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Airbus-Jubiläum: 50 Jahre Linienflüge im Airbus - Boeing hat Wettkampf quasi verloren

Lesezeit: 7 min
18.03.2024 14:47
Kein Hersteller baut so gute und so viele Flugzeuge wie Airbus. Eine Erfolgsgeschichte, an die sich Frankreich und Deutschland gerade in Zeiten wie diesen erinnern sollten. Die Lektion lautet: Zusammen ist Europa stark und auch von den Amerikanern nicht zu bezwingen. Die DWN werfen einen Blick zurück und geben zugleich einen Ausblick, warum Boeing nicht mehr hinterher kommt - und wo ganz neue Wettbewerber lauern.
Airbus-Jubiläum: 50 Jahre Linienflüge im Airbus - Boeing hat Wettkampf quasi verloren
Pressefoto von Airbus für das neue „Zero e"-Programm. Bis 2050 will der Flugzeughersteller seine gesteckten Klimaziele erreicht haben (Foto: Airbus N.V.).

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Jeden Tag bis zu zwölf neue Maschinen können mittlerweile an Kunden aus aller Welt am Flughafen Toulouse-Blagnac gleichzeitig übergeben werden. Dafür wurde vor wenigen Monaten eigens die Airbus-Abfertigungshalle erweitert und angemessen aufgehübscht. Die Käufer werden in Terminal D zur Feier des Tages mit Champagner empfangen, während draußen die letzten Tests laufen und die Motoren kräftig die Drehzahl erhöhen. Wenn alles wie bestellt ist, fliegen sie beschwipst und glücklich in ihre Heimatländer. Eine schicke neue A321 schlägt immerhin mit gut 60 Millionen Euro zu Buche. Da darf es auch mal ein Glas mehr sein - beim Anstoßen.

Im Mai 1974 hob AirFrance erstmals mit Airbus ab

Ende Mai 2024 ist es genau 50 Jahre her, dass AirFrance, zum ersten Linienflug mit einer Airbus-Maschine abgehoben ist. Bis damals war der Markt fest in der Hand der US-amerikanischen Hersteller Boeing, McDonnell-Douglas und Lockheed. Die Lufthansa zögerte anfangs noch etwas, obwohl der A300, dessen Prototyp im Oktober 1972 in Toulouse erstmals abgehoben war, mit seinen nur zwei Triebwerken und dem breiten Rumpf sogleich viel kostengünstiger unterwegs war als die Flieger aus den USA.

„Wir waren ein unbeschriebenes Blatt, also mussten wir immer besser sein. Wir mussten den Konkurrenten eine Flugzeugnase voraus sein, denn sonst hätten ja die Airlines keinen Grund gehabt, die Flugzeuge zu kaufen“, erinnerte sich ein Sprecher von Airbus am deutschen Montage-Standort Hamburg-Finkenwerder, als die Lufthansa in den 1990er-Jahren dort den ersten A321 in Empfang nahm. Heute ist es sogar so, dass keine andere Airline der Welt eine größere Airbus-Flotte vorweist und betreibt als die Lufthanseaten.

Am Anfang wurde die Idee, als partnerschaftliches europäisches Gemeinschaftsprojekt Flugzeuge aus tausenden Bestandteilen aus ganz Europa wie in einem Puzzle-Spiel zusammenzusetzen, von der Konkurrenz nur müde belächelt. Inzwischen scheint gerade dieses Verfahren für die nötige Sicherheit und Kontrolle zu sorgen, die Passagiere zu schätzen wissen. „It is all about the safety, stupid“, würde heute vermutlich US-Präsident Bill Clinton den Boeing-Executives in Seattle ins Stammbuch schreiben. Und das nicht erst, seitdem (nach zwei fatalen Abstürzen) zuletzt am 5. Januar wieder eine Boeing 737-9 Max, diesmal von Alaska Airlines, kurz nach dem Start eine Bordwand verlor und der US-Hersteller folglich von einer Ohnmacht in die nächste schlittert.

