Gut gemeint ist nicht gut gemacht. Davon kann die Ampelregierung selbstkritisch inzwischen ein Lied mit vielen Strophen singen. Der jüngste Refrain: Auch die Arbeitgeber sollten ein Stückchen vom Kuchen abgekommen.
Das ist wieder kolossal schiefgegangen. Statt der lauthals angekündigten „konzertierten Aktion“ für Angestellte und Arbeiter im Lande ist gerade mal die Hälfte der abhängig Beschäftigten in den Genuss der einst von Gewerkschaften, Bundesregierung und Arbeitgeber auf den Weg gebrachten Initiative gekommen. Die anno 2022 versprochene Inflationsausgleichsprämie ist damit - sozial betrachtet - ein Rohrkrepierer: Die einen gönnen sich einen Kurzurlaub mit dem Geld, die anderen gucken in die Röhre. Sie haben nichts vom Arbeitgeber erhalten – dabei sollte es steuerlich eine Win-win-Situation für alle schaffen.
Noch nicht zu spät: Zeitfenster bleibt bis Ende 2024 offen
Noch es ist nicht zu spät: Bis Ende 2024 könnten Firmenchefs den Anreiz nutzen und das Geld (auch in Tranchen) anweisen – und das Ganze steuer- und sozialabgabenfrei, um den Inflationsschock, der mit dem Krieg und der Energiekrise über das Land hingefegt ist, abzufedern.
Die Gewerkschaften ahnen freilich: Das wird wohl nichts mehr kommen, das Thema ist vom Tisch und überholt. Denn die Arbeitgeber müssen teils deutlich höhere Gehaltsabschlüsse verkraften. 2150 Euro wurden nach einer Umfrage und Berechnungen von YouGov im Schnitt ausgezahlt. Gut 20 Millionen Bürger haben die Prämie herhalten. Doch bei den Nutznießern überwiegen jene Gruppen, denen es in ihren Jobs ohnehin besser geht. Je höher das Gehalt, desto höher der Effekt und die Zufriedenheit, so das Fazit von YouGov.
Angeblich sollen zwei Drittel der Arbeitnehmer mit einem Salär von über 4000 Euro profitiert haben. Arbeitnehmer in prekären Beschäftigungsverhältnissen sind zumeist leer ausgegangen. Wer unter 2.000 Euro verdient, hat lediglich in einem Drittel der Fälle etwas zum Ausgleich vom Chef erhalten. Das kann nicht das Ziel von Bundeskanzler Olaf Scholz und Sozial- und Arbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) gewesen sein.
Wer wenig verdient, war von Inflation besonders gebeutelt
Wirtschaftswissenschaftler wie Marcel Fratzscher vom DIW in Berlin rechnen denn auch die grobe Ungerechtigkeit vor: Wer wenig verdient, ist natürlich auch überproportional mehr von der Inflation erwischt worden. Sie mussten mehr für Lebensmittel und Energie ausgeben.
Ökonom Fratzscher wörtlich: „Das betrifft einerseits Menschen mit geringem Einkommen. Und zum anderen betrifft es auch viele Menschen, die wenig Geld haben und nicht arbeiten: etwa Rentner oder Studenten.“ Das dürfte insbesondere im Osten Deutschlands auf die Stimmung gedrückt haben und den Sozialdemokraten an der Wahlurne diese Woche auf die Füße gefallen sein.
Die Bundesregierung wollte besonders schnell und unkompliziert helfen, als sie sich für die Inflationsausgleichsprämie ins Zeug legte im Jahr 2022. Keine Verwaltungskosten, sondern einfach nur ein Abschlag bei der Steuer. Die Alternative wären zielgenaue Überweisungen gewesen, was aber aufwändig ist und bereits beim Klimageld in der grauen Theorie stecken blieb. Dafür bräuchte der Fiskus eine „Datei mit der Bedürftigen“, wie es Sozialverbände erhoffen, freilich sehr genau wissen, dass „ja nicht sein kann, was nicht sein darf“.
In der aktuellen Haushaltslage hätte der Bundesfinanzminister Christian Lindner von der FDP ohnehin verhaltener reagiert und die Prämie des Koalitionspartners natürlich nicht einfach durchgewinkt. Insgesamt ist der Prämienausgleich zu Buche geschlagen – je gut zur Hälfte bei der Steuer und den Sozialausgaben.
Die Gewerkschaften sagen, dies zeige nur, „wie wichtig die Tariftreue der Arbeitgeber ist“. Allerdings auch die Arbeitgeber sollten sich fragen, ob sie sich angesichts der Verschiebungen am Arbeitsmarkt leisten können, ihre Arbeitnehmer so im Regen stehenzulassen. „Versprochen gebrochen“, das lernt jedes Kind, bleibt in Erinnerung.