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F-16 Fighting Falcon – Falken für die Ukraine?

Lesezeit: 10 min
04.08.2024 18:05
Schon bald sollen F-16 Jagdflugzeuge an die Ukraine geliefert werden, die ersten sechs F-16 stehen hierfür bereit, die ersten Piloten sowie das Wartungspersonal sind ausgebildet worden. Doch sind sie auch eine Wunderwaffe? Wo liegen seine Stärken und wo seine Schwächen? Und werden mit dieser Lieferung rüstungspolitisch Weichen gestellt? Darüber sprachen die Deutschen Wirtschaftsnachrichten mit dem Militärexperten und Geschäftsführer des militärischen MD&Partner Fachverlags, Thomas Meuter.
F-16 Fighting Falcon – Falken für die Ukraine?
Im Bild startete ein Kampfjet vom Typ F-16 im Rahmen einer großangelegten Übung zahlreicher Kampfflugzeuge aus mehreren Nato-Staaten auf der US-Airbase Ramstein. Bald sollen diese Jagdflugzeuge auch an die Ukraine geliefert werden. (Foto: dpa)

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Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Können Sie uns zuerst die technischen Eigenschaften der F-16 beschreiben?

Thomas Meuter: Die F-16 Fighting Falcon wurde in den siebziger Jahren von dem damaligen US-Konzern und Kampfflugzeug-Entwickler General Dynamics (heute Lockheed Martin) als ein neues Mehrzweckkampfflugzeug mit nur einem leistungsstarken Strahltriebwerk entwickelt, dessen Leistungsparameter, seit dessen Serienproduktion 1978 stetig weiterentwickelt und militärisch angepasst wurden. Rund 4.570 F-16 unterschiedlicher Baureihen wurden bis heute nach Angaben des Herstellers gebaut und es sind bis heute rund 2.282 Flugzeuge in 25 Nationen auf der Welt im aktiven Einsatz. Dies waren zeitweise 15 Prozent aller westlichen Kampfflugzeuge dieses Typs. Die F-16 war, rein technisch gesehen, damals ein sehr großer Wurf. Die Flugeigenschaften, das Nutzlastvermögen, eine automatische Flugsteuerung und das Radarsystem waren damals, wie heute in den weiterentwickelten Versionen, völlig neu und vergleichbaren russischen Baumustern deutlich überlegen.

Zu den wichtigsten technischen Eigenschaften gehören das Triebwerk vom Typ Pratt & Whitney F100 oder General Electric F110, das dem Jet eine sehr hohe Schubkraft verleiht, um auf kurzen Startbahnen mit schweren Waffenlasten von bis zu neun Tonnen starten zu können. Die F-16 erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von Mach 2.05, was 2.500 km/h entspricht, aber auch versionsabhängig ist. Die Reichweite liegt bei rund 2.600 km, die mit externen Zusatztanks noch deutlich erhöht werden kann. Alle F-16s sind mit einer M61 Vulcan 20-mm-Kanone ausgestattet und können eine Vielzahl von Lenk- und nicht gelenkten Abwurfwaffensystemen an neun externen Aufhängungspunkten an den Tragflächen und dem Rumpf tragen. Der Grund dafür ist der, dass die F-16 als reines Jagdflugzeug oder auch als Jagdbomber eingesetzt werden kann, was missionsabhängig ist. Beide Aufgaben erfüllt diese amerikanische Konstruktion recht erfolgreich.

Ebenso verfügt die F-16 über elektronische Kampfführungssysteme, Selbstschutzsysteme und moderne Avioniksysteme wie einen leistungsstarken Bordradar, mit dem Boden- und Luftziele erkannt werden können. Die „Fighting Falcon“ gilt als sehr wendig im Luftkampf und ist hoch flexibel einsetzbar. Der Nachteil: Sie ist nicht so einfach zu fliegen. Der Pilot muss schon sehr geübt sein, um dieses hochagile Flugzeug zu beherrschen. In Luftkämpfen gegen verschiedene Luftwaffen im arabischen Raum lag ihr Abschussverhältnis in den neunziger Jahren bei 69 zu 0. Keine F-16 ging bisher bei Luftkämpfen (Dogfights) gegen russische Baumuster verloren. Allerdings wird die Produktion der F-16 eingestellt, da diese durch die F-35 ersetzt wird.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wo liegen weitere Stärken der F-16?

