Politik

Unser neues Magazin ist da: Wohin steuert die EU? Europas Kampf um Souveränität und Einfluss

Europa steht am Scheideweg. Zwischen globalen Machtblöcken und innerer Zerrissenheit muss die Europäische Union ihren Kurs finden. Dringend! Sie könnte sonst dauerhaft zum Spielball der Großmächte werden.
16.09.2025 11:00
Aktualisiert: 01.01.2030 11:20
Lesezeit: 2 min
Unser neues Magazin ist da: Wohin steuert die EU? Europas Kampf um Souveränität und Einfluss
Die EU wirkt manchmal wie ein großer und unbeweglicher Tanker – nun ist es dringend notwendig, den richtigen Kurs einzuschlagen (Foto: dpa).

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

Gewissheiten verschieben sich. Gewissheiten, die wir jahrzehntelang nicht hinterfragt und die wir als gegeben angesehen haben: politische Stabilität, eine resiliente Demokratie und eine starke Wirtschaft mit einem sicheren Arbeitsplatz. Seit der Corona-Pandemie, seit Russlands Krieg gegen die Ukraine, seit der Wiederwahl von Donald Trump zum US-Präsidenten und seit der Erfindung der künstlichen Intelligenz haben diese Grundpfeiler unserer globalen Ordnung tiefe Risse bekommen. Wir stehen an der Schwelle zu einer neuen Ära, die nicht mehr von den vertrauten Gesetzen der vergangenen Jahrzehnte regiert wird. Die Frage, die unsere Titelthese diesen Monat stellt – „Wohin steuert die EU?“ – ist daher keine akademische Übung. Sie ist die essenzielle Frage nach unserer Zukunft, unserem Wohlstand und unserer Rolle in einer Welt, die sich radikal neu ordnet.

Europa und die Schauplätze der Zukunft

Europa, dieser Kontinent der Philosophen, der Erfinder und der sozialen Marktwirtschaft, befindet sich in einem fundamentalen Identitätskampf. Wir waren es gewohnt, die Regeln zu setzen, den Ton anzugeben, den Maßstab für Zivilisation und Fortschritt zu definieren. Doch das Brett, auf dem gespielt wird, ist nicht mehr dasselbe, die Figuren, die das geopolitische Schachspiel dominieren, sind nicht mehr dieselben. Die Gleichung, dass wirtschaftliche Macht unweigerlich politisches Gewicht bedeutet, geht plötzlich nicht mehr auf. Wir müssen uns einer unbequemen Wahrheit stellen: Wir sind dabei, vom Gestalter zum Getriebenen, vom Akteur zum Zuschauer zu werden.

Dieses Magazin handelt von den Schauplätzen, auf denen die künftige Rolle – Statist oder Held – verhandelt, entschieden und neu bestimmt wird.

Behalten wir Souveränität in einer digitalen Welt? Wer kontrolliert die Datenströme, die für unsere Unternehmen so lebenswichtig sind? Halten wir Schritt mit der KI-Revolution? Brüssel ringt mit den Giganten aus dem Silicon Valley, die nicht nur Märkte, sondern zunehmend auch staatliche Souveränitätsrechte herausfordern. Es ist ein Kampf David gegen Goliath, bei dem David zwar moralische und rechtliche Argumente, Goliath aber oft die schiere ökonomische und technologische Macht besitzt. Dies wirft fundamentale Fragen auf: Wie viel Regulierung braucht der Markt, um fair und frei zu bleiben? Und wo erstickt ebenjene Regulierung die Innovation, die wir so dringend benötigen? Ein schwieriger Balanceakt.

Europas Krise als historische Chance

Doch in dieser Krise liegt auch eine historische Chance. Noch nie war die Notwendigkeit, endlich zu handeln, größer. Noch nie war der Konsens, dass wir handeln müssen, weiter verbreitet. Die Herausforderungen, vor denen wir stehen – von der digitalen Souveränität und der künstlichen Intelligenz über die Energie- und Klimapolitik bis hin zur europäischen Verteidigungspolitik –, sind gewaltig. Aber sie sind auch die Blaupause für eine Renaissance des europäischen Projekts. Es geht nicht um weniger Markt, sondern um einen gestärkten, integrierten und technologisch unabhängigen Binnenmarkt. Es geht nicht um planwirtschaftliche Eingriffe, sondern um kluge, strategische Investitionen in jene Schlüsseltechnologien, die über unsere Zukunftsfähigkeit entscheiden.

