Finanzen

Gewinngrößen verstehen: Auf welches Ergebnis kommt es in der Analyse wirklich an?

Lesezeit: 5 min
20.04.2024 16:53
Für Investoren ist es wichtig, die verschiedenen Kennzahlen rund um das Ergebnis eines Unternehmens zu verstehen. Jede dieser Kennzahlen bietet einen anderen Blickwinkel auf die finanzielle Leistungsfähigkeit eines Unternehmens und hat ihre eigenen Vor- und Nachteile.
Gewinngrößen verstehen: Auf welches Ergebnis kommt es in der Analyse wirklich an?
Jede Kennzahl bietet einen anderen Blickwinkel auf die finanzielle Leistungsfähigkeit eines Unternehmens. (Foto: iStock, anyaberkut)
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Viele Unternehmen neigen nämlich dazu, in ihrer Kommunikation mit dem Finanzmarkt Kennzahlen zu verwenden, die für sie vorteilhaft sind. Diese werden dann von Analysten und Redakteuren oft allzu bereitwillig übernommen und als das allgemeingültige Ergebnis angesehen.

In diesem Artikel gehen wir aus diesem Grund auf die Unterschiede zwischen EBITDA, EBIT, EBT, Nettoergebnis, operativem Cashflow und Free Cashflow ein. Zudem erläutern wir anhand von Beispielen, warum es die eine perfekte Ergebnisgröße nicht gibt.

EBITDA (Ergebnis vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen auf Sachanlagen und immaterielle Vermögenswerte)

Das EBITDA ist das Ergebnis vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen auf Sachanlagen und Abschreibungen auf immaterielle Vermögensgegenstände. Es ist eine weit verbreitete Kennzahl, insbesondere bei kapitalintensiven Unternehmen. Es zeigt nämlich die operative Leistung unabhängig von der Finanzierungsstruktur, der Steuersituation und der Abschreibungsmethode.

Ein Vorteil des EBITDA ist, dass es einen schnellen Vergleich zwischen Unternehmen ermöglicht, auch wenn diese unterschiedliche Finanzierungs- und Abschreibungsstrategien verfolgen. Zudem wird die Kennzahl häufig zur Bestimmung der Schuldentilgungsdauer herangezogen.

Die Nachteile des EBITDA überwiegen jedoch. Es berücksichtigt nicht die Investitionen, die ein Unternehmen tätigen muss, um sein Anlagevermögen zu erhalten und zu erneuern. Ein hohes EBITDA kann daher auch durch das Hinauszögern notwendiger Investitionen erreicht werden, was langfristig schädlich sein kann.

Die fehlende Standardisierung und der Spielraum für subjektive Einschätzungen können zu „Kreativität“ bei der Berechnung des EBITDA führen. Noch kritischer sollten Investoren den Begriff adjusted oder bereinigtes EBITDA betrachten. Vor allem operativ schwache Unternehmen nutzen hier oft den großen Spielraum, um ein positiveres Bild der Realität zu zeichnen. So schreibt Warren Buffett in seinem Investorenbrief aus dem Jahr 2000: „Verweise auf das EBITDA lassen uns erschaudern: Glaubt das Management, dass die Zahnfee die Investitionsausgaben bezahlt? Wir sind sehr misstrauisch gegenüber Buchhaltungspraktiken, die vage oder unklar sind, denn allzu oft bedeutet dies, dass das Management versucht, etwas zu verbergen.“

EBIT (Ergebnis vor Zinsen und Steuern)

Das EBIT ist das Ergebnis vor Zinsen und Steuern. Es zeigt die operative Leistung eines Unternehmens, berücksichtigt aber im Gegensatz zum EBITDA die Abschreibungen. Dies gibt einen besseren Einblick in die tatsächliche Rentabilität des Unternehmens.