3.000 Zulieferer profitieren von Arbeitsteilung

Vor allem das Airbus-Werk in Hamburg an der Elbe und die vielen Zulieferer in Deutschland profitieren davon, dass sie über Jahrzehnte Spitzenpersonal ausgebildet haben, die wie etwa Diehl Aviation in Laupheim oder Premium Aerotec mit seinen Werken in Bremen und Nordenham für die herausragende Qualität von Airbus einstehen. Für Engpässe und Lieferrückstände hatten in den USA indessen vor allem der Triebwerkhersteller Pratt & Whitney und bei Flugzeugteilen Spirit Aerosystems gesorgt. Der Airbus-Chef Guillaume Faury setzt da auf Deutschland und wünscht sich, dass wie zuletzt in Frankreich auch hier mehr in neue Jobs für die Luftfahrt investiert würde. „Es wäre schön, wenn Airbus seine Lieferkette in Deutschland vertieft“, so Faury und ergänzt: „Es fehlt noch ein bisschen an einem starken deutschen Mittelstand in der Luftfahrt.“

Airbus kann sich jedenfalls kaum mehr vor Aufträgen retten, die Auftragsbücher sind prall gefüllt. Der feste Auftragsbestand lag Jahresende 2023 bei 8.598 Flugzeugen. Das deutsch-französische Unternehmen aus Südfrankreich konnte den Umsatz damit um elf Prozent auf 65,4 Milliarden Euro steigern. Erfreulich vor allem für Airbus-Chef Guillaume Faury ist der bei der Bilanz-Pressekonferenz Anfang des Jahres bekannt gegebene free Cashflow von 4,4 Milliarden Euro. Damit lässt sich strategisch planen und kräftig investieren, in moderne Nachfolgemodelle für die Bestseller der A320-Familie etwa - und Projekte, die Wettbewerber in USA endgültig ins Hintertreffen bringen könnten.

Hierbei geht es um das klimaneutrale Flugzeug der Zukunft. Für die nächste Generation seiner Flieger hat Airbus eigens sein Forschungsprogramm Zero-e (s. Foto) gestartet, um spätestens 2035 ein serienreifes Wasserstoff-Flugzeug vorweisen zu können. 2050 soll das Netto-Null-Emissionsziel erreicht sein.

Airbus will synthetisches Kerosin statt Wasserstoff

Getestet werden dabei umweltfreundliche Antriebsarten für Wasserstoff, wobei als Energiespeicher die Energie entweder mittels Brennstoffzelle umgewandelt werden soll oder auch (wie bisher das Kerosin) in flüssiger Form an Bord gelagert und in die Triebwerke eingespritzt werden könnte. Bis 2025/2026 soll die finale Antriebsart des nächsten Flugzeugs feststehen, heißt es aus der Firmenzentrale. 2027 könnte das Programm verkauft werden. Wobei Wasserstoff natürlich noch Zukunftsmusik ist und man partout nicht wissen kann, was die amerikanische Konkurrenz noch aus dem Hut zaubert bis dahin. Faury hat durchblicken lassen, dass Airbus für die Nachfolger aus A320-Reihe mit SAF plant, die Motoren also mit synthetischem Kerosin betrieben werden sollen.

Ohnehin scheint es so, als würde die Wasserstoff-Tauglichkeit als erstes in der Sparte Regionaljets getestet - also bei kleineren Jets mit begrenzter Reichweite. In dieser Flugzeug-Gattung ist im übrigen mit allerlei neuer Konkurrenz zu rechnen, die Airbus nicht unterschätzen kann. So wird unweit von Toulouse auf einem alten Militärflugplatz von ehemaligen Airbus-Ingenieuren an einem 19-Sitzer namens ERA getüftelt - die Abkürzung steht für Electric Regional Aircraft. Aura Aero heißt die neue Ideenschmiede mit bereits über 200 Mitarbeitern, die größtenteils von Airbus in die Nachbarschaft umgezogen sind. Wer weiß, womöglich entsteht im Hangar von Francazal schon bald das künftige „Tesla der Lüfte“. 500 Bestellungen von zwölf Regional-Airlines für die ERA liegen bereits vor, heißt es. Auch aus Deutschland, wo besonders viele teuer ertüchtigte Regional-Airports auf neue Aufgaben warten.

