Wirtschaft

Handwerk unter Druck: Hohe Sozialabgaben gefährden die Branche

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) warnt: Die Schmerzgrenze des Handwerks ist längst überschritten! Besonders die zunehmenden Sozialabgaben gefährden die Branche. Welche Entlastungen dringend nötig sind und was von der Politik gefordert wird, um das Handwerk zu unterstützen.
01.06.2024 10:34
Lesezeit: 3 min
Handwerk unter Druck: Hohe Sozialabgaben gefährden die Branche
Das Handwerk in Deutschland steht unter viel Druck und fordert Reformen (Foto: dpa). Foto: Jens Büttner

Die Handwerksbranche, ein wirtschaftliches Schwergewicht mit über einer halben Millionen Betrieben und einem beeindruckenden Jahresumsatz von 659 Milliarden Euro, steht seit einiger Zeit unter wachsendem Druck. Sinkende Investitionsbereitschaft, zunehmende Bürokratie und insbesondere überproportionale Sozialabgaben belasten die Branche erheblich.

Inmitten dieser Herausforderungen schlägt Jörg Dittrich, der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Alarm. In einem kürzlich geführten Interview betont er dringend die Notwendigkeit von Maßnahmen, um die Zukunft des Handwerks zu sichern. Besonders kritisiert er die erdrückenden Sozialabgaben, die bereits „jetzt überproportional von lohnintensiven Bereichen wie dem Handwerk geschultert werden“ und die finanziellen Spielräume von Betrieben und Beschäftigten einschränken.

Belastung durch Sozialabgaben: Eine Gefahr für das Handwerk

Insbesondere die standorttreuen Handwerksbetriebe sehen sich damit konfrontiert, dass ihre Wettbewerbsfähigkeit durch dieses Problem leidet, sowohl im Vergleich zur internationalen Digitalkonkurrenz als auch zu anderen Wirtschaftszweigen.

„Die Schmerzgrenze für das Handwerk“ ist bereits mit dem Überschreiten der 40-Prozent-Marke erreicht worden, betont Dittrich. Weiteren Belastungen wären die Betriebe und ihre Beschäftigten nicht gewachsen. Die gegenwärtige Sozialabgabenlast bedroht nicht nur die Existenz vieler Betriebe, sondern auch die Zukunftsfähigkeit des gesamten Handwerks.

„Die Politik kann diese Steigerungen nicht tatenlos hinnehmen, sondern muss die Finanzierung der Sozialsysteme endlich so reformieren, dass Sozialabgaben nicht länger vor allem an den Lohn geknüpft werden. Und Politik muss dauerhaft für Beitragsstabilität sorgen, um so die Wettbewerbsfähigkeit der lohnintensiven Handwerksbetriebe zu sichern, ihren Beschäftigten ein auskömmliches Einkommen mit mehr Netto vom Brutto zu ermöglichen und Schwarzarbeit zu reduzieren“, führt Dittrich weiter aus.

Reform der Sozialabgaben: Eine dringende Forderung nach politischer Verantwortung

Er betont die Notwendigkeit von politischen Entlastungsmaßnahmen, um den finanziellen Handlungsspielraum der Unternehmen zu erweitern und Investitionen zu ermöglichen. Solche politischen Maßnahmen sind auch erforderlich, um Handwerksleistungen bezahlbar zu halten. Denn steigende Sozialabgaben bedeuten, dass sich die Kosten für Handwerksleistungen erhöhen. Mitarbeiter und Betriebe sehen sich gezwungen, ihre Preise anzuheben, um ausreichende Einnahmen zu erzielen. Dies wiederum resultiert in höheren Rechnungsbeträgen.

Schon zu Beginn des Jahres hatte Dittrich vor zusätzlichen Belastungen wie einer drohenden Investitionskrise, übermäßigen Steuerlasten und einer bürokratischen Überregulierung gewarnt, die das Wachstum der Branche erheblich beeinträchtigen könnten. Mit Nachdruck appelliert er an die Bundesregierung: „Das Handwerk erwartet ein klares Entlastungssignal der Bundesregierung. Und zwar jetzt.“

Weitere Herausforderungen: Rückgang der Umsatzerwartungen und Investitionszurückhaltung

Die sich verschlechternde Lage der Branche spiegelt sich deutlich in den Zahlen wider. Laut Statista gehen die Umsatzerwartungen zurück: Nur noch ein Drittel der befragten Betriebe prognostiziert ein Umsatzwachstum – ein deutlicher Rückgang im Vergleich zu den 41-Prozent des Vorjahres. Besorgniserregend ist auch der Anstieg der Unternehmen, die mit Umsatzrückgängen rechnen: Ein Sprung von 8,4 auf 16,8-Prozent. Selbst in bisher florierenden Bereichen wie Sanitär, Heizung und Klima sind die Rückgänge spürbar.