Ein Vorteil des EBIT ist, dass es die Kosten für die Nutzung der Vermögenswerte berücksichtigt. Es ist daher weniger anfällig für Manipulationen als das EBITDA, da vor allem bei den Abschreibungen viele Wahlmöglichkeiten bestehen. Das EBIT wird häufig ins Verhältnis zum Umsatz gesetzt und lässt als operative Marge Rückschlüsse auf die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens zu.

Allerdings hat auch das EBIT seine Grenzen. So ist das EBIT bei europäischen Unternehmen mit Filialgeschäft wenig aussagekräftig. Die Mieten für die Filialen werden nicht im operativen Aufwand ausgewiesen, sondern im Finanzergebnis. Bei Douglas beispielsweise beträgt das EBIT für das Geschäftsjahr 2022/23 zwar 337,1 Millionen Euro, das Finanzergebnis von -271,7 Millionen Euro zehrt es aber aufgrund von Mietzahlungen und Zinsaufwendungen für die hohe Verschuldung fast vollständig auf. Beides sind strukturelle Gegebenheiten, die das Unternehmen nicht von heute auf morgen ändern kann. Dieser Betrag steht den Anteilseignern deswegen dauerhaft nicht zur Verfügung. Das EBIT kann daher insbesondere bei Unternehmen mit hohen Finanzlasten zu einer Überschätzung der operativen Leistungsfähigkeit führen.

EBT (Ergebnis vor Steuern)

Das EBT ist das Ergebnis vor Steuern. Es berücksichtigt neben dem EBIT auch Zinsaufwendungen und -erträge. Es gibt damit Auskunft über die Rentabilität unter Berücksichtigung der Finanzierungsstruktur des Unternehmens.

Ein Vorteil des EBT ist, dass es den Einfluss des Fremdkapitals auf die Rentabilität aufzeigt. Auch für Investoren ist es eine wichtige Kennzahl, da es die Basis für die Berechnung des Jahresüberschusses darstellt. Dennoch ermöglicht das EBT einen Vergleich von Unternehmen aus verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen Steuersätzen.

Allerdings hat das EBT auch Nachteile. Ähnlich wie der Jahresüberschuss kann es durch Einmaleffekte beeinflusst werden. So stieg die Steuerquote der Google-Mutter Alphabet im Jahr 2017 aufgrund der Steuerreform von Donald Trump durch eine einmalige Transfersteuer sprunghaft von 19,3 Prozent auf 53,4 Prozent an. Danach sank die Steuerquote von Alphabet jedoch wieder auf niedrigere Werte zwischen 13,9 und 16,2 Prozent. Ein nachhaltiger Vorteil gegenüber einem deutschen Mittelständler wie Rational, der in den letzten beiden Geschäftsjahren Steuerquoten zwischen 21,9 und 24,0 Prozent auswies.

Nettoergebnis

Das Nettoergebnis, auch Jahresüberschuss oder Gewinn nach Steuern genannt, ist der Betrag, der vom Gesamtumsatz eines Unternehmens nach Abzug aller Aufwendungen einschließlich der Steuern übrigbleibt. Es ist eine wichtige Kennzahl, da sie den Eigentümern oder Aktionären zeigt, ob das Unternehmen nach Abzug aller Kosten tatsächlich rentabel ist.

Das Nettoergebnis hat jedoch auch einige Nachteile. Es kann durch einmalige Ereignisse wie den Verkauf von Vermögenswerten oder durch Änderungen der Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden beeinflusst werden. Außerdem berücksichtigt es nicht die tatsächlichen Cashflows des Unternehmens, da es auf dem Konzept der Periodenabgrenzung beruht.

Ein Beispiel für die Grenzen des Nettoergebnisses ist Berkshire Hathaway, die Holdinggesellschaft von Warren Buffett. Da das Unternehmen große Beteiligungen an börsennotierten Unternehmen hält, die in der Bilanz stets zum Marktwert ausgewiesen werden müssen, kann das Nettoergebnis stark von den Kursschwankungen dieser Aktien beeinflusst werden, ohne dass sich das zugrunde liegende Geschäft ändert.

