Der Zulieferer Bosch sieht Unternehmen trotz der Elektroauto-Offensive einen großen Bedarf für Elektromotoren. "Wir müssen weiterhin Verbrenner-Technologie in Deutschland bereitstellen, sonst wird die Welt damit nicht zurechtkommen", sagte Bosch-Chef Stefan Hartung dem Portal "The Pioneer". Man könne Kunden außerhalb Europas nicht zwingen, Verbrenner nicht einzusetzen, auch weil es zum Teil keine alternativen Lösungen gebe, erklärte er mit Blick auf das geplannte Verbrenner-Verbot ab 2035 in der Europäischen Union.
Komplette Umstellung der globalen Autoproduktion würde mindestens drei Jahrzehnte dauern
Verbrenner würden noch über viele Jahrzehnte auf den Straßen unterwegs sein, sagte der Chef des Auto-Zulieferers. Man werde mindestens 30 bis 35 Jahre benötigen, um weltweit alle Fahrzeuge zu elektrifizieren. Rund um den Globus gebe es geschätzte 1,4 Milliarden Autos. Wenn man die jährliche Fertigungskapazität der weltweiten Autoindustrie von rund 90 Millionen Fahrzeugen zugrunde lege und ab sofort nur noch E-Autos bauen würde, würde es mindestens 16 Jahre dauern, um die gesamte Fahrzeugflotte auszutauschen. In der Realität würden aber auch weiter Verbrenner-Fahrzeuge produziert, die im Laufe der Zeit wieder ersetzt werden müssten. Daher sei es plausibel, von mindestens der doppelten Anzahl an Jahren auszugehen.
Auch das ist natürlich eine Milchmädchen-Rechnung. Außerhalb Europas herrschen ganz andere klimapolitische Verhältnisse. Die Akzeptanz von E-Autos ist in den USA, Lateiamerika und Asien (vielleicht abgesehen von China) eher noch niedriger als etwa in Deutschland. Und selbst bei uns läuft die Verbreitung sehr schleppend und die Nachfrage stagniert. Auch in anderen Ländern war der Absatz von Elektroautos zuletzt ins Stocken geraten. Hohe Preise, technische Probleme, mangelnde Lade-Infrastruktur und zu geringe Reichweiten schrecken potentielle Käufer ab.
Auch Toyota-Chef glaubt nicht an dominante Zukunft der Elektromobilität
Der Bosch-CEO ist mit seiner Ansicht nicht alleine. Im September 2023 hatte BMW-Vorstandschef Oliver Zipse die deutsche Industriepolitik und das EU-Verbrennerverbot scharf kritisiert. Erst diesen Januar stieß der Autovermieter Hertz ein Drittel seiner Elektroautoflotte ab, um sie mit Verbrennern zu ersetzen. Zur selben Zeit hatte sich mit Akio Toyoda, Chef des global führenden Autobauers Toyota, ein absolutes Schwergewicht der Branche ebenfalls kritisch zu den Elektroauto-Zielen geäußert. Toyoda ist von dem unaufhaltsamen Siegeszug des Elektroautos, anders als viele deutsche Autobauer und Politiker, keineswegs überzeugt. Der Toyota-Boss prognostiziert, dass Elektrofahrzeuge bestenfalls einen Anteil von 30 Prozent am Weltmarkt erreichen werden. Der Enkel des Toyota-Gründers meint, dass der Umstieg auf Elektrofahrzeuge keine Lösung sei, solange weltweit eine Milliarde Menschen ohne Strom leben.
In der EU dürfen ab 2035 nur noch klimaneutrale Fahrzeuge auf den Markt gebracht werden. Die Vorgabe soll 2026 überprüft werden. Grundsätzlich sei die E-Mobilität ein Wachstumsmarkt, meint Bosch-Chef Hartung. "Nur, wie wir auch von Fahrzeugherstellern hören, wird der Hochlauf langsamer verlaufen als bisher angenommen". Die Frage, ob das Verbrenner-Aus in der EU zu früh ausgerufen wurde, verneinte der Manager. "Wichtig bei den Klimazielen war erst mal, dass wir uns überhaupt ein Ziel setzen."
"Elektrische Erntemaschinen würden wahrscheinlich im Boden versinken"
Hartung sagte, man müsse trotzdem weiter Verbrenner-Technologie bereitstellen - auch in Deutschland. Für eine komplette Elektrifizierung bedürfe es Erfindungen und Lösungen, die es bisher nicht gebe. Hartung nennt als Beispiel Erntemaschinen, die nicht ohne Weiteres elektrisch fahren könnten. "Denn sie fahren bis zu zwölf Stunden und ziehen dabei pro Stunde 250 bis 300 Kilowatt Leistung. Mit einer dafür benötigten Batterie würde das Fahrzeug wahrscheinlich im Boden versinken."