Der „Green Deal“ ist dabei der vielleicht ambitionierteste und gleichzeitig riskanteste Hebel. Er ist weit mehr als Umweltpolitik; er ist eine gigantische industriepolitische und geostrategische Weichenstellung. Er eröffnet den Weg, unsere Energiefreiheit zurückzugewinnen und zum Architekten weltweiter Klimastandards aufzusteigen. Doch er droht auch, Unternehmen mit einer Flut von Bürokratie zu ersticken und sie im internationalen Wettbewerb zu benachteiligen. Die Frage ist nicht, ob wir nachhaltiger werden müssen, sondern wie wir es schaffen, dies ohne Deindustrialisierung und ohne massive Wohlstandsverluste zu tun. Hier trifft der Idealismus von Brüssel auf die harte Realität der Fabrikhallen und Bilanzbücher.

Es geht um uns

Letztlich, verehrte Leser, geht es um eine einzige, alles überragende Frage: Haben wir noch den Willen, uns unsere Zukunft selbst zu gestalten? Oder überlassen wir es anderen, über unser Schicksal zu bestimmen? Die Antwort liegt nicht allein in den Hauptstädten oder in Brüssel. Sie liegt in den Chefetagen, in den Forschungsabteilungen, in den Start-ups und den Familienunternehmen. Sie liegt bei uns allen.

Ihr Markus Gentner

DWN-Chefredakteur

avtor1
Markus Gentner

Zum Autor:

Markus Gentner ist seit 1. Januar 2024 Chefredakteur bei den Deutschen Wirtschaftsnachrichten. Zuvor war er zwölf Jahre lang für Deutschlands größtes Börsenportal finanzen.net tätig, unter anderem als Redaktionsleiter des Ratgeber-Bereichs sowie als Online-Redakteur in der News-Redaktion. Er arbeitete außerdem für das Deutsche Anlegerfernsehen (DAF), für die Tageszeitung Rheinpfalz und für die Burda-Tochter Stegenwaller, bei der er auch volontierte. Markus Gentner ist studierter Journalist und besitzt einen Master-Abschluss in Germanistik.

DWN
Finanzen
Finanzen Doppelbesteuerung Rente: Ob Sie betroffen sind und was Sie tun können!
25.11.2025

In Deutschland müssen auch Rentner ihre Rente versteuern, weil Renten als Einkünfte gewertet werden, obwohl Arbeitnehmer bereits im...

DWN
Politik
Politik Georgiens Krise: Welche Machtverschiebung Europa jetzt alarmieren sollte
25.11.2025

Ein Land am Schwarzen Meer verliert seine demokratischen Sicherungen, während die Regierung Kritiker verfolgt und neue Allianzen mit...

DWN
Politik
Politik Insa-Umfrage aktuell: AfD bleibt in Sonntagsfrage vor Union
25.11.2025

Die aktuelle Insa-Umfrage zeigt eine AfD auf Rekordkurs - und eine Union, die langsam näher rückt. Gleichzeitig bröckelt das Tabu-Image...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Wirtschaft tritt auf der Stelle
25.11.2025

Die deutsche Wirtschaft tritt weiter auf der Stelle, während Exporte sinken und Verbraucher sparen. Ökonomen hoffen zwar auf eine...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell weiter auf hohem Niveau: Kurs steigt deutlich über 4.100 Dollar – Blick geht zur Fed
25.11.2025

Der Goldpreis zieht weiter an und überschreitet wieder wichtige Marken. Doch hinter dem jüngsten Sprung stehen mehr als nur kurzfristige...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Großprojekt Suedlink: Baubeginn trotz jahrelanger Debatten
25.11.2025

Nach jahrelangen Diskussionen fällt heute im thüringischen Wasungen der offizielle Startschuss für den Bau der Stromautobahn Suedlink,...

DWN
Politik
Politik Putins Risikooffensive: Warum 2027 zum Wendepunkt für Europa werden kann
25.11.2025

Ein zunehmend risikofreudiger Kreml und eine bröckelnde amerikanische Schutzgarantie treffen auf ein Europa, das gefährlich unvorbereitet...

DWN
Politik
Politik G20 in Afrika: Geschlossenheit trotz US-Abwesenheit – Signal für Frieden und Entwicklung
24.11.2025

Beim ersten G20-Gipfel auf afrikanischem Boden bleibt der Platz der USA demonstrativ leer – doch die übrigen Mitglieder setzen ein...