Politik

Der Chefredakteur kommentiert: Verbot des Compact-Magazins - Schutz der Demokratie oder Angriff auf die Freiheit?

Lesezeit: 4 min
19.07.2024 16:00
Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch emotional diskutieren. An dieser Stelle lasse ich Sie jeden Freitag an meinem Standpunkt teilhaben - immer kritisch, selbstverständlich unabhängig, meist unbequem. In dieser Woche lag das Verbot des rechtsextremen Compact-Magazins auf meinem Schreibtisch. War dieses Verbot zum Schutz der Demokratie nötig oder ist es ein Angriff auf die Freiheit?
Der Chefredakteur kommentiert: Verbot des Compact-Magazins - Schutz der Demokratie oder Angriff auf die Freiheit?
Ausgaben des Compact-Magazins: Bundesinnenministerin Faeser hat das vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestufte Magazin verboten (Foto: dpa).
Foto: Karl-Josef Hildenbrand

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Liebe Leserinnen und Leser,

das Verbot des Compact-Magazins durch Bundesinnenministerin Nancy Faeser erhitzt die Gemüter und stellt die Prinzipien unserer Demokratie auf den Prüfstand. In einer groß angelegten Aktion durchsuchte die Polizei Gebäude in vier Bundesländern. Dies ist mehr als nur eine rechtliche Maßnahme – es ist ein Signal, das weitreichende Konsequenzen für die Pressefreiheit und den Schutz unserer Gesellschaft vor extremistischen Einflüssen hat.

Compact: Lange unter Beobachtung

Wir müssen uns klar machen, dass die Entscheidung, Compact zu verbieten, nicht leichtfertig getroffen wurde. Der Verfassungsschutz hat das Magazin als rechtsextremistisch eingestuft, weil es systematisch gegen Menschen mit Migrationshintergrund, Juden und unsere demokratischen Institutionen hetzt. Compact sei „ein zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) laut offizieller Pressemitteilung.

Weiter heißt es dort: „In ihren reichweitenstarken Publikationen und Produkten verbreitet die ‚COMPACT-Magazin GmbH‘ antisemitische, rassistische, minderheitenfeindliche, geschichtsrevisionistische und verschwörungstheoretische Inhalte.“ In seinen Publikationen und Online-Auftritten propagiere das Medium ein völkisch-nationalistisches Gesellschaftskonzept.

Compact bedient seit 2010 das AfD-Pegida-Spektrum mit Verschwörungstheorien und reißerischen Titeln. Das Monatsmagazin, das es seit 2013 gibt, brachte es so zu einer Auflage von rund 40.000 verkauften Exemplaren. Vom Verfassungsschutz wird das Magazin seit 2021 als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft. Chefredakteur Jürgen Elsässer ließ kaum einen Zweifel daran, wo er das Magazin verortet, wie eine Aussage von ihm aus dem Januar 2018 verdeutlicht: Pegida, die Identitäre Bewegung, die AfD, „Ein Prozent“ und Compact seien wie fünf Finger, die eine Faust bilden könnten, so Elsässer.

Das Magazin, so das Bundesamt für Verfassungsschutz schon damals, pflege Verbindungen zu „eindeutig rechtsextremistischen Bestrebungen“, was etwa den „Flügel“ der AfD meint. Seit Jahren schon hofiert Compact-Chef Elsässer „Flügel“-Anführer Björn Höcke, das Magazin preiste ihn als „Hoffnungsträger für eine politische Wende“. Laut dem Bundesamt verbreite Compact zudem mit vielen Inhalten „Pauschalvorwürfe“ gegenüber Migranten und Muslimen. Zuwanderung werde beständig mit „Kriminalität, Terror und Islamisierung“ verknüpft.

Die Texte sind teilweise menschenverachtend - und damit eine echte Gefahr für unser gesellschaftliches Miteinander sowie die Stabilität unseres Staates. Compact trägt mit seinen Inhalten zur Spaltung unserer Gesellschaft bei. Ein Blick in die Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums zeigt, wie das Compact-Verbot im Detail begründet wird.

Schutz der Demokratie und ihrer Werte

In dem Dokument, dessen Echtheit die Deutsche Presse-Agentur bestätigt, werden als Beleg für die „kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung“ unter anderem eine Äußerung von Chefredakteur Jürgen Elsässer bei einer „Spendengala“ im Beisein von Mitarbeitern angeführt. Demnach soll Elsässer bei dem Treffen im Juni 2023 gesagt haben: „Und auch noch ein wichtiger Unterschied zu anderen Medien: Wir wollen dieses Regime stürzen.“ Nur wenn man dieses Ziel vor Augen habe, könne man auch die entsprechenden Texte schreiben. In der Verfügung werden zudem Informationen über Bezüge mehrerer Mitarbeiter zur rechtsextremen Partei „Die Heimat“ (vormals NPD) aufgelistet.

Solche Aussagen sind nicht nur kontrovers, sondern rufen offen zu einem Umsturz der politischen Ordnung auf - eine Bedrohung, die wir nicht unterschätzen dürfen. Rechtsextremismus richtet sich gegen die fundamentalen Werte unserer Gesellschaft und versucht, Angst und Hass zu säen. Das Verbot von Compact ist ein starkes Signal, dass wir als Gesellschaft nicht bereit sind, solchen Gefahren tatenlos zuzusehen.

