersucht, die insgesamt drei Viertel sämtlicher Kredite des Euroraums auf sich vereinen. Der Auswertung zufolge sind es vor allem Kredite an Unternehmen der klassischen Energiewirtschaft, die der Bankenaufsicht diesbezüglich negativ auffallen.

Frank Elderson, Vize-Chef der EZB-Bankenaufsicht, hält es nur noch für eine Frage der Zeit, bis Übergangspläne verpflichtend werden, welche die Engagements der Geldhäuser im Sinne der grünen Transformation der Wirtschaft regeln sollen. Kritiker sehen hier einen drohenden Eingriff in den freien Markt und eine Instrumentalisierung der Finanzindustrie für politische Ziele, die ohne regulatorische Verpflichtungen nur schwerlich umsetzbar wären.

Großbanken üben Kritik

Zur beobachtbaren Unstimmigkeit zwischen politischen Vorhaben und deren gesellschaftlicher Akzeptanz nahmen jüngst auch Vertreter der europäischen Finanzindustrie Stellung. USB-Chef Sergio Emotti und SocGen-CEO Slawomir Krupa nutzten das Podium des diesjährigen Weltwirtschaftsforums im schweizerischen Davos, um die zunehmende ESG-Regulierung der Branche einzuordnen.

„Wenn die Gesellschaft den klimapolitischen Vorgaben der Politik nicht folgen will, sollten die Regierungen der Versuchung widerstehen, sie mittels der Bankenregulierung durchsetzen zu wollen“, so Emotti, und bezog sich dabei auch auf die innerhalb der Europäischen Zentralbank geführte Debatte darüber, ob die EZB die Finanzindustrie zur Kreditvergabe an klimafreundliche Projekte verpflichten sollte. Den Versuch, eine politische Agenda mit Hilfe eines Regulierungssystems durchsetzen zu wollen, hält der Schweizer Bankmanager für falsch. Zu beraten und zu unterstützen sei die Aufgabe der Branche, so Emotti, als Treiber der Debatte sollte sie sich nicht instrumentalisieren lassen.

SocGen-Chef Krupa stieß ins gleiche Horn: Es sei Sache der demokratisch gewählten Politiker, wie Gesellschaft und Wirtschaft mit dem Klimawandel umgehen, sagte der 49-jährige Banker, und schob die Warnung vor zu vielen Vorschriften unverzüglich nach.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

avtor1
Markus Grüne

                                                                            ***

Markus Grüne (49) ist langjähriger professioneller Börsenhändler in den Bereichen Aktien, Derivate und Rohstoffe. Seit 2019 arbeitet er als freier Finanzmarkt-Journalist, wobei er unter anderem eigene Börsenbriefe und Marktanalysen mit Fokus auf Rohstoffe publiziert. 

DWN
Unternehmen
Unternehmen Diesel-Preisvergleich: Neue Plattform zeigt, wie viel Diesel wirklich kostet
25.05.2025

Kraftstoffpreise im Transportsektor sind ein Mysterium – oft verschleiert, manipuliert oder schlicht falsch verstanden. Ein Start-up will...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Führen im Blindflug: Warum Unternehmen jetzt entschlossener handeln müssen
25.05.2025

Geopolitik, Digitalisierung, Rezessionsangst – Unternehmen stehen unter massivem Druck. Doch wer auf alte Strategien setzt, verliert....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wie London und Brüssel ihre Beziehung neu beleben wollen
25.05.2025

Brüssel und London nähern sich nach Jahren des Stillstands wieder an. Ein neues Partnerschaftsabkommen soll gemeinsame Interessen...

DWN
Immobilien
Immobilien Sturm auf Russlands Wohnimmobilienmarkt: Kaufen wie Mieten wird unerschwinglich
25.05.2025

Der russische Wohnungsmarkt gerät zunehmend unter Druck: Mit der drastischen Anhebung der Leitzinsen, dem Auslaufen staatlicher...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps nächstes Vermächtnis: Eine weltweite Spikeflation mit Ansage
24.05.2025

Trumps Handelskriege, Machtspiele und Geldflüsse aus dem Nahen Osten treiben nicht nur die Inflation – sie könnten eine explosive...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ist die Energiewende am Ende? Wie die Pläne von Wirtschaftsministerin Reiche alles ändern könnten
24.05.2025

Neue Prioritäten im Wirtschaftsministerium unter Katherina Reiche – In der Energiepolitik ist ein radikaler Kurswechsel angekündigt:...

DWN
Politik
Politik EU-Milliarden für Digitalisierung: Diese Programme bringen Unternehmen nach vorn
24.05.2025

Europa zahlt – und Unternehmen, die jetzt nicht zugreifen, verspielen ihre digitale Zukunft. Mit 1,3 Milliarden Euro will die EU ihre...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Zwang zur Kontoerstellung kostet Online-Shops Kunden - was erfolgreiche Unternehmen besser machen
24.05.2025

Eine Kontoerstellung vor dem Kauf schreckt Kunden ab und führt zu Kaufabbrüchen. Über 50 Prozent der Online-Shops verlieren so Umsatz....