Erklärtes Ziel von Fabian Raisson, dem operativen Vorstand von Aura Aero, ist es jedenfalls, noch in dieser Dekade die vielen kleinen Provinzflughäfen weltweit mit hybrid-elektrischen Jets anzubinden, mit je vier von Elektromotoren betriebenen Propellern. Es wäre wohl nicht sonderlich überraschend, wenn dieses Startup von Ex-Mitarbeitern bald zum Airbus-Übernahmekandidaten würde. Doch auch Embraer, der inzwischen drittgrößte Flugzeug-Hersteller aus Brasilien, darf sich noch große Hoffnungen machen, mit den gesammelten Erfahrungen (neben den Riesen Airbus und Boeing) in der Nische bis zu 150 Passagieren und ähnlicher Reichweite wie der A320 größere neue Marktanteile einzusammeln.

Experten vermuten deshalb, dass Konzern-Chef Faury derweil eine andere Strategie im Wettbewerb vor allem mit Boeing (dem zuletzt einzig maßgeblichen Konkurrenten im Flugzeugbau) verfolgt. Während in Seattle stillschweigend erst einmal mit Hilfe einer funktionierenden Qualitätskontrolle Probleme beseitigt werden müssen, prescht Faury mit der Vision noch viel kostengünstigerer Maschinen vor, um die letzten bislang auf Boeing eingeschworenen Kunden wie RyanAir endlich für den Airbus-Konzern zu gewinnen.

Nischen für die neue Aura Aero - und auch Embraer

Es heißt, es werde in Toulouse aktuell und bei den unzähligen Zulieferern mit Hochdruck an Triebwerken gearbeitet, die nochmals eine Sprit-Ersparnis von 20 Prozent gegenüber den derzeit sparsamsten Maschinen erzielen können. Für diese neue Generation von Passagiermaschinen experimentiert Airbus auch mit veränderbaren Flügelformen. Das Projekt ist mit dem Namen „Next Generation Single Aisle“ bereits relativ präzise beschrieben - nur ein Durchgang in einem sonst schmalen Flugzeug-Rumpf also.

Das Werks-Geheimnis steckt in der geplanten Flügel-Konstruktion, die an m-förmige Möwenflügel (Gull wings) erinnert und nachahmt. Markant waren dabei vor allem die hochgeklappten Flügelspitzen, damit die Future-Flieger an den Airports dieser Welt überhaupt in die bestehenden Slots passen. Unter den Tragflächen sollen neuartige Riesen-Triebwerke untergebracht werden. Sprit-sparende Propeller mit gut vier Metern Durchmesser, wie Flugzeug-Experten eifrig diskutieren - nachdem versehentlich in Frankreich ein Rendering des geplanten neuen Flugzeugs in Umlauf gekommen ist. Eine Idee, die Airbus ein Stück weit wohl bei Embraer in Sao Paulo abgeschaut hat - sie hatten noch vor Airbus in veränderte, sparsame Flügel-Konstruktionen investiert. Embraer könnte mit seinem Modell E2 durchaus „in die Lücke vorstoßen“, meinen Luftfahrtexperten, die Boeing gerade im Chaos eröffnet hat. Das setzt freilich Milliarden an Investitionen voraus, fraglich sei dabei nur, ob die Brasilianer das wuppen können oder nicht eher Airbus das zukunftsträchtige Geschäft auf absehbare Zeit allein macht.

Womit auch wieder die besonderen Vorzüge von Airbus in der Entwicklung zum Vorschein kommen - die Lieferanten, die europaweit ausgelagerte Fachkompetenz und die eingespielte Logistik, um all die vielen Bauteile in den Montagehallen der Welt zusammenzubringen. Während der Corona-Pandemie schien dies kurze Zeit wie die verwundbare Achillesferse des Unternehmens auszusehen. „Der Parameter, der für uns am kritischsten ist, wie wir Rhythmus liefern, wir haben fast 3000 Zulieferer.“ Engpässe wie anno 2021 sollen nicht bei Airbus bloß mehr vorkommen, das sei die Lektion, die Airbus gelernt hat.