Operativer Cashflow

Der operative Cashflow (OCF) ist der Cashflow aus der Haupttätigkeit eines Unternehmens. Er zeigt, wie viel Geld das Unternehmen durch seine gewöhnliche Geschäftstätigkeit erwirtschaftet hat, ohne Berücksichtigung von Investitionen oder Finanzierungstätigkeiten.

Ein Vorteil des OCF ist, dass er weniger anfällig für Änderungen in der Rechnungslegung ist als das Nettoergebnis. Er zeigt auch die tatsächliche Liquidität des Unternehmens, was für die Beurteilung der finanziellen Stabilität wichtig ist.

Aber auch der OCF hat seine Grenzen. Wie das EBITDA berücksichtigt er nicht die Investitionen, die ein Unternehmen tätigen muss, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Ein hoher OCF kann auch durch das Hinauszögern notwendiger Investitionen oder durch den Abbau von Working Capital erreicht werden, was langfristig schädlich sein kann.

Gerade Unternehmen mit einem stark optimierten Working Capital und geringen Lagerbeständen waren während der Corona-Pandemie allerdings nicht lieferfähig. Ein gutes Beispiel für mangelnde Investitionen ist Tui, das im Geschäftsjahr 2023 zwar 859,1 Millionen Euro abschrieb, aber nur Brutto-Sachinvestitionen in Höhe von 577,9 Millionen Euro auswies.

Free Cashflow

Der Free Cashflow (FCF) ist der Cashflow, bleibt übrig, nachdem ein Unternehmen alle Investitionen getätigt hat, die zur Aufrechterhaltung und Ausweitung seiner Geschäftstätigkeit erforderlich sind. Er steht den Eigentümern zur Verfügung, um Dividenden auszuschütten, Schulden zu tilgen oder Aktien zurückzukaufen.

Der FCF ist eine wichtige Kennzahl, da er die nachhaltige Ertragskraft eines Unternehmens aufzeigt. Er wird von Experten allgemein als eine der besten Gewinnkennzahlen angesehen. Unternehmen mit einem hohen FCF sind in der Regel finanziell stabiler und haben mehr Spielraum für Wachstumsinvestitionen.

Allerdings hat der FCF auch seine Tücken. Bei Unternehmen, die viele Aktienoptionen an ihre Mitarbeiter ausgeben, wie es häufig bei US-Technologieunternehmen der Fall ist, kann der FCF ein falsches Bild der tatsächlichen Personalkosten vermitteln. So haben Unternehmen wie Roblox, Okta oder Coinbase im vergangenen Jahr rund 30 Prozent ihres Umsatzes in Form von aktienbasierten Vergütungen ausgegeben. Aktienoptionen werden nicht als Ausgaben im Free Cash Flow berücksichtigt, so dass dieser tendenziell ein zu positives Bild vermittelt. Darüber hinaus müssen sich Investoren darüber im Klaren sein, welchen Anteil die Veränderung des Working Capital und der Investitionen an der Entwicklung des FCF haben und ob diese nachhaltig sind.

Welches Ergebnis soll ich als Anleger verwenden?

Die Analyse der verschiedenen Ertragskennzahlen zeigt, dass jede Kennzahl ihre eigenen Stärken und Schwächen hat.

Angesichts dieser Vielfalt an Kennzahlen und ihrer spezifischen Eigenschaften wird deutlich, dass es nicht die eine perfekte Gewinngröße gibt, die für alle Unternehmen und Situationen gleichermaßen geeignet ist. Vielmehr müssen Investoren von Fall zu Fall entscheiden, welche Kennzahlen für die Beurteilung eines bestimmten Unternehmens am aussagekräftigsten sind. Dazu ist es unerlässlich, das Geschäftsmodell und die Bilanzierungspraxis des Unternehmens zu verstehen. Nur so können Anleger die Aussagekraft der verschiedenen Gewinngrößen richtig einschätzen und fundierte Investitionsentscheidungen treffen.


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