Weltwirtschaft

Gefahr im Roten Meer: Ist eine neue Landroute die Lösung?

Lesezeit: 4 min
25.03.2024 22:55
Das Rote Meer, das als wichtigste Handelsroute von Asien nach Europa gilt, ist für den Schiffsverkehr gefährlich geworden. Seit Ende 2023 greifen Huthi-Milizen regelmäßig zivile Schiffe an. Handelsrouten, auf denen Waren auf dem Landweg über die arabische Halbinsel transportiert werden können, könnten nun eine Alternative bieten.
Gefahr im Roten Meer: Ist eine neue Landroute die Lösung?
Das britische Frachtschiff "Rubymar" wurde von der islamistischen Huthi-Miliz angegriffen - und versank (Foto: dpa).
Foto: Yemeni government

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Trotz wiederholter Militärschläge der USA und Großbritanniens gegen die jemenitische Huthi-Miliz, weitet diese ihre Angriffe auf Frachtschiffe im Roten Meer aus. Mit dem Beschuss von Handelsschiffen auf einer der weltweit wichtigsten Handelsrouten versucht die vom Iran unterstützte Miliz nach eigenen Angaben, ein Ende der israelischen Angriffe im Gazastreifen zu erzwingen.

Wie hoch das Bedrohungspotenzial durch die Gruppe trotz des Einsatzes mehrerer westlicher Staaten zur Abwehr der Angriffe ist, zeigt der Raketenbeschuss des unter belizischer Flagge fahrenden Frachtschiffs „Rubymar“, welches infolgedessen Anfang März am südlichen Eingang des Roten Meeres sank. Auch ohne menschliche Opfer ist der Schaden immens, immerhin transportierte das Schiff 40.000 Tonnen Düngemittel. Satellitenbilder zeigen einen 30 Kilometer langen Ölteppich.

Angesichts der nach wie vor angespannten Sicherheitslage meiden große Reedereien zunehmend die kürzeste Seeverbindung zwischen Asien und Europa. Noch bis in den Dezember des vergangenen Jahres hinein lag die Frachtkapazität im Roten Meer und im angrenzenden Suezkanal bei mehr als 500.000 Standard-Containern pro Tag, was etwa einem Drittel der weltweiten Containerfracht entsprach. Zwei Monate später hatte sich das Frachtangebot um mehr als 80 Prozent verringert.

Per LKW ans Mittelmeer

Zwar fallen die durch die Umleitung der Schiffe gestiegenen Transportkosten pro Container für den Endverbraucher kaum ins Gewicht, da ihr Anteil am Warenwert sehr gering ist. Das reale Risiko, Schiffe verlieren zu können, und natürlich die Gefahr für Leib und Leben der Besatzungen, veranlasst die Nutzer des Seewegs dennoch dazu, nach weiteren Alternativen zu suchen. Eine Variante, um die durch die Huthi bedrohte Region zu umgehen, ist der Landweg durch das Herz des Nahen Ostens.

Neben einem israelischen Startup aus der Logistik-Branche gehört mit der Hamburger Reederei Hapag Lloyd, eines derer Schiffe Mitte Dezember ebenfalls durch einen Raketentreffer beschädigt wurde, zu den Unternehmen, die nun kommerzielle Handelsrouten quer durch die arabische Halbinsel eröffnet haben. Trucknet Enterprise Ltd., das israelische Unternehmen, schickt Waren, darunter Lebensmittel, Kunststoffe, Chemikalien und Elektrogeräte, vom Hafen Jebel Ali in den Vereinigten Arabischen Emiraten und aus Bahrain durch Saudi-Arabien und Jordanien nach Haifa in Israel. Von dort aus geht die Reise dann per Frachtschiff weiter nach Europa. Die Hapag Lloyd AG, die weltweite Nummer fünf im Containerverkehr, verbindet Dubai und zwei östliche saudische Häfen mit dem an der Westküste des Golfstaats gelegenen Dschidda. Die Stadt liegt am Roten Meer auf halbem Wege zum Suez-Kanal und damit in sicherer Entfernung zur heißen Zone der Huthi um die Meerenge Bab el-Mandab in Süden. Eine weitere Option ist die Verbindung von Jebel Ali mit Jordanien. All diese Routen bieten damit eine unmittelbare Lösung für Reeder, die die Gefahrenzone zu umgehen suchen.

Fragile Beziehungen untereinander

Mittlerweile haben sich die Beziehungen zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und Israel durch den 2020 geschlossenen Friedensvertrag (Abraham-Abkommen) zwar entspannt, die Versuche, die Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und Tel Aviv zu normalisieren, stehen mit dem Krieg in Gaza jedoch weiterhin unter schwierigen Vorzeichen. Aufgrund der angespannten Beziehungen zwischen Israel und den arabischen Staaten wurde die Trucknet-Route zuvor überhaupt noch nicht in kommerziellem Umfang genutzt.

