Politik

Machtkampf bei den Grünen: Baerbock gibt Kanzlerambitionen auf – Weg frei für Habeck?

Annalena Baerbock wird bei der Bundestagswahl 2025 nicht erneut als Kanzlerkandidatin der Grünen antreten. Die aktuelle Weltlage würde ihre volle Aufmerksamkeit als Außenministerin erfordern, so die offizielle Begründung. Baerbock stellt trotzdem eine sehr enge Zusammenarbeit mit Habeck in Aussicht.
11.07.2024 10:39
Lesezeit: 2 min
Machtkampf bei den Grünen: Baerbock gibt Kanzlerambitionen auf – Weg frei für Habeck?
Bei der Frage um den nächsten Kanzlerkandidaten für die Grünen scheint sich Wirtschaftsminister Robert Habeck (l) gegen Außenministerin Annalena Baerbock durchzusetzen (Foto: dpa) Foto: Sebastian Gollnow

Annalena Baerbock strebt bei der Bundestagswahl 2025 keine erneute Kanzlerkandidatur für die Grünen an und will sich voll auf ihr Amt als Außenministerin konzentrieren. Statt als Kanzlerkandidatin gebunden zu sein, wolle sie angesichts der internationalen Krisen ihre Kraft voll ihrer aktuellen Aufgabe widmen, erklärte die Grünen-Politikerin in einem Interview des US-Fernsehsenders CNN am Rande des Nato-Gipfels in Washington.

Staatspolitische Verantwortung in extremen Zeiten“

„Die Welt ist offensichtlich eine ganz andere als zur letzten Bundestagswahl“, sagte Baerbock laut offizieller Übersetzung des Auswärtigen Amts in Berlin. „Im Lichte des russischen Angriffskriegs und nun auch der dramatischen Lage im Nahen Osten braucht es nicht weniger, sondern mehr Diplomatie. Sonst füllen die Lücke andere.“

Baerbock fügte in dem von der CNN-Journalistin Christiane Amanpour geführten Interview hinzu: „Daher bedeutet in diesen extremen Zeiten staatspolitische Verantwortung als Außenministerin für mich: Statt in einer Kanzlerkandidatur gebunden zu sein, meine Kraft weiterhin voll und ganz meiner Aufgabe zu widmen, Vertrauen, Kooperation und verlässliche Strukturen zu bilden – für und mit so vielen Partnern weltweit und in Europa, die darauf bauen.“

Kanzlerkandidatur 2025: Habeck gibt sich zurückhaltend

Baerbocks Parteikollege, Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck, ist derzeit auf Sommerreise durch mehrere Bundesländer. Nach Baerbocks Interview gab er sich in Dortmund zurückhaltend auf die Frage, ob er jetzt seine Kanzlerkandidatur erkläre. Baerbock habe dafür gesorgt, dass Deutschland in den letzten Jahren ein Stabilitätsfaktor in der Außenpolitik gewesen sei und nach wie vor sei - sie mache einen hervorragenden Job als Außenministerin. Dem Vernehmen nach war Habeck informiert über den Schritt seiner Kollegin.

Auf eine Frage nach seinem eigenen Anspruch, für seine Partei als Kanzlerkandidat anzutreten, fügt Habeck nur einen Satz hinzu: „Alles Weitere werden wir in den Gremien beraten und die richtigen Entscheidungen rechtzeitig verkünden.“ Darauf angesprochen, wie sich die Grünen aus dem derzeitigen Umfragetief befreien könnten, sagte der Vizekanzler: „Erst einmal durch solide und gute Arbeit und perspektivisch durch ein solides und gutes Angebot.“

Machtkampf mitten im Umfragetief der Grünen

Baerbock hatte sich vor der Bundestagswahl 2021 mit Habeck geeinigt, als Kanzlerkandidatin der Grünen anzutreten. Habeck hatte seine Ambitionen damals aber mehr als deutlich gemacht. „Nichts wollte ich mehr, als dieser Republik als Kanzler zu dienen.“ Die Umweltschutz-Partei lag zu der Zeit weit über 20 Prozent, derzeit rangiert sie nur noch bei 11 Prozent.

