Immobilien

Die Mietpreisbremse: Panne oder Problemlösung?

Lesezeit: 4 min
19.06.2024 11:15
Bereits 2023 war die Mietpreisbremse ein großes Medienthema. In Großstädten wie Berlin, in denen die Mieten in den letzten Jahren nochmal explosiv gestiegen sind, wird die Bremse von vielen als eine der letzten Optionen gehandelt, um noch bezahlbar zu mieten. Ein Hoch für Mieter – ein Tief für Vermieter. Perspektiven auf die Mietpreisbremse.
Die Mietpreisbremse: Panne oder Problemlösung?
Im Jahr 2015 wurde die Mietpreisbremse eingeführt, um in angespannten Wohnungsmärkten bezahlbares Wohnen zu ermöglichen, indem sie Mieterhöhungen begrenzt. (Foto: iStock.com, Shutter2U).
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Was ist die Mietpreisbremse

Der Grundsatzgedanke der Mietpreisbremse ist es, auf dem angespannten Markt bezahlbares Wohnen zu ermöglichen. Speziell soll die Bremse verhindern, dass Vermieter in beliebten Ballungsgebieten die Miete hochschrauben, um Profit aus der Lage zu schinden. Das Gesetz ist bereits am 01. Juni 2015 in Kraft getreten und wird von der jeweiligen Landesregierung gemanagt. Ganz offiziell steht das Gesetz als „Vereinbarungen über die Miethöhe bei Mietbeginn in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten“ im BGB: Es umfasst vier neue Paragraphen (§ 556d bis 556g), welche die Mietpreisbremse gesetzlich stützen. Die Paragraphen definieren über die Bremse hinaus auch, wo diese angewendet werden darf, wie lange und welche Ausnahmen bestehen.

Neun Jahre später ist der Markt angespannter denn je – gleichzeitig ist die Bremse für Mieter auch wichtiger denn je. Für Vermieter, die ihre Immobilien vor allem als Wertanlagen sehen, ist sie eher ein Ärgernis. Das Thema ist in Großstädten wie München besonders präsent, deutschlandweit nehmen etwa 415 Städte an der Bremse teil. Die Mietpreisbremse gilt für Mietverträge, die ab dem 07.08.2019 abgeschlossen wurden. Diese besagt, dass zu Beginn des Mietverhältnisses die Miete maximal 10 Prozent über dem ortsüblichen Standard liegen darf. Die Bremse gilt je Gebiet jeweils fünf Jahre lang. Im Februar 2022 wurden diese initial geplanten fünf Jahre aufgrund der Marktlage verlängert. Im Jahr 2024 wurde eine weitere Verlängerung der Mietpreisbremse bis 2029 beschlossen.

So mancher Vermieter fragt sich sicherlich, wie die Mietpreisbremse mit anderen Mietpreisformaten – insbesondere der Index- und Staffelmiete – zusammenspielt. Die Antwort: Bei der Staffelmiete gilt in der Tat auch eine Mietpreisbremse. Bei der Indexmiete gilt die Bremse jedoch nur auf Basis der Ausgangsmiete, nicht auf die Erhöhung hin berechnet.

Pro und Contra

Bevor man auf das Pro und Contra der Regelung eingeht, sind die Fronten zu klären. Die offensichtliche Antwort ist ein Konflikt der Vermieter versus Mieter. Immobilien sind ein beliebtes Investitionswerkzeug. Was aber, wenn die eine Partei mit der Investition Geld machen will, und die andere das dringend verhindern muss, um Überleben zu können?

Pro

Der Wohnungsmarkt ist am Explodieren – das ist kein Geheimnis. Vom Single bis hin zur mehrköpfigen Familie hat jeder ernsthafte Probleme, an halbwegs bezahlbaren Wohnraum zu kommen. Vor allem für Familien mit mehreren Kindern ist das eine Zerreißprobe. In Metropolen wie München, Berlin und Frankfurt muss eine Familie ein hohes Einkommen erzielen, um überhaupt eine angemessene Wohnung bezahlen zu können. Über den Immobilienmarkt hinaus ist die Mietpreisbremse eine Frage der sozialen Gerechtigkeit.

„Herausmodernisierung“ wird als beliebtes Mittel verwendet, um unerwünschte – lies: sozial schwache – Vermieter aus Objekten zu vertreiben. Diese Maßnahmen zwingen Vermietern unnötige Modernisierungen der Immobilie auf, um diese zur Kündigung zu bringen. Durch den Mietpreisdeckel ist eine solche Wucherung nicht mehr, oder nur noch begrenzt, möglich.

