Technologie

Fataler Sturz mit Lastenrad: Forscher fordern Sicherheit für Kinder

Lastenfahrräder erfreuen sich großer Beliebtheit bei Familien. Doch mit der Sicherheit beim Transport von Kindern sieht es oft schlecht aus, bemängeln Unfallforscher. Sie fordern schärfere Auflagen und ein größeres Gefahrenbewusstsein..
23.03.2024 11:49
Aktualisiert: 23.03.2024 12:37
Lesezeit: 2 min
Fataler Sturz mit Lastenrad: Forscher fordern Sicherheit für Kinder
Bei einem Crashtest stoßen ein Lastenfahrrad und ein Fußgänger zusammen; Anlass war eine Studie der Versicherer zu Unfällen zwischen Radfahrern und Fußgängern. (Foto: dpa) Foto: Guido Kirchner

Ein Mann fährt zügig mit seinem Kind im Lastenfahrrad, da zieht plötzlich ein orangefarbener Wagen von rechts auf die Straße. Der Radler erschrickt, will nach links ausweichen und verliert die Kontrolle: Das schwere Rad stürzt um. Der Mann und das Kleinkind knallen auf den Asphalt. „Die Folgen wären fatal - beiden könnten schwer verletzt sein", sagt die Leiterin der Unfallforschung der Versicherer (UDV), Kirstin Zeidler, nach dem Live-Crashtest mit Dummys bei einer Presseveranstaltung in Münster.

Das Forschungsinstitut der Versicherungen hat sich in einer mehrjährigen Untersuchung mit Fahrradunfällen mit Kindern befasst - und zwar speziell mit den immer beliebteren Lastenfahrrädern für die Mitnahme von Kindern.

Unterschiedliche Typen von Lastenrädern werden laut einer Online-Umfrage im Rahmen der Studie schon von knapp einem Drittel der Eltern für den Kindertransport genutzt. Die Verkaufszahlen steigen. Es sei künftig mit einem weiter steigenden Anteil der Lastenräder für Kindertransporte zu rechnen, sagte Zeidler. Wegen des vergleichsweise hohen Gewichts seien viele der Räder mit Elektromotor unterwegs und damit relativ schnell und noch schwerer.

Vor allem Cargo-Bikes mit zwei Vorderrädern, einem Hinterrad und der Transportbox vor dem Fahrer seien dabei schwer zu fahren und „hochgradig kippanfällig", sagte Zeidler, am bei der Pressekonferenz in Münster. Bei einem Unfall böten sie den Kindern keinerlei Schutz für Kopf und Oberkörper. Der Kinder-Dummy lag nach dem nachgestellten Unfall mit dem Kopf direkt auf dem Asphalt.

Die Unfallforscherin riet zu schärferen Sicherheitsauflagen - etwa zu stabilen Sitzen mit Kopfschutz statt eines einfachen Sitzbretts, wirksamen Gurten und einer Sicherheitszelle als Aufprallschutz. Eine Neigetechnik für die Lastenfahrräder - wie von manchen Herstellern bereits angeboten - schaffe zusätzliche Stabilität, sagte sie. Beim Kauf sollten Eltern unbedingt auf solche Sicherheitsfeatures achten.

Eltern sollten den Kindern außerdem konsequent einen Helm aufsetzen. Bisher tragen der Untersuchung zufolge nur rund die Hälfte der Kinder im Lastenfahrrad einen solchen Kopfschutz - wahrscheinlich wegen des trügerischen Sicherheitsgefühls in der Lastenrad-Box, sagte Zeidler.

Radunfälle mit verletzten Kindern sind bisher eher selten, ihre Zahl steigt aber. 2022 seien laut der polizeilichen Unfallstatistik bundesweit bei 222 Radunfällen mitfahrende Kinder bis sieben Jahre verletzt worden, in zwölf Fällen schwer, sagte der Untersuchungsleiter Matthias Kühn. Der Wert liege um 45 Prozent über dem Wert von 2019.