Pressefreiheit: Zensur oder notwendiger Schutz?

Die Meinungsfreiheit und die Pressefreiheit sind starke Grundpfeiler unserer Demokratie. Und Meinungsfreiheit gilt grundsätzlich auch für die „Feinde der Freiheit“. In Artikel 5 des Grundgesetzes heißt es:

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Ist das Compact-Verbot nun also Zensur? Wurde das Magazin samt all seiner weiteren Verbreitungskanäle zu unrecht verboten? Der Medienverband der freien Presse (MVFP) bewertet das Verbot durch das Innenministerium als schwerwiegenden Eingriff in die Pressefreiheit. Benjamin Lück, Rechtsanwalt von der Gesellschaft für Freiheitsrechte, geht fest davon aus, dass die Betreiber rund um den Herausgeber Jürgen Elsässer sich juristisch gegen das Verbot wehren werden. „Es ist ein totaler Blick ins Ungewisse, wie die Gerichte entscheiden“, sagte Lück im Gespräch mit dem KNA-Mediendienst.

Ja, Pressefreiheit ist wichtig, schließlich profitieren auch die DWN davon, dass es eine Freiheit der Meinungsäußerung gibt. Und über ein Verbot eines Mediums sollte in Deutschland immer zuerst ein Gericht entscheiden.

Es ist nicht besonders geschickt, wenn eine Innenministerin oder der Verfassungsschutz ein Magazin verbietet, auch wenn es gesichert rechtsextrem ist. Denn nur eine Gerichtsentscheidung stellt sicher, dass die Entscheidung gut abgewogen und rechtlich fundiert ist. Gerade bei so sensiblen Themen wie der Pressefreiheit muss Transparenz und Rechtsstaatlichkeit oberstes Gebot sein. Und sehr wahrscheinlich wird auch in diesem Fall vor Gericht ausgetragen werden müssen, ob das Verbot rechtens ist oder nicht.

Klar ist jedoch auch, dass die Meinungsfreiheit - und damit auch die Pressefreiheit - nicht grenzenlos ist. Sie endet dort, wo sie dazu benutzt wird, Hass und Gewalt zu verbreiten. Grenzen der Meinungsfreiheit sind dort, wo die Grundrechte anderer Personen verletzt werden. Zudem hat die Presse eine Verantwortung und muss die Folgen bedenken, die Beiträge auslösen können, denn wir Journalisten sind die Meinungsmacher, wir beeinflussen die Ansichten der Menschen.

Die Aussagen von Compact-Chef Elsässer sind, das ist unstrittig, spalterisch und verbreiten Hass und Gewalt. Inhalte des Compact-Magazins sind laut Paragraf 130 des Strafgesetzbuches teilweise volksverhetzend, denn sie fordern gegen eine „nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen“ zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auf.

Ein starkes Signal des Rechtsstaats

Liebe Leserinnen und Leser, auch wenn das Vorgehen beim Compact-Verbot vielleicht nicht besonders klug war, hat das Bundesinnenministerium die Notbremse nicht leichtfertig gezogen. Das Verbot von Compact ist in meinen Augen kein Akt der Zensur, sondern ein notwendiger Schritt, um die demokratischen Werte unseres Landes zu schützen. Was hätte Innenministerin Faeser sonst tun können? Es ist ihre Aufgabe, für die Sicherheit der Menschen in diesem Land zu sorgen. Ja, eine Zeitschrift bedroht niemanden! Aber die Menschen, die sich von der verschwörerischen und rechtsextremistischen Angstmache dieses Mediums einlullen lassen, können das Leben anderer und die Demokratie bedrohen. Das Verbot von Compact zeigt, dass wir nicht bereit sind, Hass und Hetze tatenlos hinzunehmen.

Der Vorgang zeigt, wie tief der Rechtsextremismus bereits in unsere Gesellschaft eingedrungen ist und wie massentauglich er ist. Wir müssen wachsam sein und uns aktiv gegen diese Bedrohung stellen. Es reicht nicht, sich zurückzulehnen und darauf zu vertrauen, dass der Staat allein diese Aufgabe übernimmt. Jeder von uns ist gefordert, sich für die demokratischen Werte Deutschlands einzusetzen.

Ihr Markus Gentner

DWN-Chefredakteur

Zum Autor:

Markus Gentner ist seit 1. Januar 2024 Chefredakteur bei den Deutschen Wirtschaftsnachrichten. Zuvor war er zwölf Jahre lang für Deutschlands größtes Börsenportal finanzen.net tätig, unter anderem als Redaktionsleiter des Ratgeber-Bereichs sowie als Online-Redakteur in der News-Redaktion. Er arbeitete außerdem für das Deutsche Anlegerfernsehen (DAF), für die Tageszeitung Rheinpfalz und für die Burda-Tochter Stegenwaller, bei der er auch volontierte. Markus Gentner ist studierter Journalist und besitzt einen Master-Abschluss in Germanistik.


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