Strom gilt in Deutschland als besonders teuer
Die hohen Strompreise gelten – neben Fachkräftemangel, hohen Bürokratiekosten und einer überalterten Bevölkerung – als klarer Standortnachteil. Freiberufler sowie Handwerker und Gewerbetreibende sollten deshalb unbedingt über einen Anbieterwechsel nachdenken.
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat im Jahr 2022 nicht nur bei Öl und Gas, sondern auch beim Strom zu einem regelrechten „Preisbeben“ geführt. In diesem Jahr explodierte nämlich der Strompreis an der European Energy Exchange (EEX) in der Spitze von 75 auf über 650 Euro/MWh (siehe Grafik) und hat sich mittlerweile wieder auf 67 Euro/MWh beruhigt. Diese Preiszuwächse haben sich aufgrund langfristiger Verträge und staatlicher Strompreisbremsen zwar nicht in vollem Umfang auf die Stromrechnungen der Verbraucher durchgeschlagen, seit der Liberalisierung des deutschen Strommarktes im Jahr 1998 hat sich für Endverbraucher der Preis für eine Kilowattstunde dennoch mehr als verdoppelt.
Deutscher Strompreis fährt Achterbahn
Quelle: European Energy Exchange (EEX)
Laut dem Internet-Vergleichsportal Verivox bezahlen deutsche Stromkunden pro Jahr fast 5,5 Milliarden Euro zu viel. Als besonders teuer gelten die Grundversorgungstarife der örtlichen Stromversorger. Verivox-Energieexperte Thorsten Storck weist darauf hin, dass man in Deutschland seit mehr als 25 Jahren einen Stromanbieter frei wählen könne. Dass dennoch fast ein Viertel der Stromkundinnen und -kunden freiwillig im teuersten Tarif verharrt, sei erstaunlich, schließlich kostet im bundesdeutschen Durchschnitt eine Kilowattstunde (kWh) Strom im Grundversorgungstarif derzeit 44,36 Cent. Bei den günstigsten verfügbaren Tarifen mit Preisgarantie fällt der Preis im Bundesschnitt mit 24,7 Cent/kWh deutlich niedriger aus.
Im Grunde genommen werden diejenigen bestraft, die seit Jahren oder gar Jahrzehnten den Grundversorgungstarif ihrer ortsansässigen Anbieter nutzen. Diese setzen offensichtlich auf die Bequemlichkeit ihrer Stammkundschaft und können durch deren überhöhte Preise die Wechselprämien und deutlich günstigere Tarife neuer Kunden finanzieren. Der gesunde Menschenverstand würde eher rechtfertigen, lokalpatriotische treue Kunden über besonders attraktive Preise zu belohnen. Weil dem aber nicht so ist, sollten Stromverbraucher ihre Komfortzone verlassen und „keine Skrupel haben“, zu günstigeren Anbietern zu wechseln. In Privathaushalten lassen sich dadurch pro Jahr mehrere hundert Euro sparen, bei Unternehmen dürften die Ersparnisse sogar deutlich höher ausfallen und sich dadurch positiv auf die Gewinnermittlung auswirken.
Was für Wechselwillige wichtig ist
Ein großer Vorteil des Grundversorgertarifs besteht darin, dass man diesen mit einer relativ kurzen Frist von 14 Tagen kündigen darf und man durch die Auswahl eines günstigeren Anbieters somit besonders viel sparen kann. Bei angekündigten Preiserhöhungen oder im Falle eines Umzugs hat man zudem ein Sonderkündigungsrecht. Wer seinen bisherigen Vertrag bereits gekündigt hat, kann direkt einen neuen Tarif abschließen. Bei noch bestehenden Vertragsverhältnissen sollte man zunächst die Vertragslaufzeit sowie die Kündigungsfrist in Erfahrung bringen, um den Wechsel zu einem neuen Stromanbieter rechtzeitig zu veranlassen.
Besonders interessant: Für den Fall, dass Unternehmen bestimmte Bedingungen erfüllen, sind sie möglicherweise zum Bezug von sogenanntem Gewerbestrom berechtigt. Dieser ist in der Regel günstiger als Haushaltsstrom, häufig aber an bestimmte Mindestabnahmemengen gekoppelt. In diesem Fall würde sich ein Wechsel etwas komplizierter gestalten, der geldwerte Vorteil in Form von niedrigeren Stromkosten dürfte im Gegenzug allerdings noch höher ausfallen.
Derzeit buhlen über 1.000 Stromanbieter um potenzielle Neukunden und bieten für die Vertragsdauer besonders günstige Strompreise in Verbindung mit Bonus-Zahlungen. Problem dabei: Nach Ende der Vertragslaufzeit folgen häufig üppige Preiserhöhungen. Dann hoffen die Anbieter auf die Trägheit des Kunden und das Verbleiben in dem „überteuerten“ Vertrag. Dass das ständige Überwachen der Stromverträge und Beobachten des Strommarktes Arbeit macht, Manpower bindet und dadurch Verwaltungskosten verursacht, liegt auf der Hand. Deshalb macht es für Unternehmer möglicherweise Sinn, diese Aufgabe an externe Dienstleister mit entsprechender Expertise auszugliedern und ihnen einen Teil der Kostenersparnis zukommen zu lassen – eine klassische Win-Win-Situation.
Monitoring und Wechselservice „outsourcen“
Um Interessenskonflikte zu vermeiden, sollte man bei der Auswahl eines Wechselservice-Anbieters darauf achten, dass dieser von den Energieversorgern keine Provisionen für die Vermittlung neuer Kunden erhält. Dies trifft u.a. auf die folgenden Anbieter zu: Wechselpilot.com, Cheapenergy24.de, Esave.de und Wechselstrom.eu.
Benjamin Reichenbach, einer der beiden Gründer und Geschäftsführer der Cheapenergy24 GmbH, weist mit Blick auf das Einsparen von Energiekosten darauf hin, dass beim Abschluss neuer Tarife in der Regel einmalige Wechselprämien hauptverantwortlich für die erzielten Einsparungen seien. Dies führt dazu, dass der Abschluss eines Neukundentarifs – verglichen mit dem Bestandskundentarif – für den Verbraucher stets günstiger sei.
Ein großer Vorteil des Outsourcing der Energiekostenkontrolle eines Unternehmens besteht darin, dass der Wechselservice-Anbieter rechtzeitig vor Auslaufen der Vertragslaufzeit oder im Falle von Preiserhöhungen automatisch ein neues, kostengünstigeres Angebot unterbreitet. Unter dem Motto „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ kann man dieses dann bei Vergleichsportalen wie zum Beispiel check24.de oder verivox.de auf Plausibilität überprüfen. Beide Portale wurden übrigens von der Stiftung Warentest (Finanztest 12/2021) von insgesamt acht Anbietern mit der Note „Befriedigend“ und damit besser als die Wettbewerber eingestuft.
By the way: Wer seine Energiekosten weiter reduzieren möchte, sollte über den Wechsel seines Gas-Anbieters ebenfalls nachdenken. Auch hier wird Vertragstreue in der Regel eher bestraft als belohnt. Mit Blick auf die hohen Energiepreise und deren deutlich gestiegenen Schwankungen gilt mehr denn je die alte Kaufmannsregel: Im Einkauf liegt der Gewinn. Da laut verivox.de die deutschen Strompreise weltweit zu den Top-9 gehören und in Europa lediglich in Liechtenstein, Irland und Italien noch höhere Niveaus herrschen, sollte sich die Bundesregierung hinsichtlich der schwindenden Wettbewerbsfähigkeit möglichst bald Gedanken über wirksame Preisbremsen machen.