Wirtschaft

Gasverträge: Hohe Verluste bei Stadtwerken - Gewinne bei Energiekonzernen

Die deutschen Stadtwerke haben sich verkalkuliert. Der Winter verlief milder als erwartet und so bleiben die örtlichen Energieversorger auf großen Mengen eingekauftem Gas sitzen. Brisant: Die Millionenverluste der Stadtwerke sind das Spiegelbild von den jüngsten Milliardengewinnen der großen Energiekonzerne.
23.03.2024 13:07
Lesezeit: 2 min
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Stadtwerke und andere lokale Energieversorger sind in einer finanziellen Schieflage. Sie haben im abgelaufenen Jahr Energie zu sehr hohen Preisen eingekauft, die von den Verbrauchern aber gar nicht abgenommen wurde. Jetzt müssen die teuren Energiereserven mit Verlust wieder verkauft werden.

Zu Beginn der Energiekrise hofften die deutschen Energieversorger eigentlich auf milde Temperaturen im Winter. Insbesondere die massiv gestiegenen Gaspreise stellten eine Herausforderung dar. Viele Verbraucher wurden mit stattlichen Preiserhöhungen konfrontiert oder gleich aus ihrem Tarif gekickt.

Jetzt ist der milde Winter da – und die teuren Kontingente werden zum Problem. Denn inzwischen sind die Energiepreise auf den Weltmärkten deutlich gesunken, aber die Stadtwerke haben sich in längerfristigen Verträgen teuer eingekauft. Das Gas kommt - und niemand braucht es. Die Gashaushalte haben durch den lauen Winter deutlich weniger Gas verbraucht als erwartet.

Die teuren überschüssigen Mengen müssen gemäß den Verträgen jedoch von den Energieversorgern abgenommen werden – und werden jetzt zu Schleuderpreisen wieder auf dem Weltmarkt verkauft. Seit November letzten Jahres haben sich an der europäischen Gas-Börse TTF die Preise halbiert. Pro Megawattstunde sind sie von über 55 Euro auf aktuell um die 26 Euro gesunken.

Milliarden für Gasimporteure Uniper und Eon

Die Verbraucher müssen die hohen Preise je nach Gestaltung der einzelnen Verträge teilweise mittragen, aber eben nur soweit der Bedarf reicht. Die Stadtwerke sind unterm Strich der größte Verlierer. Wie ein Sprecher eines örtlichen Energieversorgers gegenüber mitteilte, mache das Unternehmen täglich nun 250.000 Euro Verlust – Experten schätzen den gesamten täglichen Verlust aller Stadtwerke auf mehrere Millionen Euro.

Anders sieht es hingegen bei den großen Gasimporteuren aus. Nach schwierigen Jahren durch den Russlandboykott schreiben Eon und Uniper nun wieder Milliardengewinne, mit einem bereinigten Gewinn von 4,4 Milliarden Euro bei Uniper und 3,1 Milliarden bei Eon. Die Milliardengewinne werden auf Kosten der Stadtwerke erwirtschaftet. Die Energiekonzerne beziehen das Gas größtenteils zu variablen Preisen auf dem Weltmarkt und liefern es dann zu einem derzeit deutlich höheren Fixpreis an die städtischen Energieversorger.

Da insbesondere die kleineren Stadtwerke keine eigenen Gasspeicher haben, müssen sie den Bedarf schätzen auf Basis der Vorjahreszahlen einkaufen. Da die Preise in den vergangenen Monaten sehr stark schwankten, haben sich die Versorger vorsichtshalber mit höheren Kontingenten eingedeckt. Da diese jedoch nicht gebraucht wurden, müssen die Überschüsse wieder verkauft werden – denn sie können kaum lokal gespeichert werden.

Gefälle zwischen Einkaufs und Verkaufspreisen

Laut Experten haben sich die Städte und Gemeinden auch in den vergangenen Jahren häufiger um 10 bis 15 Prozent verschätzt – das war jedoch kein Problem, da Einkaufs- und Verkaufspreise am Gasmarkt nah beieinander lagen. Das aktuelle Gefälle zwischen Einkaufs- und Verkaufspreisen führt jetzt aber zu schmerzhaften Verlusten. Uniper und Eon können Energie einkaufen, wenn die Preise günstig sind, das Gas dann speichern und teurer an die Kunden verkaufen. Das können die meisten Stadtwerke in Deutschland eben nicht. Sie könnten zwar im Regelfall kurzfristig Gas zukaufen, aber angesichts der sehr volatilen und damals extrem hohen Preis entschied man sich für Fixverträge.

In Zukunft sollen die Bedarfs-Prognosen viel öfter überprüft und angepasst werden. Außerdem könnten mehr lokale Gasspeicher helfen. Langfristige Lieferverträge mit variablen Preisen und Optionskomponente sind hingegen ein zweischneidiges Schwert, denn hier können in Knappheits-Phasen gigantische Verluste entstehen, die sogar ein Vielfaches höher wären als die derzeitigen Finanzlöcher.

Grundsätzlich haben Stadtwerke hohe Rücklagen und entsprechende Finanzreserven. Diese können sie jetzt einsetzen, um die Verluste auszugleichen. Für den Fall, dass das Geld hierfür nicht reichen sollte, kommen eventuell Kredite infrage. Aber auch die Kunden könnten z. B. durch höhere Netzentgelte zum Verlustausgleich herangezogen werden. Sollten auch diese Möglichkeiten ausgereizt sein, können Bund, Länder und Kommunen mit Subventionen oder Zuschüssen einspringen. Das trifft dann wieder indirekt den Steuerzahler.

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