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DWN-Interview: Deutschland mit E-Autos in die Sackgasse?

Die EU will ein Ende des Verbrenner-Motors bis 2035. Doch was würde ein kompletter Umstieg auf Elektromobilität für die Bewegungsfreiheit der Bürger und den Industriestandort Deutschland bedeuten? Darüber sprachen die Deutschen Wirtschaftsnachrichten mit Holger Douglas, Autor des Buches „Die Diesellüge“.
10.03.2024 12:00
Lesezeit: 6 min
DWN-Interview: Deutschland mit E-Autos in die Sackgasse?
Die Nachfrage nach Elektroautos ist zuletzt ins Stocken geraten. (Foto: dpa)

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wie entwickeln sich der Absatz und die Preise von Elektroautos in Deutschland und Europa?

Holger Douglas: Langsam steigen die Absatzzahlen für Dieselfahrzeuge wieder an, die für Elektroautos sinken. Im Januar wurden 213.553 Pkw neu zugelassen, davon insgesamt 22.747 Elektroautos, im Dezember waren es noch 54.654. Gut, das war noch bevor die Förderung auslief. Sowohl in den USA als auch hierzulande verkaufen sich Elektroautos nicht so gut, wie sich die Hersteller das erhofft hatten. Und das hat Folgen: nicht ausgelastete Werke in Zwickau und in Emden, Stellenabbau bei VW. Besonders dramatisch für VW: das Elektroauto entwickelt sich zum Ladenhüter. Dabei wollte der frühere Chef Herbert Diess VW zum reinen Elektroauto-Hersteller machen.

Jetzt stellt sich weiterhin heraus: die Preise für gebrauchte Elektroautos sinken rapide. Dies verändert die komplette Kalkulation beim Kauf eines Autos, wenn der Wiederverkaufswert nicht mehr das bringt, was angesetzt wurde.

Nicht ohne handfeste wirtschaftliche Gründe verändern die großen Autovermieter ihre Einkaufsstrategie und kaufen wieder verstärkt Verbrenner für ihre Flotten. Übrigens auch deswegen, weil die Reparaturkosten für Elektroautos sehr hoch sind. Vor ein paar Jahren jubelten deren Marketingabteilungen noch über die hunderttausende von Elektroautos, mit denen sie ihre Flotten „umbauen“ wollten.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wer hat - insgesamt betrachtet - die bessere Umweltbilanz? Ein Pkw mit einem modernen Dieselmotor oder ein Pkw mit Elektroantrieb?

Holger Douglas: Wenn man sich auf die CO2-Rechenspiele einlassen will, was ich für blödsinnig halte, dann verursacht der Diesel etwa neun Tonnen CO2-Äquivalente, das E-Auto rund 18 Tonnen. Nach 200.000 Kilometern sind es 34,1 Tonnen beim Diesel und 40 Tonnen beim Batterieauto. Sagt jedenfalls eine VDI-Studie (Verein Deutscher Ingenieure, Anmerkung der Redaktion).

Es hängt eben davon ab, woher der Strom kommt. Und in Deutschland kommt er vor allem aus Kohlekraftwerken. Das ist gut so, denn die können noch liefern und zwar preisgünstig.

Jene CO2-Schwindeleien sollten so schnell wie möglich unter „Narreteien des Jahrhunderts“ ad acta gelegt werden.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Trotzdem noch ein Wort zum CO2- Ausstoß der Elektroautos.

Holger Douglas: Das Elektroauto hat keinen Auspuff, also wird es in jenem Abgas-Rechenschwindel mit 0 - in Worten: null - CO2-Emissionen angesetzt. Doch beim Elektroauto steht der Auspuff nur woanders, im Kamin der Kraftwerksschlote nämlich. Auch Strom muss produziert werden. Das geschieht zuverlässig nur in großen Kraftwerksblöcken. Da Deutschland seine Kernkraftwerke abgeschaltet hat, sind es Braun- und Steinkohlekraftwerke, die die Antriebsenergie für Elektroautos erzeugen. 42 Prozent des Stromes kommen von fossilen Kraftwerken.

E-Auto-Käufer sind also auf die Regierungslüge reingefallen, dass E-Autos Null-Emissionsautos seien. Habeck ist, ganz im Gegenteil, CO2-Weltmeister.

