Politik

Schuldenbremse: Reform kann Milliarden-Spielraum schaffen

Lesezeit: 2 min
13.06.2024 10:45  Aktualisiert: 13.06.2024 13:30
Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt: Durch Reformen der Schuldenbremse könnte Deutschland bis zu 30 Milliarden Euro mehr Investitionsspielraum erhalten. Wie ist es möglich?

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Seit 15 Jahren ist die Schuldenbremse fest im deutschen Grundgesetz verankert. Sie begrenzt die politische Handlungsfähigkeit erheblich. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hat nun drei Reformvorschläge präsentiert, die zeigen, wie finanzielle Spielräume erweitert werden können, ohne die Staatsfinanzen zu überlasten.

In der aktuellen Debatte stehen sich zwei Lager gegenüber: Die Befürworter loben die Schuldenbremse, weil sie den Staat zu finanzieller Disziplin zwingt und so künftige Generationen entlastet. Kritiker hingegen sehen in ihr ein Hindernis für notwendige öffentliche Investitionen in Bereiche wie Infrastruktur, Klimaschutz und Digitalisierung und kritisieren, dass sie hohe Steuern erforderlich macht. „Die Politik sollte die Ausgestaltung der Schuldenbremse auf jeden Fall neu überdenken“, fordert IW-Experte Tobias Hentze.

Welche Reformmodelle wichtig sind

Das IW schlägt in seiner Studie drei mögliche Reformvarianten vor:

Nettoinvestitionsregel: Diese Regel würde es erlauben, neue Kredite ausschließlich für den Ausbau des Kapitalstocks, wie neue Straßen oder Wasserstoffpipelines, aufzunehmen. Von diesen Investitionen würden zukünftige Generationen profitieren, während die heutigen Generationen für die Instandhaltung aufkommen müssten.

Atmende Schuldenregel: Diese Regelung ermöglicht eine flexible Reaktion auf Konjunkturschwankungen und berücksichtigt Zinsausgaben für bestehende Kredite. In wirtschaftlich schlechten Zeiten könnte der Staat demnach mehr Schulden machen, in guten weniger. „Dies würde es erlauben, die Wirtschaft in Krisenzeiten zu stützen und in prosperierenden Phasen Schulden abzubauen“, erläutert IW-Direktor Michael Hüther.

Ausgabenregel: Diese Regel koppelt die Höhe der Staatsausgaben an das Wachstum des BIP, sodass das Verhältnis von Ausgaben zu BIP konstant bleibt. Um die Wirtschaft und die Bürger zu unterstützen, könnte der Staat die Steuern senken; eventuelle Mindereinnahmen würden auf einem Ausgleichskonto verbucht und müssten später ausgeglichen werden. Diese Regel könnte in Ausnahmesituationen, wie bisher auch, ausgesetzt werden.

Zusätzlicher finanzieller Spielraum

Durch die vorgeschlagenen Reformen könnte ein zusätzlicher Verschuldungsspielraum von jährlich 30 bis 35 Milliarden Euro entstehen. „Mit einer Nettokreditaufnahme von bis zu 1,5 Prozent des BIP pro Jahr würde die Schuldenquote stabil bleiben“, sagt IW-Experte Martin Beznoska. Dies würde nicht nur wichtige Investitionen ermöglichen, sondern auch die steuerliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands stärken.

Es ist unstrittig, dass Regeln zur Staatsverschuldung von großer Bedeutung sind. In der aktuellen Debatte setzt Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) weiterhin auf die Beibehaltung der Schuldenbremse. Die IW-Studie geht jedoch davon aus, dass eine flexible und zukunftsorientierte Anpassung der Schuldenbremse notwendig ist, um den finanziellen Handlungsspielraum zu erweitern und gleichzeitig stabile Staatsfinanzen zu gewährleisten.

Zum Autor:

Farhad Salmanian arbeitet bei den DWN als Online-Redakteur. Er widmet sich den Ressorts Politik und Wirtschaft Deutschlands sowie der EU. Er war bereits unter anderem für die Sender BBC und Radio Free Europe tätig und bringt mehrsprachige Rundfunkexpertise sowie vertiefte Kenntnisse in Analyse, Medienbeobachtung und Recherche mit.


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik SPD-Kanzlerkandidat steht fest: Pistorius zieht zurück und ebnet Weg für Scholz
21.11.2024

Nach intensiven Diskussionen innerhalb der SPD hat Verteidigungsminister Boris Pistorius Olaf Scholz den Weg für die erneute...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Prognose: Kryptowährung mit Rekordhoch kurz vor 100.000 Dollar - wie geht's weiter?
21.11.2024

Neues Bitcoin-Rekordhoch am Mittwoch - und am Donnerstag hat die wichtigste Kryptowährung direkt nachgelegt. Seit dem Sieg von Donald...

DWN
Panorama
Panorama Merkel-Buch „Freiheit“: Wie die Ex-Kanzlerin ihre politischen Memoiren schönschreibt
21.11.2024

Biden geht, Trump kommt! Wer auf Scholz folgt, ist zwar noch unklar. Dafür steht das Polit-Comeback des Jahres auf der Tagesordnung: Ab...

DWN
Politik
Politik Solidaritätszuschlag: Kippt das Bundesverfassungsgericht die „Reichensteuer“? Unternehmen könnten Milliarden sparen!
21.11.2024

Den umstrittenen Solidaritätszuschlag müssen seit 2021 immer noch Besserverdiener und Unternehmen zahlen. Ob das verfassungswidrig ist,...

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesbank: Konjunkturflaute, Handelskonflikte, leere Büroimmobilien - Banken stehen vor akuten Herausforderungen
21.11.2024

Eigentlich stehen Deutschlands Finanzinstitute in Summe noch ganz gut da – so das Fazit der Bundesbank. Doch der Blick nach vorn ist...

DWN
Finanzen
Finanzen Von Dividenden leben? So erzielen Sie ein passives Einkommen an der Börse
21.11.2024

Dividenden-ETFs schütten jedes Jahr drei bis vier Prozent der angelegten Summe aus. Wäre das auch was für Ihre Anlagestrategie?...

DWN
Politik
Politik Weltstrafgericht erlässt auch Haftbefehle gegen Netanjahu und Galant - wegen Kriegsverbrechen im Gaza-Streifen
21.11.2024

Der Internationale Strafgerichtshof hat Haftbefehle gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, den früheren...

DWN
Politik
Politik US-Staatsapparat: Tech-Milliardär Elon Musk setzt auf Technologie statt Personal - Unterstützung bekommt er von Trump
21.11.2024

Elon Musk soll dem künftigen US-Präsidenten Trump dabei helfen, Behördenausgaben zu kürzen und Bürokratie abzubauen. Er gibt einen...