Politik

Fragile Allianz: Warum Israel langfristig um US-Hilfen bangen muss

Wer die Ereignisse rund um Israel der vergangenen Monate verfolgt hat, könnte meinen, Netanjahus Taktik ginge auf: Die US-Amerikaner unterstützen das kleine Land mit enormen finanziellen Mitteln und Waffen - und der verhaltene Angriff Irans stärkte das internationale Verständnis für Netanjahus rigorose Politik. Doch auf den zweiten Blick wird deutlich, dass Israels Stellung als Regionalmacht in der Levante äußerst fragil ist. Warum selbst die Hilfen aus den USA versiegen könnten, erfahren Sie hier!
16.05.2024 08:17
Lesezeit: 4 min
 Fragile Allianz: Warum Israel langfristig um US-Hilfen bangen muss
Zieht sich die USA aus der Allianz mit Israel langsam zurück? (Bild: dpa) Foto: Manuel Balce Ceneta

USA: Milliardenhilfen für Ukraine, Taiwan und Israel

Am 20. April einigte sich der US-Kongress auf ein Hilfspaket für die drei derzeit wichtigsten Konfliktzonen in seinem Interessenbereich: der Ukraine, Taiwan und Israel. Von den insgesamt 95 Milliarden Dollar gehen 26,5 Milliarden an das kleine Land in der Levante, das sich derzeit im Gazastreifen heftige Bodenkämpfe liefert und einen Luftkrieg mit Iran ausficht. Die Erleichterung ist groß, Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach gar von einer starken, überparteilichen Unterstützung der USA, die damit die westliche Zivilisation verteidigen würden.

Das ist nicht die einzige gute Meldung für Israel in der letzten Zeit. Scheinbar mühelos kann sich die Likud-Partei als Retterin des Staates inszenieren, wehrt iranische Drohnenangriffe gekonnt ab und feiert im Gazastreifen militärische Erfolge. Kritik von westlichen Partnern wird medienwirksam infrage gestellt. Das ist auch nicht allzu schwer, sind doch aggressive Anti-Israel-Demonstrationen an US-amerikanischen Universitäten eher erschreckend antisemitisch als legitim israelkritisch, während etwa die deutsche Empörung blamable Formen annimmt, wenn etwa Dieter Hallervorden das Gedicht „Gaza Gaza“ im Radio übertragen lässt oder Außenministerin Baerbock sich mit Belehrungsversuchen beim israelischen Präsidenten unbeliebt macht.

Doch Netanjahus Taktik ist riskanter, als es derzeit scheint. Die Existenz Israels steht auf dem Spiel, denn israelischen Truppen mögen lokale Siege feiern, die Luftabwehr mag das Land noch weitgehend gegen die selbstgebauten Raketen von Hamas und Hisbollah beschützen. Doch der Erzfeind Iran legt eine beispiellose Aggression an den Tag, sei es im Rahmen des ersten groß angelegten Drohnenangriff gegen Israel am 13. April oder über die zahlreichen Operationen seiner Proxies im Libanon, Jemen, Irak, Syrien und in palästinensisch kontrollierten Gebieten. Derweil sinkt die Unterstützung für Israel im Westen, sodass die USA als einzige Großmacht übrig bleiben, um das kleine Land wirksam zu verteidigen. Und selbst hier wird die Unterstützung Jerusalems erstmals ernsthaft infrage gestellt.

Washington will Deeskalation, aber keine Expansion Israels

Lange galt für die US-Außenpolitik der Grundsatz, Israel müsse als westliche Macht im Nahen Osten eine gewisse Dominanz ausüben können, um sich gegen seine Nachbarn zu behaupten. So wurden mehr finanzielle Mittel aus Washington seit 1945 für Israel aufgewendet als aus jedem anderen Land der Welt. Vornehmlich wurden diese Finanzhilfen für den Auf- und Ausbau der IDF, Israels Verteidigungsstreitkräfte, genutzt.

Doch Israels harscher Umgang mit der Bevölkerung im Gazastreifen und seine Alleingänge im Kampf gegen Irans Militärs und Stellvertreter befeuern Kritiker im gesamten Westen, die die militärische Rückendeckung Israels zunehmend hinterfragen. Die Tötung von sieben Mitarbeitern der World Central Kitchen durch einen Bombenangriff in Gaza führte zu einem erneuten Schwall der Entrüstung in der westlichen Welt, sodass Joe Biden sich im Monat April schon mehrfach gezwungen sah, Benjamin Netanjahu in die Schranken zu weisen.

Washington unterstützt zwar Israels Abwehrkapazitäten und trug maßgeblich dazu bei, dass iranische Drohnen am 13. April fast gänzlich vernichtet werden konnten, bevor sie irgendwelchen Schaden anrichteten. Doch Alleingänge Israels wie die Tötung des iranischen Generals Mohammed Reza Zahedi, die erst den iranischen Gegenschlag provozierte, werden nun nicht mehr toleriert.

