Jetzt kommt der Widerstand auch von der SPD. Im Ringen der Ampel um die geplante Kindergrundsicherung bekräftigen SPD und FDP ihre Vorbehalte gegen die Vorschläge von Familienministerin Lisa Paus (Grüne). "Es ist klar geworden, dass der aktuelle Gesetzesentwurf in seiner vorliegenden Fassung nicht tragfähig ist", kritisierte SPD-Fraktionsvize Sönke Rix. Die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP verhandelten derzeit intensiv. "Aufgrund der Komplexität des Vorhabens und der zahlreichen Fallstricke kommen wir nicht umhin, die Kindergrundsicherung in mehreren Schritten einzuführen."
Nicht nur FDP, sondern auch SPD wendet sich von Vorhaben ab
Die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Gyde Jensen sagte, die Verhandlungen gestalteten sich so komplex, weil Paus "lediglich mit einer groben Idee" in den politischen Prozess gestartet sei. "Erst haben wir über unrealistische Summen diskutiert, danach über unnötige Strukturen und erst langsam sprechen wir endlich über die Instrumente, die zur Überwindung von Kinderarmut beitragen könnten."
Es gebe wohl kaum ein politisches Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag, "bei dem wir so mühsam vorankommen - insbesondere weil die Kompromissbereitschaft und notwendiger Realismus fehlen", sagte Jensen. Der SPD-Familienpolitiker Rix argumentierte, die Parlamentarier sähen sich in der Verantwortung, "alternative Lösungsvorschläge zu diskutieren und zu erarbeiten".
Der Vize-Fraktionsvorsitzende der Grünen, Andreas Audretsch, verteidigte die Ressortchefin und übte Kritik an den Koalitionspartnern. Paus sei die erste Ministerin, die ernsthaft gegen Kinderarmut vorgehe, sagte Audretsch am Montag. Der Regierungsentwurf sei zudem "bis aufs Komma mit Kanzler Scholz und Finanzminister Lindner verhandelt – eine gute Grundlage für unsere Gespräche im Bundestag." Er hoffe, dass die Kolleginnen und Kollegen von SPD und FDP nun weniger die eigenen Leute in der Bundesregierung angriffen und sich mehr auf die Sacharbeit konzentrierten. "Das Thema ist zu ernst für Polit-Spielchen. Unser Fokus liegt auf der Arbeit gegen Kinderarmut."
Der Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung befindet sich seit Monaten im parlamentarischen Verfahren. Das Bundeskabinett hatte den Entwurf im vergangenen Herbst beschlossen, seitdem sind aber viele Fragen offen geblieben und immer wieder streitet die Ampel auch öffentlich über Details. Nach dem Willen von Paus sollte das Projekt zum 1. Januar 2025 kommen. Ob das gelingt und in welcher Form, ist derzeit völlig offen.
Die Kindergrundsicherung gilt als das soziale Prestigeprojekt der Grünen. Mit der Sozialreform sollen bisherige Leistungen wie das Kindergeld, Leistungen aus dem Bürgergeld für Kinder oder der Kinderzuschlag gebündelt werden. Ziel der Bundesregierung ist es, künftig alle Kinder, die auf Sozialleistungen Anspruch haben, zu erreichen.
Gut möglich, dass der Sparzwang innerhalb der Ampel im Hausse von Familienministerin Paus die ersten großen Auswirkungen zeitigt. Die Frage ist nun, ob die Grünen das so ohne weiteres akzeptieren. Paus hat maßgeblich die linken Reihen ihrer Fraktion hinter sich. Die sehen eine grundsätzliche Kursänderung kritisch und befürchten Rückschnitte in vereinbarten Katalog an Sozialleistungen. Dass dafür wohl keine Geld mehr im Staatssäckel sein wird, ist freilich absehbar, berührt allerdings wohl grundsätzliche Fragen der Koalitionsarchitektur.