Patienten bekommen es laut Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ab Herbst 2024 schrittweise mit einer deutlich spezialisierteren Kliniklandschaft in Deutschland zu tun. Dann werde es eine „starke Dynamik" geben, sagte Lauterbach jetzt in Berlin. Lauterbach äußerte sich zum Auftakt einer Reihe von Gesprächen zur geplanten Klinikreform mit kommunalen Spitzenverbänden, Selbstverwaltung und Ländern. Der Minister zeigte sich zuversichtlich, dass der Zeitplan für das gesundheitspolitische Großprojekt gehalten werde.
Ab Mai: Per Klick zur Klinik
Ab Mai könnten Versicherte mit dem neuen Online-Klinik-Atlas recherchieren, welcher Eingriff in ihrer jeweiligen Region in welcher Klinik wie häufig vorgenommen werde. Über Komplikationsraten werde dort in einem nächsten Schritt informiert, so Lauterbach. Der Bundesrat hatte das entsprechende Gesetz zum Aufbau eines staatlichen Online-Atlas im März passieren lassen. Das neue „Transparenzverzeichnis" soll als interaktives Portal verständlich über das jeweilige Angebot an den gut 1700 Kliniken in Deutschland Auskunft geben.
Im April: Klinikreform auf Zielgeraden
Die eigentliche Klinikreform will Lauterbach möglichst am 24. April durchs Bundeskabinett bringen. In der aktuell laufenden Abstimmung innerhalb der Regierung gehe es noch um „sehr viele juristische Punkte", die bei dieser großen Reform geprüft werden müssten. Für 17. April ist noch einmal ein Bund-Länder-Treffen zu dem Projekt geplant. Die Länder hatten zuletzt Klarheit für ihre Klinik-Planungen angemahnt. Das Gesetz für den Online-Klinik-Atlas hatte der Bundesrat erst im zweiten Anlauf durchgehen lassen, nachdem er es zunächst in den Vermittlungsausschuss mit dem Parlament geschickt hatte.
„Der Bundesgesundheitsminister läuft Gefahr, die Krankenhausreform mit vollem Tempo an die Wand zu fahren", sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. Brysch kritisierte, dass Lauterbach an heute fehlender Koordination zwischen Patienten, Angehörigen und Mitarbeitern in den Kliniken nichts ändern wolle. Einzelne Länder hingegen forderten vor allem mehr Geld vom Bund noch in diesem Jahr.
Weiteres frisches Geld sieht Lauterbach im Moment aber nicht als nötig an, um ungeordnetes Kliniksterben abzuwenden. „Wir werden kein dramatisches Krankenhaussterben bekommen." Vergangenes Jahr habe es 33 Insolvenzverfahren gegeben. Sieben von 1720 Kliniken hätten schließen müssen. Unterm Strich gebe es nach wie vor deutlich zu viele Krankenhäuser. Für sie fehle längerfristig Personal und Geld. Diese Kliniken seien aber auch nicht dauerhaft alle nötig. Ein rasches Kliniksterben hingegen werde durch jüngst beschlossene Milliardenhilfen und Refinanzierung von Lohnsteigerungen verhindert. Insgesamt sei ein Rückbau aber nötig, so Lauterbach. Zu diesem werde es kommen.
Ab Herbst 2024: Mehr Klinik-Transparenz
Noch im laufenden Jahr bekommen die Länder laut Lauterbach ein neues Instrument für die Krankenhausplanung, und zwar zur Folgenabschätzung. Abgeschätzt werden sollen beispielsweise die Folgen, wenn an bestimmten Häuser einzelne Leistungsangebote gestrichen werden. Dafür sei Deutschland in 84.000 Zellen je 1000 Einwohner eingeteilt worden. Ein Beispiel: Damit könne etwa geprüft werden, wie viele Häuser in einer Region Wirbelsäulenchirurgie anböten, wo das für die Sicherstellung der Versorgung nötig sei - und ob ein Wegfall dieses Angebots in vertretbarer Entfernung ausgeglichen wird.
Lauterbachs Erwartungen sind hoch: Mit den neuen Informationen über das gesamte Spektrum der Leistungen der Krankenhäuser - sortiert nach sogenannten Leistungsgruppen - gebe es ab Herbst „eine Riesentransparenz". Bisher sei das Krankenhaussystem in Deutschland im Blindflug gefahren worden - für rund 90 Milliarden Euro Behandlungskosten pro Jahr. Nun werde es erstmals Planung aufgrund solider Daten geben. Länder, Kommunen, Träger könnten sehen, wo sich Investition oder Kooperation lohnten oder wo auf Angeboten verzichtet werden sollte. „Wir werden einen drastischen Umbau sehen."
Konzentration komplizierter Therapien
Ziel dahinter seien „Strukturverbesserungen", sagte Lauterbach. „Die Hälfte der Krankenhäuser in Deutschland hat weniger als 150 Betten." Kleinere Häuser würden - wo nötig - durch ein geändertes Finanzierungssystem am Netz gehalten. Spitzenmedizin könne es hier nur zum Beispiel für kleinere chirurgische Eingriffe, innere Medizin, Geburtshilfe oder Notfallversorgung geben - aber nicht für komplizierte Krebsmedizin. Bei komplexen planbaren Eingriffen wird es den Plänen zufolge viel mehr Konzentration geben.