Politik

Steinmeier unter Feuer: Kontroverse um Ukraine-Hilfen und Taurus-Lieferungen

Bundespräsident Steinmeier steht wegen seiner Aussagen zur Ukraine-Hilfe in der Kritik. Politiker werfen ihm vor, seine Rolle nicht angemessen auszufüllen. Er verteidigt seine Position.
30.04.2024 17:30
Lesezeit: 2 min

Außen- und Verteidigungspolitiker mehrerer Parteien haben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier für Aussagen rund um die deutschen Ukraine-Hilfen kritisiert. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), hielt ihm ein falsches Rollenverständnis vor. „Anstelle als Bundespräsident seiner Rolle gerecht zu werden und eine große Rede an die Bürgerinnen und Bürger zu halten, um ihnen die Ernsthaftigkeit der Lage zu erklären, zieht er Experten ins Lächerliche, um den Wahlkampf der SPD zu unterstützen“, sagte Strack-Zimmermann dem „Tagesspiegel“. Das sei „schlicht unwürdig“.

Steinmeier hatte am Freitag auf dem Leserkongress der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) in Frankfurt zur Entscheidung von Kanzler Olaf Scholz (SPD), der Ukraine keine Taurus-Marschflugkörper zu liefern, gesagt: „Ehrlich gesagt, bei der Größenordnung, die wir mittlerweile zur Verfügung stellen, finde ich, darf die Bundesregierung auch einen gewissen Entscheidungsspielraum haben, was sie zur Verfügung stellt und was dann möglicherweise auch nicht.“

Gleichzeitig drückte er ein Missbehagen zur deutschen Debatte über Waffensysteme aus. „Ja, muss man über alles diskutieren, und die Militärexperten, die Kaliber-Experten, tun das ja auch mit Ausgelassenheit und mit wachsendem Ehrgeiz“, so der Bundespräsident. Nach zwei Jahren Krieg und „doch eindrucksvoller“ Unterstützung Kiews durch Deutschland sei es zugleich „keine so schlechte Zwischenbilanz“, dass die Bevölkerung immer noch mehrheitlich hinter der Ukraine-Politik von Scholz stehe.

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Thorsten Frei, sagte der Deutschen Presse-Agentur, der Bundespräsident dürfe erwarten, dass man ihm und seinem Amt mit Respekt und Zurückhaltung begegne. Dieses Gebot sei aber keine Einbahnstraße. „Wenn Frank-Walter Steinmeier plötzlich in die Tagespolitik einsteigt und über Themen spöttisch herzieht, die von Abgeordneten des Deutschen Bundestags ernsthaft diskutiert werden, überschreitet er leichtfertig und ohne Not Grenzen seines Amtes und muss dann auch mit Widerspruch leben.“ Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen warf Steinmeier im „Tagesspiegel“ vor, aus seinen Formulierungen spreche „Spott und Abschätzigkeit“.

Auf die Kritik angesprochen, verwies Steinmeier am Dienstag auch während seiner Prag-Reise auf die „enormen Anstrengungen“ Deutschlands, aber auch Tschechiens zur Unterstützung der Ukraine. Das gelte finanziell, wirtschaftlich und auch militärisch. Zur militärischen Unterstützung sagte er weiter: „Ich bitte um Verständnis, dass ich als Bundespräsident der Bundesregierung nicht Empfehlungen geben kann, auf welche Waffen sie verzichten kann, welche Waffen sie bei der Nato anmeldet und was für die Schwerpunkte, die das Verteidigungsministerium, die Bundesregierung ausgesucht hat, hilfreich ist.“

Die Debatte über mögliche Lieferungen von Taurus-Marschflugkörpern mit großer Reichweite an die Ukraine wird seit Monaten geführt. Laut einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa für das RTL/ntv-„Trendbarometer“ lehnt eine Mehrheit von 56 Prozent der Deutschen weiterhin Taurus-Lieferungen ab. Im März sprachen sich demnach noch 66 Prozent dagegen aus. 37 Prozent der Bundesbürger (gegenüber 28 Prozent im März) sind der aktuellen Befragung zufolge dafür, die Ukraine mit diesem Waffensystem zu unterstützen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Panorama
Panorama Ukraine-Krieg: Gescheiterte Verhandlungen 2022 - Lawrow über Waffenruhe „Wir wollen das nicht mehr“
22.05.2025

Russlands Außenminister Sergej Lawrow erteilt einer langfristigen Waffenruhe eine Absage. Nach Angaben des russischen Außenministers...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Milliardär Arnault warnt: EU treibt Industrie in den Abgrund
22.05.2025

Bernard Arnault, der reichste Mann Europas, schlägt Alarm: Die EU spiele mit dem Feuer, während Zölle explodieren und ganze Branchen...

DWN
Politik
Politik Russisches Schatten-Schiff vor Polens Küste: Polen interveniert - ein verdächtiges Manöver?
22.05.2025

Ein russisches Schiff der „Schattenflotte“ hat verdächtige Manöver in der Nähe des Verbindungskabels zwischen Polen und Schweden...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KI statt Ruhestand: Google-Mitgründer Brin kehrt zurück – jetzt wird’s ernst
22.05.2025

Sergey Brin ist zurück – getrieben von der KI-Revolution. Google greift mit neuer Macht an, doch die Fehler der Vergangenheit sitzen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Brüssel bremst Billig-Boom: EU erklärt Temu und Shein den Zoll-Krieg
22.05.2025

Die EU greift zur Zollkeule: Mit einer neuen Pauschalabgabe sollen Temu und Shein ausgebremst werden – doch am Ende zahlen Europas...

DWN
Finanzen
Finanzen Immobilien: Banken vergeben deutlich mehr Kredite für Wohnimmobilien
22.05.2025

Die Immobilienpreise waren zeitweise spürbar gefallen, nun kommt der Markt wieder in Fahrt. Verbraucher und Investoren schließen deutlich...

DWN
Finanzen
Finanzen WHO verabschiedet Pandemie-Abkommen inmitten der Finanzkrise: Deutschland sagt weitere Millionen zu
22.05.2025

Der Weltgesundheitsorganisation fehlen in den kommenden zwei Jahren 1,7 Milliarden Dollar (rund 1,5 Mrd Euro), unter anderem, weil die USA...

DWN
Panorama
Panorama Einwanderungsland Deutschland: Jeder vierte Mensch hat einen Migrationshintergrund
22.05.2025

Rund 21,2 Millionen Menschen mit Einwanderungsgeschichte haben im vergangenen Jahr in Deutschland gelebt. Das sind vier Prozent mehr als im...