Erste Testfahrten von der Golfregion nach Israel begannen im vergangenen November, aber erst als die Houthis nach dem Kriegsbeginn Israels gegen die Hamas damit begannen, Schiffe im Roten Meer zu bedrohen, nahm der Plan wirklich Fahrt auf. In den letzten Wochen wurde nun in größerem Umfang Fracht aus Indien, Thailand, Südkorea und China per LKW über jene neue Routen transportiert. Darüber hinaus rollen nun auch Waren, die für asiatische Abnehmer bestimmt sind, in umgekehrter Richtung über die Wüstenpisten, die dadurch mögliche logistische Optimierung des Frachtverkehrs senkt die Gesamtkosten.

Darüber, wie viele Lkw die Route tatsächlich befahren haben oder wie viel Fracht transportiert wurde, hüllt sich Trucknet allerdings hartnäckig in Schweigen. Ausschlaggebend für die Rentabilität der Route wird zuvorderst die politische Stabilität in der Region sein, neben der Frage, ob Reedereien tatsächlich umfassend auf den Landweg wechseln wollen. Immerhin sind die im Vergleich zur Schiffsalternative möglichen Transportmengen deutlich geringer, womit sich diese Alternative nicht für alle Güter eignet.

Landbrücke bleibt Nischenlösung

Laut Hapag Lloyd eignen sich die geplanten Verbindungen nicht zum Transport von Tausenden Containern, vielmehr stellen diese im Wesentlichen eine kurzfristige Lösung für Verlader dar, die eine begrenzte Menge an Fracht transportieren wollen. Die Fahrt vom Hafen Jebel Alin nach Dschidda dauert etwa zwei Tage, nach Haifa in Israel werden etwa drei bis vier Tage benötigt, verglichen mit einer mindestens 10-tägigen Reise um das afrikanische Kap der Guten Hoffnung herum. Damit ist die Landbrücke sowohl schneller und einfacher und kann zudem dazu beitragen, den Handelsfluss über Häfen in einer Region wie Dschidda anzukurbeln, die ansonsten von ihren üblichen Verbindungen zur Weltwirtschaft weitgehend abgeschnitten sind.

Laut einer Studie der Lieferketten-Forschungsgruppe von S&P Global Markets Intelligence aus Anfang Februar dürfte der neue Landweg zwar zukünftig ein erhebliches Verkehrsaufkommen verzeichnen, für Frachtgut speziell nach Israel jedoch trotz dessen eine Nischenlösung bleiben.

Blaupause für Großprojekt

Eine der Absichtserklärungen des Gipfeltreffens der G20-Staaten im vergangenen September im indischen Neu-Delhi sieht den Ausbau eines Wirtschaftskorridors von Indien über den Mittleren Osten nach Europa vor, und dafür können die neuen Routen durchaus als Probelauf dienen. Die neue Großverbindung soll über einen östlichen Korridor Indien mit der Golfregion verbinden und über einen nördlichen Korridor die Golfregion an Europa anschließen. Diese Korridore sollen ein Eisenbahn- und ein Schiff-Schiene-Transitnetz sowie Straßenverkehrsrouten umfassen.

Die US-Regierung und andere versuchen seit langem, den Handel und die wirtschaftlichen Beziehungen im Nahen Osten zu fördern, um die dortigen Rivalitäten zu entschärfen. Der derzeitige Krieg und seine Folgen haben die diplomatischen Hürden für eine solche Handelskooperation jedoch noch schwerer zu überwinden gemacht, und auch dieses Projekt ist seit dem Krieg zwischen Israel und der Hamas ins Stocken geraten. Buchstäblich Sand ins Getriebe des Vorhabens dürfte der Golf-Kooperationsrat streuen, der, mit Ausnahme Jemens, alle sieben Staaten der arabischen Halbinsel umfasst.

Da die Houthis bisher keine maritimen Güter der Vereinigten Arabischen Emirate oder Saudi-Arabiens bedroht haben, könnte dieser zögern, solch ein Großprojekt beherzt zu unterstützen. Sollte der „kleine Korridor“, der nun den Osten mit dem Westen der arabischen Halbinsel verbindet, zum Angriffsziel werden, geriete die Landbrücke auch in dieser Beziehung zum Probelauf.

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Markus Grüne (49) ist langjähriger professioneller Börsenhändler in den Bereichen Aktien, Derivate und Rohstoffe. Seit 2019 arbeitet er als freier Finanzmarkt-Journalist, wobei er unter anderem eigene Börsenbriefe und Marktanalysen mit Fokus auf Rohstoffe publiziert. 


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