Politik

Britische Parlamentswahl: Premier Sunak droht heftige Pleite

 Das Vereinigte Königreich wählt ein neues Parlament. Premierminister Rishi Sunak und seiner Konservativen Partei droht eine historische Niederlage.
04.07.2024 12:54
Aktualisiert: 04.07.2024 13:00
Lesezeit: 3 min

Es wird wohl nicht einmal eng, bei den Wählen im Königreich. Meinungsforscher erwarten, dass die sozialdemokratische Labour-Partei von Keir Starmer einen haushohen Sieg einfährt. Damit würde der 61-Jährige als Nachfolger von Sunak in die Downing Street einziehen. Mit Schließung der Wahllokale um 23 Uhr (MESZ) wird eine Prognose erwartet.



„Wählt den Wechsel“, schrieb Starmer auf der Plattform X. In seiner letzten Rede vor der Abstimmung betonte er, Großbritannien könne sich fünf weitere Jahre mit konservativer Regierung nicht leisten. Unter seiner Führung werde das Land ein neues Kapitel aufschlagen. Starmer kam am Vormittag an seinem Wohnort in Nordlondon zur Stimmabgabe, gemeinsam mit Ehefrau Victoria.

Projektionen sagen Labour weit mehr als 400 der 650 Mandate im Unterhaus (House of Commons) voraus. Damit liegt die Partei auf Kurs, die größte Mehrheit seit rund 190 Jahren zu erringen.



Dabei ist Labour gar nicht so sehr beliebt. „Es ist eine Wahl, die die Tories verlieren – und nicht eine, die Labour gewinnt“, sagte der Umfrageexperte John Curtice von der Universität Strathclyde in Glasgow dem Portal „Politico“. Umfragen sehen Labour bei weniger als 40 Prozent der Stimmen. Im britischen Mehrheitswahlrecht gewinnt aber nur die Kandidatin oder der Kandidat mit den meisten Stimmen den Wahlkreis. Alle übrigen Stimmen haben keine Auswirkung.

Kleinere Parteien werden stärker

Ein weiterer Grund ist die wachsende Zustimmung für kleinere Parteien wie die Liberaldemokraten, die einigen Umfragen zufolge sogar die Konservativen als stärkste Oppositionsfraktion ablösen könnten, sowie die rechtspopulistische Partei Reform UK.

Die 650 Wahlkreise werden noch bis zum Freitagmorgen ausgezählt. König Charles III. beauftragt den neuen Premierminister am Freitag offiziell mit der Regierungsbildung.

Sunak wählte am Morgen

Sunak gab schon kurz nach Öffnung der Wahllokale um 7.00 Uhr (Ortszeit, 8.00 Uhr MESZ) seine Stimme ab. In Begleitung seiner Ehefrau Akshata Murty erschien der 44-Jährige im Weiler Kirby Sigston in Nordengland und winkte den Fotografen zu. Es gilt als möglich, dass Sunak als erster amtierender Premier seinen Wahlkreis - Richmond and Northallerton - verliert und den Wiedereinzug ins Parlament verpasst.



„Wählt die Konservativen, um eine Supermehrheit der Labour-Partei zu verhindern, die höhere Steuern für eine Generation bedeuten würde“, schrieb Sunak bei X. Eine solche „Super-Mehrheit“ gibt es im britischen Parlamentssystem nicht. Es ist gleich, ob eine Partei im Unterhaus eine Mehrheit von 20 oder 200 Sitzen hat.

Wahlberechtigt sind mehr als 46 Millionen Menschen, die jeweils eine Stimme haben. Es ist die erste Parlamentswahl, bei der ein offizieller Ausweis für die Stimmabgabe vorgezeigt werden muss. Gut 6,7 Millionen Menschen nutzten die Möglichkeit zur Briefwahl.

Alle 650 Sitze im Unterhaus werden per Direktmandat vergeben. Die absolute Mehrheit im Unterhaus (House of Commons) beträgt 326 Sitze. Bei der bisher letzten Wahl 2019 hatten die Tories 365 Sitze gewonnen, Labour hatte 202 Mandate.

Konservative hoffen auf Schadensbegrenzung

Experten betonten, die Konservativen seien nur noch auf Schadensbegrenzung aus. Vor Öffnung der Wahllokale behauptete Sunak in stündlichen Posts auf X, die Sozialdemokraten planten Steuererhöhungen auf breiter Fläche. Das stimmt nach Einschätzung von Kommentatoren nicht, Labour-Chef Starmer weist den Vorwurf zurück.