Ökostromverträge suggerieren, dass der Strom, der von Windrädern oder Solaranlagen käme, in ihrer Aussagekraft sogar die mittelalterlichen Ablassbriefe übertreffen. Erinnern muss man immer wieder an den Begründer der deutschen Pflanzenkunde, Wilhelm Pfeffer, der um 1910 schrieb: „Wir sollten Industrie dankbar sein, dass sie mit Kohlendioxid Emissionen dafür sorgt, dass das Spurengas CO2 in der Atmosphäre erhöht wird. Er wusste: Erst das CO2 ermöglicht Pflanzenwachstum.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Kann es in Deutschland bei der Energiewende genug Strom erzeugt werden, um eine ähnlich große Fahrzeugflotte wie die aktuelle in der Bundesrepublik elektrisch anzutreiben?

Holger Douglas: Nein, das ist nicht absehbar. 2021 verbrauchte der Verkehrssektor nach Angaben des grünen Umweltbundesamtes die gewaltige Energiemenge von 3.3386 Petajoule. Das entspricht etwa 940.525 GWh (Gigawattstunden, Anmerkung der Redaktion). Sogenannte „Erneuerbare“ erzeugten 2022 ebenso laut Umweltbundesamt 254.200 GWh. Da klafft also noch eine erhebliche Lücke. Zusätzlich muss die Frage geklärt werden, woher diese erheblichen Energiemengen bei Flaute und dann, wenn die Sonne nicht scheint, kommen.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Gleichwohl wollen die Bundesregierung und die EU unbedingt weg vom Verbrennungsmotor. Was also sind die Gründe dafür?

Holger Douglas: Rational ist das nicht mehr erklärbar, sondern nur mit einem ideologischen Kampf gegen die individuelle Mobilität. „Volk ohne Wagen“ hieß es programmatisch in einem vor ein paar Jahren vorgelegten Buch eines „Mobilitätsforschers“, klingt für mich aber eher wie jener schreckliche Begriff „Volk ohne Raum“ (eine Formulierung, die von den Nationalsozialisten benutzt wurde, Anmerkung der Redaktion). Die Idee der „15-Minuten-Städte“ passt dazu, dass man sich nicht weiter als in einem Umkreis von 15 Minuten bewegen solle - angeblich aus Umweltschutzgründen. Weitere Reisen sollen dann wahrscheinlich einem kleinen Funktionärskreis vorbehalten bleiben oder für Wohlverhalten vergeben werden.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Die deutschen Automobilhersteller scheinen diesen Vorgaben zu folgen. Drohen sie in eine Sackgasse zu galoppieren?

Holger Douglas: Im Augenblick ist sehr viel Bewegung im Spiel. Zumindest in Deutschland. Nach außen hin beeilten sich seinerzeit die Konzernchefs, der ehemaligen Kanzlerin Merkel zu Füßen zu kriechen und sich unterwürfig in einen noch schnelleren „Umbau“ hineinzuphantasieren. Lediglich der BMW-Chef äußerte sich distanzierter und wollte „technologieoffen“ bleiben, bleibt aber dabei, dass 2027 der letzte Verbrenner vom Band läuft - in München, wird hinzugefügt. Das größte Werk von BMW steht in den USA, in Spartanburg in South Carolina. Weitere produzieren in Mexiko und vor allem in China. Deutschland hat als Produktionsstandort ausgedient.

Denn die Hersteller haben sich schon längst anders entschieden und verlagern ihre Produktion in andere, billigere Länder. Unter dem Beifall von grünen Medien und Gewerkschaften „transformieren“ sie ihre Werke zu Produktionsstätten der reinen Elektromobilität und können so die teuren Arbeitsplätze hierzulande abbauen - und werden dafür gelobt. Was kann einem Schöneres als Konzernvorstand passieren? Wenn es dann nichts wird mit der Elektromobilität, dann stehen eben viele Fabrikhallen leer. Tja, bleiben in München extrem wertvolle Grundstücke in bester Innenstadtlage.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Was könnten die Folgen für den Industriestandort Deutschland sein, wenn man auch sämtliche direkten wie indirekten Zulieferer der Automobilindustrie mit einbezieht?

Holger Douglas: Der wichtigste Produktionszweig der deutschen Industrie fällt in sich zusammen. Den Herstellern wird das nicht viel ausmachen, sie sind weltweit mobil, den Aktionären ist es letztlich gleich, wo gefertigt wird. Anders sieht es bei den meist mittelständigen Zulieferern aus. Die können sich meist nicht einfach vom Acker machen. Lehrreich kann ein Blick in die ehemalige Autostadt Detroit sein.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Folgen andere Nationen dem deutschen Beispiel oder gibt es auch Hersteller anderer Länder, die weiter in die Entwicklung von Verbrennungsmotoren investieren?