Dass entweder Baerbock oder der aktuelle Vizekanzler die Grünen in den nächsten Bundestagswahlkampf führen würden, gilt schon lange als ausgemachte Sache. Robert Habeck ist die Lust auf die Kandidatur seit Monaten durchaus anzumerken, auch wenn er das bislang nicht glasklar gesagt hat. Hätte Baerbock auf der Kandidatur bestanden, wäre ein längerer Konflikt mit Habeck kaum vermeidbar gewesen. Nun scheint es, als wäre der Machtkampf schon vorbei.

Indes sind beide Kandidaten aktuell nicht besonders beliebt in der Bevölkerung. Während sich Baerbock ständig mentale Aussetzer und peinliche Versprecher leistet, hat Habeck mit seiner Wirtschaftspolitik viel Unmut hervorgerufen. Die Wahl des neuen Spitzenkandidaten ist aus Sicht der Grünen ein bisschen wie die Suche nach dem Einäugigen unter den Blinden.

Baerbock will weiter eng mit Habeck zusammenarbeiten

Beim Nato-Gipfel versprach die Außenministerin auch eine engere Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsminister und mutmaßlich designiertem Kanzlerkandidaten Habeck. „Robert und ich gehen jetzt schon fast ewig gemeinsam durch dick und dünn und werden in den kommenden Wochen eng zusammenarbeit“, schrieb Baerbock nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur in einer Nachricht an die Fraktion. Sie befand: „Wir sind als Grüne gut aufgestellt, um 2025 gemeinsam zu einem Erfolg für uns zu machen.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Frankreichs Schulden bedrohen Europa: Kommt jetzt die Eurokrise zurück?
23.11.2025

Steigende Zinsen, explodierende Schulden, nervöse Märkte: Europa erlebt ein gefährliches Déjà-vu. Immer mehr Experten warnen vor einer...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft 645 Millionen Euro Verlust: Cannabis-Betrug und Geldwäsche-Netzwerk erschüttern Europa
23.11.2025

Europa ist von einem der größten Cannabis-Investmentbetrugsfälle der letzten Jahre erschüttert worden, der Anleger in mehreren Ländern...

DWN
Finanzen
Finanzen Ukraine-Friedensplan: Welche Aktien vom Ende des Ukraine-Krieges profitieren könnten – und welche nicht
23.11.2025

Frieden bedeutet nicht nur geopolitische Stabilität, es zieht auch ein gigantisches Investitionsprogramm nach sich. Wer auf die richtigen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kritische Rohstoffe: Ein Fund in Grönland sorgt für Streit
23.11.2025

In einer abgelegenen Mine in Westgrönland wurden gleich mehrere kritische Rohstoffe entdeckt, die für Mikrochipproduktion, Rüstung und...

DWN
Finanzen
Finanzen Europa-Aktien im Aufschwung: Welche Chancen Anleger jetzt nutzen können
23.11.2025

Die Kapitalmärkte befinden sich im Umbruch, Investoren suchen verstärkt nach stabilen Alternativen. Europa gewinnt dabei durch Reformen,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Autoindustrie in der Krise: Warum die Lage dramatisch ist
23.11.2025

Europas Autohersteller stecken in existenziellen Nöten und Beobachter sprechen schon von einem drohenden Niedergang. Neben den Problemen...

DWN
Technologie
Technologie Experten warnen vor 2035: Plug-in-Hybride sind ein Weg ins Nichts
23.11.2025

Ein neuer französischer Bericht rüttelt an der europäischen Autoindustrie. Plug-in-Hybride gelten darin als teurer, klimaschädlicher...

DWN
Unternehmen
Unternehmen NATO-Ostflanke: Drohnenhersteller Quantum Systems unterstützt die Bundeswehr-Brigade in Litauen
22.11.2025

Der deutsche Drohnenhersteller Quantum Systems expandiert nach Litauen und baut dort ein umfassendes Wartungs- und Logistikzentrum für...