Der frühere Chef der Anklagebehörde CPS kündigte ein „neues Zeitalter der Hoffnung und Chancen“ an. „Dies ist eine großartige Nation mit grenzenlosem Potenzial“, sagte Starmer am Vorabend der Wahl. „Die Briten verdienen eine Regierung, die ihren Ambitionen entspricht. Heute haben wir die Chance, gemeinsam mit Labour mit dem Wiederaufbau Großbritanniens zu beginnen.“

Gründe für den Niedergang der Konservativen gibt es viele. Vor allem haben zahlreiche Skandale und Affären, vor allem unter dem ehemaligen Premierminister Boris Johnson, das Vertrauen der Menschen in die Tory-Partei zerstört, die seit 14 Jahren regiert. Hinzu kommt wirtschaftliche Stagnation.

Rechtspopulisten nehmen Konservativen viele Stimmen weg

Die rechtspopulistische Partei Reform von Nigel Farage, der einst den Brexit maßgeblich vorantrieb, dürfte erstmals ins Unterhaus gewählt werden. Offen ist, wie viele Wahlkreise die ehemalige Brexit-Partei gewinnen kann. Experten rechnen vor allem damit, dass Farage und Co. die Konservativen viele Stimmen am rechten Rand kosten.

Die Wahl könnte auch Auswirkungen auf die Debatte um eine schottische Unabhängigkeit haben. Sollte die Schottische Nationalpartei (SNP) von Regierungschef John Swinney, die für eine Unabhängigkeit von Großbritannien und eine Rückkehr in die EU eintritt, im nördlichen britischen Landesteil weniger Sitze gewinnen als Labour, dürfte die Frage vorerst keine Rolle spielen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Mulfin Trade hat seine Schutzsysteme für mehr Sicherheit aktualisiert

Der Schutz persönlicher Daten ist einer der Schlüsselfaktoren, die das Vertrauen der Kunden in einen Service beeinflussen. Mulfin Trade...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie Regulieren statt dominieren: Europas letzter Ausweg in der KI-Welt
07.06.2025

Europa droht im globalen KI-Wettlauf abgehängt zu werden. Doch Experten zeigen: Die wahre Macht liegt nicht in der Modellentwicklung,...

DWN
Politik
Politik Kollaps der Insekten-Revolution: EU zerstört ihre eigene Bio-Strategie
07.06.2025

Erst gefeiert als nachhaltige Wunderlösung – nun droht das Aus: Europas Insektenzüchter stecken in der Krise. Die Hoffnung, Fischmehl...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Unternehmen verkaufen: Die 10 häufigsten Fehler beim Unternehmensverkauf
07.06.2025

Was Unternehmer beim Verkauf ihres Unternehmens falsch machen – und wie selbst starke Zahlen durch fehlende Strategie, überzogene...

DWN
Politik
Politik Ehegattennachzug stagniert: Rechtliche Hürden beim Sprachnachweis
07.06.2025

Die Zahl der Visa für den Ehegattennachzug nach Deutschland ist rückläufig. Gleichzeitig bestehen weiterhin sprachliche und rechtliche...

DWN
Panorama
Panorama Ausweis, Ticket & Co.: Was Sie vor einem Urlaubsflug beachten sollten
07.06.2025

Check-in, Sicherheitscheck und Sprint zum Gate: Der Start in den Urlaubsflug kann am Flughafen schnell im Stress enden. Das lässt sich...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wertvollster Fußballer der Welt: Lamine Yamal knackt 400-Millionen-Marke
07.06.2025

Ein 17-Jähriger dominiert den globalen Fußballmarkt: Lamine Yamal ist mehr wert als ganze Bundesligateams – und verkörpert die extreme...

DWN
Politik
Politik Der Weltraum als nächstes Schlachtfeld – Europas Sicherheit steht auf dem Spiel
07.06.2025

Der Orbit wird zur neuen Frontlinie geopolitischer Machtspiele. Wie private Satelliten, militärische Strategien und neue Allianzen die...

DWN
Technologie
Technologie Silicon Valley dominierte Big Tech – Europas Chance heißt Deep Tech
06.06.2025

Während Europa an bahnbrechenden Technologien tüftelt, fließt das große Geld aus den USA. Wenn Europa jetzt nicht handelt, gehört die...