Panorama

Prognose 2045: Deutschland wächst und „altert massiv“ - mit großen regionalen Unterschieden

Lesezeit: 3 min
19.06.2024 15:15
Wie sieht Deutschland in rund 20 Jahren aus? Experten prognostizieren einen Zuwachs von 0,9 Prozent Menschen im Vergleich zum Jahr 2023, viele mehr Bürger im Rentenalter und auch gegenläufige Entwicklungen je nach Region.
Prognose 2045: Deutschland wächst und „altert massiv“ - mit großen regionalen Unterschieden
Konträre Herausforderungen: Deutschland wächst. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Einwohnerzahl Deutschlands wird sich einer neuen Prognose zufolge bis 2045 auf 85,5 Millionen Menschen erhöhen. Davon geht das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) in einer Berechnung aus, die in Bonn vorgestellt wurde. Die Experten rechnen mit einem Zuwachs von rund 800 000 Menschen - oder 0,9 Prozent - im Vergleich zum Jahr 2023.

Als Erklärung nannte das Institut die erwartete Zuwanderung aus dem Ausland. Ohne sie sähe das Ergebnis der Rechnung ganz anders aus. „Ohne Zuwanderung aus dem Ausland würde die Bevölkerungszahl Deutschlands im Jahr 2045 bereits deutlich niedriger liegen, weil die Zahl der Sterbefälle die Zahl der Geburten bei weitem übersteigen wird“, erklärte Peter Jakubowski, Leiter der Abteilung Raum- und Stadtentwicklung im BBSR. Das Institut geht unter anderem davon aus, dass langfristig betrachtet - ab dem Jahr 2031 - pro Jahr 300 000 Menschen mehr nach Deutschland kommen als Deutschland verlassen.

Große regionale Unterschiede

Allerdings gibt es große regionale Unterschiede. Während wirtschaftsstarke Großstädte, ihr Umland und viele ländliche Regionen insbesondere in Bayern und Baden-Württemberg weiter wachsen würden, gehe der Rückgang an Bevölkerung in strukturschwachen Gegenden abseits der Metropolen weiter. Viele Regionen mit Bevölkerungsschwund liegen in Ostdeutschland - aber nicht nur.

Das stärkste Wachstum mit 14 Prozent und mehr prognostiziert das Institut für den östlich von München gelegenen Landkreis Ebersberg (Bayern) sowie für die Städte Freiburg im Breisgau, Potsdam und Leipzig. Die Landkreise Erzgebirgskreis (Sachsen), Greiz (Thüringen) und Mansfeld-Südharz (Sachsen-Anhalt) büßen dagegen laut Berechnung bis 2045 mehr als ein Fünftel ihrer Bevölkerung ein. Aber auch Regionen in Westdeutschland verlieren demnach Einwohner. Das betreffe Teile Nordhessens, die angrenzenden Gebiete im Osten Nordrhein-Westfalens sowie Teile des Saarlands.

Jakubowski sprach von zum Teil „völlig konträren Herausforderungen.“ In strukturstarken Städten und Kreisen mit Bevölkerungszuwachs werde es darum gehen, genügend Wohnraum, Bildung, Kinderbetreuung, Gesundheitsversorgung oder Pflege bereitzustellen. In strukturschwächeren Städten und Kreisen mit anhaltenden Bevölkerungsverlusten werde es dagegen „immer herausfordernder, eine vielfältige und leistungsfähige Daseinsvorsorge sowie attraktive Arbeits- und Wohnungsmärkte abzusichern.“

Annahmen zu Geburten, Sterbefällen und Zuwanderung

Als Vergleichsjahr auf regionaler Ebene dient dabei 2021 - weil aus diesem alle notwendigen Daten für die Berechnung vorlagen, so das BBSR. Zuwanderung, die es seitdem gegeben hat, etwa ausgelöst durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, sind bei diesem Vergleich also nicht berücksichtigt. In die Prognose für 2045 flossen nach Angaben des Instituts aber gleichwohl aktuellere Daten ein. Also auch Daten, die die Jahre 2022 und 2023 abbilden.