Die Unfallforscher hatten zum Vergleich auch Fahrradanhänger und Kindersitze auf dem Gepäckträger als Alternative für den Transport von Kindern untersucht. Auch hier gab es Kritik: Kinder-Anhänger seien leicht zu übersehen und stellten sich bei scharfen Bremsungen leicht quer, bemängelte Zeidler. Bei Kindersitzen auf dem Gepäckträger seien die Fallhöhe bei einem Unfall und der hohe Schwerpunkt problematisch. Das Fahrrad werde instabil - etwa beim Ausweichen und Stehenbleiben.

Auch hier sehen die Forscher Verbesserungsbedarf - etwa eine eigene Bremse und eine fest verbaute Beleuchtung für Anhänger. Zudem empfehlen die Expertinnen und Experten stabile Dreibein-Ständer für Fahrräder mit Kindersitz hinten oder eine Verringerung des maximal erlaubten Gewichts für Kinder auf dem hinteren Kindersitz von derzeit 22 auf unter 20 Kilogramm.

Das größte Verbesserungspotenzial sehen die Forscher aber beim Lastenrad. „Lastenfahrräder haben Aufholbedarf - und es gibt bisher kaum Vorgaben", sagt Zeidler. In der Straßenverkehrsordnung stünden bisher gar keine speziellen Anforderungen für Lastenfahrräder, die einschlägige DIN-Norm schreibt nur einen „geeigneten Sitz für jedes Kind mit Gurtsystem" vor.

Die Regelungslücke muss geschlossen werden, forderte Zeidler. Die Hersteller müssten mitziehen - und die Eltern Helm und Gurt auch nutzen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis auf Rekordhoch: Warum Gold zum Jahresende explodiert
22.12.2025

Gold glänzt wie lange nicht mehr. Der Goldpreis markiert neue Rekorde, während Unsicherheit, Notenbanken und geopolitische Risiken die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft OECD: Aufstieg im Arbeitsmarkt für Zugewanderte besonders schwer
22.12.2025

Der OECD-Migrationsausblick 2025 zeigt, wie groß der Einkommensabstand zwischen Zugewanderten und Einheimischen in Deutschland ausfällt....

DWN
Panorama
Panorama Wirtschaftskrise durchkreuzt Winterurlaubspläne der Deutschen
22.12.2025

Hohe Preise, unsichere Konjunktur und veränderte Prioritäten prägen den Winter. Die Wirtschaftskrise zwingt viele Deutsche zu neuen...

DWN
Politik
Politik Staatsmilliarden für E-Autos: Warum Kaufprämien den Markt nicht stabilisieren
22.12.2025

Ab 2026 soll der Kauf von Elektroautos staatlich bezuschusst werden. Die Erfahrung aus Ländern wie Norwegen und Australien zeigt jedoch,...

DWN
Finanzen
Finanzen Jetzt Tesla-Aktie kaufen? Welche Erwartungen Investoren an Elon Musk haben
21.12.2025

Visionäre Unternehmer haben an den Kapitalmärkten immer wieder ganze Branchen neu geordnet. Ob Tesla-Aktien weiterhin von technologischem...

DWN
Panorama
Panorama Gaudís Sagrada Família: Der höchste Kirchturm der Welt
21.12.2025

Barcelona feiert 2026 die Architektur – und ein Turm der Sagrada Família soll Geschichte schreiben. Doch hinter dem Rekord stecken Geld,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Leadership-Coach Lars Krimpenfort: „Klopp ist ein gutes Beispiel für klare Führung unter Druck“
21.12.2025

Im Mittelstand steigen die Belastungen gefühlt täglich. Wie gelingt es Führungskräften dennoch, unter Druck richtig zu entscheiden?...

DWN
Politik
Politik EU-Kapitalmarktunion: Warum kleine Staaten um ihre Finanzmacht kämpfen
21.12.2025

Die EU will ihren Kapitalmarkt neu ordnen und zentrale Aufsichtsrechte nach Paris verlagern, während kleinere Staaten den Verlust ihrer...