Die Bereitschaft der Betriebe, in die Zukunft zu investieren, hat spürbar abgenommen. Sogar dringend notwendige Ersatzinvestitionen werden häufig zurückgestellt. Trotz der unbestreitbaren Bedeutung von Investitionen für Modernisierung und Transformation sehen sich viele Betriebe angesichts der aktuellen Belastungen nicht in der Lage, diese Schritte zu gehen.

Die wachsende Bürokratie stellt eine weitere Hürde für das Handwerk dar. Dittrich illustriert dies anhand der zunehmenden administrativen Belastungen, die nicht nur ineffizient, sondern auch demotivierend wirken. Insbesondere die exzessiven Berichts- und Dokumentationspflichten belasten das Vertrauensverhältnis zwischen Staat und Handwerkern. Die zusätzlichen Belastungen durch Inflation, steigende CO2-Preise und wirtschaftliche Unsicherheiten verschärfen die Lage zusätzlich.

Stärkung des Handwerks: Forderungen nach strukturellen Reformen und Unterstützung

Die Bundesregierung muss entscheidende Schritte unternehmen, um den strukturellen Herausforderungen des Handwerks zu begegnen. Dabei sollten tiefgreifende Steuererleichterungen und eine Senkung der Sozialabgaben im Mittelpunkt stehen, um den Unternehmen finanzielle Spielräume zu eröffnen. Eine Vereinfachung der Bürokratie und eine Beschleunigung der Verwaltungsprozesse sollten zusätzliche Maßnahmen sein, um die Effizienz in den Betrieben zu steigern und den Fachkräften mehr Zeit an der Werkbank zu ermöglichen.

Darüber hinaus fordert Dittrich dauerhaft niedrige Energiepreise und die Wiedereinführung umfassender Förderprogramme, die darauf abzielen, das Handwerk zukunftsfähig zu machen und seine internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Er betont auch die Bedeutung stabiler politischer Rahmenbedingungen und eine angemessene Anerkennung der Leistungen des Handwerks, um die wirtschaftliche Stärke der Branche zu erhalten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Trump will "echtes Ende": Diplomatie oder einen Kriegseintritt der USA?
17.06.2025

Trumps vorzeitiges Verlassen des G7 Gipfels in Kanada hat viele Fragen offen gelassen. Reporter die Trump auf seiner Rückreise begleitet...

DWN
Politik
Politik Kriegswaffe Hunger? Israel greift erneut Menge bei Gaza-Hilfszentrum an
17.06.2025

Das israelische Militär hat erneut wartende Menschen in der Nähe eines Verteilzentrums für humanitäre Hilfsgüter im Gazastreifen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Slowenien verliert Glanz: Deutsche Firmen zweifeln am Standort
17.06.2025

Deutschlands Wirtschaft verliert das Vertrauen in Slowenien: Hohe Kosten, politische Unsicherheit und Reformstau treiben Firmen in Richtung...

DWN
Technologie
Technologie Starlink gegen den Rest der Welt: Wem gehört der Orbit?
17.06.2025

Während Elon Musk mit Starlink das All kolonisiert, stolpern Amazon, China und Europa hinterher. Geht es im neuen Weltraumrennen wirklich...

DWN
Finanzen
Finanzen Silberpreis bricht aus: Folgt nun eine Rallye bis 50 US-Dollar?
17.06.2025

Anfang Juni hat der Silberpreis die magische Marke von 35 US-Dollar pro Unze geknackt und hält sich seitdem beständig darüber. Damit ist...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Aus Alt wird Auto: EU will Rohstoffe besser nutzen- Mehr Recycling im Auto
17.06.2025

Autos bestehen aus wertvollen Rohstoffen – und viele davon lassen sich wiederverwenden. Damit in Europa künftig mehr Recyclingmaterial...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis vor dem Absturz? Citi warnt vor Ende der Rekordrally
17.06.2025

Der Goldpreis steht auf wackligen Füßen: Nach einem Höhenflug von über 30 % warnt Citigroup vor dem Absturz – kommt jetzt der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft ESG-Wende: Banken öffnen sich für Rüstungsfinanzierung
17.06.2025

Lange galten Rüstungsfirmen als tabu für ESG-Investoren – jetzt vollzieht die deutsche Finanzwelt offenbar eine Kehrtwende. Sicherheit...