Thomas Meuter: Wie eben in den technischen Leistungsparametern angesprochen ist dies ein Kampfflugzeug, welches mit einer ganzen Reihe von verschiedensten Waffensystemen ausgerüstet werden kann, die entweder gegen Luft- oder Bodenziele eingesetzt werden können. Die hohe Agilität des Kampfflugzeugs, die Fähigkeit hohe Waffennutzlasten mitzuführen sowie die hohe Verfügbarkeit auf dem Markt machen dieses Modell zu einem begehrenswerten Flugzeug. Ein gut ausgebildeter Pilot kann es mit den meisten russischen Kampfflugzeugen aufnehmen und diese schon auf große Reichweiten erfassen sowie mit weitreichenden (35 km) Lenkwaffen des Typs AMRAAM bekämpfen, ohne in einen klassischen Luftkampf einsteigen zu müssen, bei dem man den Gegner im Kurvenkampf besiegen muss.

Ebenfalls ist die hohe Geschwindigkeit und Manövrierfähigkeit ein unglaublicher Vorteil im Luftkampf. Die F-16 verfügt über ein sehr hohes Schub-Gewichtsverhältnis. Dies bedeutet, dass selbst mit hoher Waffenaußenlast schnell auf eine hohe Geschwindigkeit beschleunigt werden oder auf größere Flughöhen gestiegen werden kann. Darüber hinaus kann die F-16 in einen elektronischen Informationsverbund eingebunden werden und Daten empfangen oder weitergeben, die in einem Verbund von luft- und bodengestützten Waffensystemen unabdingbar sind. Ein leistungsstarkes elektronisches Schutzsystem schützt den US-Jäger gegen die Bedrohung von gegnerischen Luft-Luft- und Boden-Luft-Lenkwaffensystemen.

Ebenso kann die F-16 als schneller und hochfliegender Aufklärer eingesetzt werden, der seine Aufklärungsdaten über Satellit an einen bodengestützten Gefechtsstand weiterleitet. Die F-16 ist ein klassisches Mehrzweckflugzeug, das sowohl in der Luftüberlegenheits- als auch in der Bodenangriffsrolle effektiv eingesetzt werden kann. Die Betriebs- und Anschaffungskosten sind nicht hoch. Die F-16 kann zudem kontinuierlich mit neuen Technologien und Waffensystemen aufgerüstet werden, wodurch sie auch nach Jahrzehnten noch wettbewerbsfähig bleibt. Lockheed Martin will die F-16 noch 20 Jahre technisch unterstützen und technisch verbessern helfen, was einen Vorteil für alle Nutzer dieses Typs darstellt. Das Kampfflugzeug hat viele technische Stärken, was in der Vergangenheit deutlich und im Einsatz unter Beweis gestellt wurde.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Hat die F16 auch Schwächen?

Thomas Meuter: Klar, keine Rose ohne Dornen. In der Tat hat die F-16 eine Reihe von technischen Nachteilen, die aber nicht so groß sind, wie man meinen könnte. Im Vergleich zu zweistrahligen Flugzeugen kann die F-16 bei einem Triebwerksausfall in größere Schwierigkeiten geraten, das ist klar. Da hat der Pilot dann nur wenige Möglichkeiten zu reagieren. Ferner ist die Radarsignatur nicht so klein, wie bei heutigen Kampfflugzeugen. Dieser ist größer als bei anderen Kampfflugzeugen, trotz der Verwendung moderner Werkstoffe, denn die F-16 wurde schon in Kompositbauweise gefertigt.

Der Aluminiumanteil ist beim Bau gering gehalten worden, um eine Radarsignatur des Jägers zu minimieren. Dies gelang, aber die Radartechnologie hat in den letzten 40 Jahren enorme Fortschritte gemacht und hebt diesen Schutzvorteil wieder auf. Eine F-16 ist auf einem russischen Luftraumüberwachungsradar, wie es bei der S-300 (NATO-Codename: SA-10A Grumble) oder S-400 (NATO-Codename: SA-21 Growler) verwendet wird, durchaus zu erkennen und dies auf eine hohe Distanz. Die Radarrückstrahlfläche der F-16 beträgt rund vier Quadratmeter und sie ist nach heutigen Maßstäben nicht stealthfähig genug. Dies stellt ein gewisses Problem bei dem Jäger aus heutiger Sicht dar.