Con

Leider ist die Bremse keine Garantie dafür, dass Wohnraum auch tatsächlich fair verteilt wird. Ein Vermieter wird sich in den meisten Fällen sicher eher für gut betuchte Mieter entscheiden, als eine Familie am Limit. Es gibt keine Gesetze die bestimmen, an wen diese Wohnungen weitergegeben werden „dürfen“ – und es ist unwahrscheinlich, dass ein solches Gesetz jemals beim Bundestag durchkommt, da es ein Eingriff in die individuelle Entscheidungsfreiheit des Vermieters ist.

Ein weiteres wirtschaftliches Contra: Die Mietpreisbremse macht Immobilien als Investition weniger attraktiv. Investoren haben weniger Anreize zu bauen; und auch Vermieter würden oftmals attraktivere Preise an Land ziehen, indem sie die Wohnungen als Eigentum verkaufen, statt sie auf dem Mietmarkt anzubieten.

Die IHK Berlin warnt, dass die Mietpreisbremse Refinanzierungen bei Maßnahmen zur Instandhaltung und Reparatur von Immobilien gefährden könnte. Insbesondere im Hinblick auf die neuen Herausforderungen rund um Energiesanierung sehen sie eine Gefahr, dass Wohnraum aufgrund von Verfall verloren gehen könnte.

Da sich die Mietpreisbremse speziell auf Objekte ab 2019 konzentriert, wird hierdurch zudem die Schere zwischen Bestands- und Neubaumieten stark verschärft.

Das Problem an sozialer Gerechtigkeit ist, dass es eine freie Entscheidung jedes Einzelnen ist. Es ist nicht möglich, Vermieter dazu zu zwingen, menschenfreundlich mit ihrem Eigentum umzugehen. Es ist fraglich, ob tatsächliche Kontrollinstanzen geschaffen werden können, um das nach zu verfolgen und für alle fair umzusetzen. Stattdessen muss ein Anreiz für Immobilienbesitzer geschaffen werden, um den Markt mit zu entlasten. Das muss jedoch auf politischer Ebene passieren, nicht auf der Rechnung des Einzelnen.

Laufende Initiativen

An der LMU München wird aktuell eine Studie durchgeführt, welche die Wirksamkeit der Mietpreisbremse seit 2015 untersucht. Forscherin Felicitas Sommer ist verhalten – sie hat den Eindruck, dass sich viele Vermieter trotz Gesetz aus der Verantwortung ziehen konnten. „Ironischerweise, als ich begonnen habe, dieses Projekt zu machen und mich mehr damit beschäftigt habe, habe ich festgestellt, dass ich selber mehr als zehn Prozent über dem ortsüblichen Mietspiegel zahle“, so Sommer. Sie erforscht, wie viele Menschen weiterhin Mieten oberhalb der Mietpreisbremse zahlen, und wieso. Eine Antwort findet sich auf dem Immobilien-Hochsitz der Republik: Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) sagte explizit, dass Deutschland kein „Nanny-Staat“ sei. Kurzum: Man muss schon klagen, um als Mieter sein Recht zu bekommen, wenn man trotz Bremse mehr zahlt als gesetzlich erlaubt. In einem derart angespannten Markt würde das wohl kaum einer riskieren.

DW Enteignen macht sich speziell in Berlin für die Mietpreisbremse – und bezahlbares Wohnen allgemein – stark. Bereits 2021 versuchte die Initiative, den Markt durch einen Volksentscheid zu entlasten. Trotz 59,1 Prozent Zuspruch bleiben Versprechen vom Berliner Senat unerfüllt. Im Oktober letzten Jahres kündigten sie an, es weiter mit einem Gesetzesvolksentscheid zu versuchen.

Mietpreisbremse: Reumütiger Retter?

Wenn man sich den Markt so anschaut, sieht es aus, als wäre nicht viel passiert. Hierbei lohnt sich aber ein offener Blick. Eine Bremse alleine kann ein sozio-ökonomisches Problem, das sich schon seit Jahrzehnten anbahnt, nur begrenzt aufhalten. Darüber hinaus haben sich die demographischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland in den letzten neun Jahren zu stark verändert, als dass der Markt agil reagieren könnte. Die Regulierung des Mietenmarkts ist komplex – und nur durch Intervention von oben zu schaffen.


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