Grundsätzlich fußt die Prognose auf Annahmen, die auf Basis demografischer Entwicklungen über einen längeren Zeitraum getroffen wurden. Etwa zu Geburtszahlen, Sterblichkeit, Zuwanderung und Wanderungen innerhalb Deutschlands. Künftige „Großkrisen“, die Flüchtlingsbewegungen auslösen können, könnten gleichwohl nicht eingepreist werden, betonte Abteilungsleiter Jakubowski.

Deutschland „altert massiv“

Besonders deutlich zeigt die Prognose abermals die erwartete Alterung der Gesellschaft. „Deutschland altert massiv “, sagte die wissenschaftliche Projektleiterin Jana Hoymann. Man gehe davon aus, dass die Gruppe der Menschen, die 67 Jahre und älter sind, von 2021 bis 2045 um mehr als 13 Prozent anwachse. Das entspreche etwa 2,2 Millionen Menschen. „Wir haben einzelne Kreise, da nehmen die älteren Menschen 40 Prozent zu “, sagte sie. Das sei ein „unfassbar“ hoher Wert.

Auch beim Alter sind die Unterschiede zwischen den Regionen riesig. Für die Landkreise Vorpommern-Rügen (Mecklenburg-Vorpommern), Mansfeld-Südharz (Sachsen-Anhalt), Altenburger Land (Thüringen), Greiz (Thüringen) und Spree-Neiße (Brandenburg) gehen die Demografen von einem Durchschnittsalter von mehr als 50 Jahren im Jahr 2045 aus. In Städten wie Frankfurt am Main, München oder Heidelberg sieht es ganz anders aus. Dort wird ein Durchschnittsalter von unter 41 Jahren erwartet.

Jakubowski sprach von „zum Teil völlig konträren Herausforderungen.“ In strukturstarken Städten und Kreisen mit Bevölkerungszuwachs werde es darum gehen, genügend Wohnraum, Bildung, Kinderbetreuung, Gesundheitsversorgung oder Pflege bereitzustellen. In strukturschwächeren Städten und Kreisen mit anhaltenden Bevölkerungsverlusten werde es dagegen immer herausfordernder werden, „eine vielfältige und leistungsfähige Daseinsvorsorge sowie attraktive Arbeits- und Wohnungsmärkte abzusichern.“


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik IT-Sicherheit: Mehr als 5.200 Cyber-Attacken (allein) auf Bayerns Behördennetz
28.09.2024

Im Bericht zur Cybersicherheit 2024 wird deutlich: Bayern registrierte im letzten Jahr über 5.200 Cyber-Angriffe auf das Behördennetz,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Kosten senken, Zukunft sichern: Wie Unternehmen ihre Energienutzung diversifizieren
28.09.2024

Die Energiepreise steigen, und Nachhaltigkeitsanforderungen werden strenger. Unternehmen brauchen neue Strategien – ein Mix aus...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Verschärfte Grenzkontrollen kosten die deutsche Wirtschaft Milliarden
28.09.2024

Die aktuell eingeführten verschärften Grenzkontrollen können, auch wenn sie temporär sind, der deutschen Wirtschaft massiv schaden, so...

DWN
Panorama
Panorama Experten: Klimawandel ist große Gesundheitsgefahr
28.09.2024

Beim 14. Extremwetterkongress in Hamburg warnten Experten vor den Folgen des Klimawandels. 2023 war das bisher wärmste Jahr, und 2024...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Unternehmer-Initiative: Deutschland schmiert ab, wir müssen handeln!
27.09.2024

Deutschlands Unternehmer haben die Nase voll, vom Stillstand, vom Niedergang. Sie wollen von der Politik nicht noch tiefer in die Krise...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Überstunden abgelten: Was ist im Arbeitsvertrag zulässig, was nicht? – Fachanwalt Jens Usebach klärt auf
27.09.2024

Die Abgeltung von Überstunden ist ein häufiges Streitfeld zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) regelt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Autokrise erwischt Scheinwerfer-Hersteller Hella - Aktie unter Druck
27.09.2024

Die schwierige Lage der Autoindustrie kommt auch bei Scheinwerfer-Hersteller Hella an. Seit Mitte des Jahres verschlechterten sich die...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Nato: Lukaschenko droht mit Atomwaffen und drittem Weltkrieg
27.09.2024

Der Machthaber der Ex-Sowjetrepublik Belarus, Alexander Lukaschenko, hat der Nato Angriffspläne auf sein Land unterstellt und mit dem...