Die verhaltene Gegenreaktion Israels auf den iranischen Drohnenangriff entlud sich in der Bombardierung des Luftstützpunktes in Isfahan. Diese hatte nur einen symbolischen Zweck, zeigte sie doch, dass Israel es im Gegensatz zu Iran ohne Probleme schaffte, die Luftabwehr des verfeindeten Landes zu umgehen. Doch die USA mussten vor dem Angriff informiert werden. Alles deutet darauf hin, dass Washington die israelische Verteidigung stärken, eine direkte Konfrontation mit Iran aber um jeden Preis verhindern möchte.

Bernie Sanders: Kein Geld für „Rechtsextremistische Regierung in Israel“

Damit reagiert Präsident Biden nicht nur auf die Gefahr eines Flächenbrands in Nahost. Auch innenpolitisch muss er auf den wachsenden Unmut in seinem Land über die Partnerschaft mit Israel reagieren. Im US-Senat, der die Ukraine- und Israelhilfen schon mehrfach blockierte, sind israelkritische Stimmen besonders laut. „Ich sage Ihnen, es gibt außer mir noch sehr viel mehr Menschen in diesem Senat, die empört sind. Über die Dinge, die in Gaza geschehen“, sagte Senator Bernie Sanders. Er selbst könne es „nicht verstehen, dass [der Senat] weitere zehn Milliarden Dollar für eine rechtsextremistische Regierung in Israel ausgeben will.“

Zwar bekräftigen Joe Biden und auch Donald Trump die kompromisslose Unterstützung Israels. Doch die Debatten um weitere Hilfen werden zäher, der Wunsch nach einer Befriedung der Region anstatt eines weiteren Flächenbrands wächst. Israels Offensive in Gaza wird hingegen als unverhältnismäßig bewertet. „Was Israel tut, ist nur möglich mit US-amerikanischen Waffen und Finanzhilfen“, sagte Bernie Sanders dem Wall Street Journal. Sanders schlug dem Senat vor, die Hilfen für Israel einzufrieren, solange der Staat sein Vorgehen in Gaza nicht radikal ändere und mehr für die Versorgung der Menschen vor Ort tue. Allein die Überlegung, US-Hilfen für Israel einzustellen, stellt ein Novum in der US-Debatte dar. Ein weiterer Präzedenzfall ist die Sanktionierung eines israelischen Bataillons wegen Menschenrechtsverletzungen durch US-Außenminister Anthony Blinken. Ohne auf den Fall einzugehen, schrieb Netanjahu auf X: „Gegen die israelische Armee dürfen keine Sanktionen verhängt werden!“

Israel: Umringt von falschen Freunden und vielen Feinden?

Doch ohne die USA wird Israel dem wachsenden Druck Irans nicht standhalten können. So halfen zwar neben den Amerikanern auch Europäer und sogar Araber bei der Verteidigung des israelischen Luftraums am 13. April. Doch die EU-Staaten verschärften bereits nach ihrem Gipfel im März den Ton gegenüber Israel deutlich und konzentrieren sich seither mehr auf die humanitäre Hilfe in Gaza, während die arabische Allianz äußerst fragil erscheint. So erlaubten etwa Jordanien, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate die Eliminierung iranische Drohnen im eigenen Luftraum. Als Begründung nannte jedoch ausschließlich Jordanien den Schutz der eigenen Territorien, Debatten über Israels Existenzrecht wurden elegant ausgeblendet.

Und der „Neue Nahe Osten“, in dem Israel als demokratischer Hegemon die Verbindung zu Saudi-Arabien, Ägypten, Jordanien und weitere Länder vertieft, ist seit den rigorosen Attacken Israels auf Gaza erst einmal passé. Mit Israel sind diese Länder nur zweckmäßig kooperativ, gerne möchte man sich mit dem kleinen Land nicht verbünden. Hier muss die USA erneut Hilfsarbeit leisten, um ein Mächtegleichgewicht in der Region zu wahren. Israel allein kann dies augenscheinlich nicht leisten, denn ständige Attacken und parallel fortgeführte Siedlungspolitik im Westjordanland ersticken das Aufkommen jeglicher diplomatischer Bemühungen vonseiten seiner Nachbarn.

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Virgil Zólyom

                                                                            ***

Virgil Zólyom, Jahrgang 1992, lebt in Meißen und arbeitet dort als freier Autor. Sein besonderes Interesse gilt geopolitischen Entwicklungen in Europa und Russland. Aber auch alltagsnahe Themen wie Existenzgründung, Sport und Weinbau fließen in seine Arbeit ein.

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