Welche Airline jedoch nun verspätet auf die Idee kommt, bei Airbus ein neues Passagierflugzeug für die Zukunft zu ordern, dem schenkt Stephanie Priour, Airbus-Gastgeberin in Etage 3 des neuen Terminals D, wohl erst im nächsten Jahrzehnt Schampus bei der Übergabe ein. Airbus hält sich zwar bedeckt. Doch ein Flugzeug zu bekommen, dauert wohl seine Zeit. Liefer-Slots gebe es erst in ferner Zukunft, bestätigt Alexis Lafont, Chef des Delivery Centers.

550 Bestellungen für Airbus-Zugvogel A321XLR

Airbus hat es laut der Bilanzzahlen aus dem Jahr 2023 geschafft 4921 Maschinen der A321 in allen verschiedenen Versionen zu verkaufen. Auf den neuen Zugvogel A321XLR mit seiner besonders hohen Reichweite entfallen 550 feste Bestellungen - die erste Auslieferung wird voraussichtlich im dritten Quartal 2024 erfolgen, wenn Airbus alle Zulassungen und Urkunden zusammen hat. Die Endmontagen laufen bereits in Toulouse. Bis 2026 klettert die monatliche Fertigungsrate der A320neo-Familie auf 75 Flugzeuge. Längst ist Airbus aber auch in Asien und Amerika erste Wahl der Luftfahrtgesellschaften. Deshalb soll deshalb nun sogar in Tianjin/China eine neue Endmontage-Halle errichtet werden. Auch in den USA im Bundesstaat Alabama und in Quebec/Kanada werden Maschinen zusammengesetzt und produziert - A220, A330, A350.

Deutschland profitiert aber immer noch in ganz besonderer Weise vom Erfolg der aktiennotierten Airbus Group N.V., wie der einstige EADS-Konzern (anno 2000 durch Fusion aus der deutschen DaimlerChrysler Aerospace, der französischen Aérospatiale Matra und der spanischen CASA hervorgegangen) seit 2014 offiziell heißt.

Schon die Gründung von Airbus im Dezember 1970 ging ja maßgeblich auf eine Initiative von Kanzler Willy Brandt und seinen FDP-Außenminister Walter Scheel während der sozialliberalen Koalition zurück. Die Firma „Airbus Industrie“ war dabei von Anfang an eine Interessengemeinschaft selbständiger Firmen und Zusammenschluss der französischen Aérospatiale mit den Vereinigten Flugtechnischen Werken und Messerschmitt Bölkow Blohm aus Deutschland. Sowohl Franzosen und Deutsche stellten damals je die Hälfte des Budgets zu Verfügung. Großbritannien beteiligte sich zwar niemals offiziell, war aber stets durch Subunternehmer vertreten. Die Niederlande stiegen bei Airbus Industrie gleichfalls ein, Spanien kam später maßgeblich hinzu.

Wie Franz-Josef Strauß Airbus den Weg bereitete

Chef des Unternehmens wurde 1970 der Franzose Henri Ziegler. Als Vorsitzender des Aufsichtsrats freilich fungierte der umtriebige CSU-Politiker Franz Josef Strauß, der ehemalige Verteidigungs- und Finanzminister der Union. Als passionierter Hobby-Pilot hatte Strauß recht präzise Vorstellungen, wo die Reise hingehen sollte. „Die Frage ist, ob die Europäer überhaupt noch ein Verkehrsflugzeug in der Größenordnung der Großraumklasse herstellen können und absetzen können“, sagte der Bayer und stellte als oberster Lobbyist maßgeblich die Weichen für Airbus.

Von Anfang sollte es stets auch auf Großraum-Transporter und geeignete Flugzeuge für militärische Zwecke gehen. Aktuell wird bei Airbus beispielsweise der Eurofighter modernisiert und ersetzt - der Bundestag hat soeben 5,5 Milliarden Euro für die Luftwaffe durchgewinkt. So hätte sich das einstige CSU-Schwergewicht das sicher gewünscht. Strauß setzte sich in den 80er-Jahren wie kein anderer exemplarisch für eine neue wegweisende europäische Industriepolitik ein - kaum mehr vorstellbar, wenn man bedenkt, wie Olaf Scholz und Emmanuel Macron aktuell um eine gemeinsame Haltung in Sachen Europas Zukunftsfragen rangeln und dabei verhaken.

 

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Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.



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