Holger Douglas: Deutschland spielt wie bei jener „Energiewende“ auch hier den Geisterfahrer, der entgegengesetzt auf der Autobahn fährt. Kein anderes Land der Welt will Benzin- und Dieselfahrzeuge von den Straßen verbannen. In China ist man technologieoffen: Dort fahren in Städten Elektroautos, für längere Fahrten steigt man in ein Verbrennerfahrzeug. Oder gleich in einen schnellen Zug oder ins Flugzeug. Chinesische Autohersteller haben große Ingenieurskapazitäten aufgebaut, um Benziner und Diesel voranzutreiben.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Ließe sich die Entwicklung in Europa - weg vom Verbrennungsmotor - theoretisch überhaupt noch stoppen? Und hätten die deutschen Hersteller in der Zwischenzeit ihren technologischen Vorsprung verspielt?

Holger Douglas: Das Verbrenner-Aus ist geltender Beschluss der EU und erfolgte unter dem heftigen Beifall des grünen Berlins. 2026 soll noch einmal geprüft werden, ob nicht für sogenannte synthetische Kraftstoffe eine Ausnahme gemacht werden soll. Die gelten in diesen märchenhaften Rechnungen als „klimaneutral“. Es steht noch nicht fest, wie diese Betrachtung aussehen soll. Doch ist es nicht mehr als eine kleine kosmetische Betrachtung. Ein Verbrenner-Aus würde auch das Aus von Raffinerien, Tankstellen und der gesamten „Lieferkette“ bedeuten.

Für eine Änderung des Beschlusses müsste ein vollständig neues EU-Verfahren eingeleitet werden. Bisher sagen allerdings nur wenige Politiker, das Verbrenner-Verbot müsse gekippt werden. Vermutlich werden wir bei der kommenden Europawahl verschiedentlich „Verbrenner-Verbot stoppen“ lesen. Über Realisierungschancen müssen wir uns dann nach der EU-Wahl unterhalten. Vermutlich ist das noch so weit entfernt und irreal, sodass dies im Wahlkampf kaum eine Rolle spielen dürfte.

Gerade auch aufgrund der jüngsten Entwicklungen in Frankreich ist kaum vorstellbar, wie ein französischer Staatschef massive Proteste von Autoherstellern und Autofahrern politisch überleben sollte, wollte er den Franzosen tatsächlich das Auto wegnehmen.

Allerdings decken sich die langen Planungszeiträume in der Autoindustrie nicht mit kurzlebigen politischen Parolen. Immerhin arbeiten bei VW noch rund 2.000 Ingenieure weiter in der Motorenentwicklung. Die Hersteller haben einen Plan B - ob für die Produktion hierzulande, ist offen.

Chinas Autohersteller dagegen investieren massiv in die weitere Entwicklung von Verbrennungsmotoren. Mit Geely und Renault haben sich zwei der weltgrößten Autohersteller verbündet und entwickeln weiterhin Benziner. Das Konsortium produziert in zehn Motorenwerken - eine in Schweden, neun in China und jetzt zusätzlich sieben Renault-Fabriken. 19.000 Mitarbeiter produzieren fünf Millionen Motoren - pro Jahr. Die werden künftig auch Renaults und Dacias antreiben. Damit entsteht ein Gigant der Autoentwicklung, gegen den deutsche Hersteller kaum eine Chance mehr haben. Denn die Entwicklung neuer Motoren ist extrem teuer, das rechnet sich nur über große Stückzahlen. All diese Investitionen strafen den Abgesang auf den Verbrenner Lügen. Dessen Entwicklung ist noch längst nicht am Ende. Im Gegenteil. Zumal der saudi-arabischen staatliche Ölkonzern Aramco mit in das Motoren-Joint-Venture einsteigen will.

Nebenbei bemerkt: der japanische Hersteller Mazda hat einen wunderschönen neuen Dieselmotor vorgestellt, sechs Zylinder und mit einem neuen mild-Hybrid-System, ein idealer Antrieb. Hierzulande träumt grüne Politik vom Lastenrad als ultimativem Verkehrsmittel. Mittelalter versus Neuzeit - es siegt bekanntlich nicht das Mittelalter.

Info zur Person: Holger Douglas ist Wissenschafts- und Technik-Journalist sowie Autor des Buches „Die Diesel-Lüge".

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