Der französische Präsident Emmanuel Macron hat während seines dreitägigen Besuchs in der ökonomischen Hauptstadt Brasiliens, São Paulo, deutlich gemacht: Paris ist gegen das geplante Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union (EU) und dem südamerikanischen Wirtschaftsbündnis Mercosur, auch bekannt als „Gemeinsamer Markt des Südens“. Es besteht aus den Vollmitgliedstaaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Venezuela, ebenfalls ein Vollmitglied, ist seit Dezember 2016 suspendiert. Zudem gibt es assoziierte Staaten, die ohne Vollmitgliedschaft zum Teil am Mercosur-Handel beteiligt sind. Macron kritisiert das Abkommen mit dem Wirtschaftsbündnis in seiner aktuellen Form als „sehr schlecht“.
Er argumentiert, dass der vor 20 Jahren ausgehandelte Vertrag nicht den heutigen Anforderungen an Umweltschutz und Nachhaltigkeit entspricht. „Lasst uns ein neues, verantwortungsvolleres Abkommen aushandeln“, forderte Macron. Es soll eine Revision geben, die den heutigen ökologischen und sozialen Standards gerecht werden.
Deutschlands Erwartungen
Im Gegensatz zu Frankreichs strikter Haltung zeigen sich Deutschland und Brasilien kompromissbereit und unterstützen das Abkommen. Bundeskanzler Olaf Scholz und der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva haben im Dezember 2023 beim deutsch-brasilianischen Wirtschaftsforum in Berlin ihre Verpflichtung bekräftigt, das Abkommen zum Abschluss zu bringen. Sie heben insbesondere die Bedeutung eines Nebenabkommens hervor, das den durch den Handel verursachten Schaden für den Amazonas-Regenwald minimieren soll.
„Jetzt geht es darum, das Abkommen über die Ziellinie zu bringen, und deshalb werbe ich für Pragmatismus auch aufseiten der EU“, sagte Scholz. Das EU-Mercosur-Abkommen, das eine der weltweit größten Freihandelszonen mit über 700 Millionen Einwohnern schaffen würde, befindet sich seit 2019 in der Schwebe. Der Vertrag ist sowohl in Südamerika als auch in Europa umstritten, weil er von manchen Staaten als Bedrohung betrachtet wird.
In Deutschland könnten Branchen wie Maschinenbau, Automobilhersteller, Chemie- und Lebensmittelproduzenten vom erleichterten Marktzugang im Mercosur profitieren. Dies gilt auch für Dienstleister in Bereichen wie IT, Logistik und Tourismus. Innovationsgetriebene Unternehmen könnten auch durch Kooperationen Vorteile erzielen, während flexible kleine und mittlere Unternehmen (KMU) die sich bietenden Chancen nutzen könnten.
Mittlerweile drängt auch die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) auf den Abschluss des EU-Freihandelsabkommens mit den Mercosur-Staaten, um die schwächelnde Exportwirtschaft in Deutschland zu stärken. Derzeit sind EU-Exporte in den Mercosur mit hohen Zöllen belastet. Diese Situation kostet europäische Unternehmen laut DIHK jährlich vier Milliarden Euro.
Frankreichs Bedenken
Die Haltung Frankreichs zum EU-Mercosur-Abkommen gleicht einer Reaktion auf das EU-Handelsabkommen CETA, das Comprehensive Economic and Trade Agreement zwischen der EU und Kanada. Paris äußert in beiden Fällen Bedenken bezüglich der Auswirkungen auf lokale Märkte und Umweltstandards. Dies geschieht trotz der Ziele von CETA, das den Handel durch den Wegfall fast aller Zölle und die Etablierung gemeinsamer Regeln erleichtern und europäischen Firmen jährliche Einsparungen von etwa 590 Millionen Euro ermöglichen könnte.
Die Debatte zeigt große Meinungsunterschiede innerhalb der EU, wobei das richtige Gleichgewicht zwischen Handel und Umweltschutz im Fokus steht. Während Deutschland und Brasilien die wirtschaftlichen Vorteile betonen und nach einer pragmatischen Lösung suchen, bleibt Frankreich fest aufseiten der Umweltschützer.
Es bleibt abzuwarten, ob und wie die Meinungsunterschiede innerhalb der EU überwunden werden können, um eine gemeinsame Position zum Mercosur-Abkommen zu erreichen. (Mit Material der Nachrichtenagentur dpa)