Die gelieferten F-16 können gegen feindliche Radargeräte unter anderem den elektronischen Störer des Typs AN/ALQ-131 mitführen, um russische Luftraumüberwachungssysteme effektiv zu stören und eine elektronische Erfassung von Flugzielen deutlich zu erschweren. Ob dieser US-Störer in die Ukraine geliefert wird, ist bisher nicht bekannt. Ist aber wahrscheinlich, um die F-16 besser zu schützen.

In der Vergangenheit gab es auch zahlreiche elektronische Probleme mit der F-16, die alle technisch gelöst werden konnten, was aber sehr kostenaufwendig für die Betreiber war und sogar Piloten das Leben kostete. Ein weiterer Nachteil ist die sehr sensitive Steuerung der F-16. Schon kleinste Steuerbewegungen reichen aus, um die Fluglage schlagartig zu verändern. Sie verzeiht nur selten Steuerungsfehler des Piloten, so erfahrene F-16 Flugzeugführer. Daran muss sich ein Pilot gewöhnen, denn die F-16 wird mit einem Stick und nicht mit einem klassischen Steuerknüppel geflogen, der sich zwischen den Beinen des Flugzeugführers befindet. Das ist eine Umstellung für jeden Piloten, der die F-16 fliegen soll, aber vorher russische Flugzeuge flog.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Abgesehen von der Stückzahl und den technischen Möglichkeiten der Flugzeuge stellt sich also auch die Frage, wie schnell ukrainische Piloten an einer F16 ausgebildet werden können...

Thomas Meuter: Ein Kampfflugzeug zu beherrschen, dauert immer seine Zeit. Die ukrainischen Piloten müssen völlig umdenken bei westlichen Baumustern, wie der F-16. Sie ist anders zu steuern, ist sehr agil in der Luft und mit sehr modernen Steuerungssystemen ausgerüstet, die es zu beherrschen gilt. Hinzu kommt der Waffeneinsatz bei diesem Flugzeug, der beherrscht werden muss. Das dauert seine Zeit. Russische Kampfflugzeuge, die in der Ukraine geflogen werden, sind völlig anders zu beherrschen als die F-16. Das macht die Ausbildung auf einer F-16 es den ukrainischen Piloten nicht einfacher. Die Ausbildung an der F-16 ist nicht nur für den Piloten, sondern auch für das Wartungspersonal zeitaufwendig.

Die Flugausbildung der Piloten dauert in der NATO regulär 18 Monate. Diese kann aber auf nur vier Monate reduziert werden, was aber auf die Qualität der Ausbildung Auswirkungen hat. Die ukrainischen Piloten durchlaufen aber eine längere Ausbildungszeit, um die Flugzeuge aus den Niederlanden, Dänemark, Norwegen und Belgien fliegen zu können. Um dann „Combat Ready“ auf der F-16 zu werden geht man in der NATO von rund zwei Jahren Ausbildung aus. Dieser Ausbildungsstand ist dann erreicht, wenn der Pilot sicher mit dem System fliegen und kämpfen kann. Dafür muss der Pilot in dieser Zeit verschiedene Ausbildungsphasen durchlaufen, die von Luftkampfmanövern, Waffen- bis hin zu Taktikausbildungen reichen. Die F-16 bleibt trotz des Alters ein kompliziertes Kampfflugzeug, wie dies alle modernen Mehrzweckjäger der NATO sind.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wäre die russische MIG-29 mit der F-16 vergleichbar?

Thomas Meuter: Nein, keinesfalls. Die MiG-29 ist als ein zweistrahliger Jäger eingeführt worden, der über ein beachtliches Leistungspotential verfügt. In einem Luftkampf, der auf eine größere Entfernung ausgefochten wird, ist die F-16 aufgrund der mitgeführten Luft-Luft-Lenkwaffen der MiG-29 überlegen. Die F-16 kann die MiG-29, die SU-27 oder andere Kampfflugzeuge russischer Baurat leicht auf größere Entfernungen bekämpfen. Selbst in einem Luftkampf auf kleineren Entfernungen, dürfte die F-16 mehr Vorteile als Nachteile haben. Aber die russischen Gegenstücke sind nicht zu unterschätzen, denn diese haben auch ihre Qualitäten im Luftkampf und sie sind alles andere als schlecht.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Jetzt sollen sechs F16 an die Ukraine geliefert werden. Der Begriff „Game Changer“ hat sich inzwischen in den deutschen Wortschatz eingeschlichen. Können Sie uns diesen Begriff erläutern und sagen, ob er in diesem Zusammenhang angemessen ist?

Thomas Meuter: Der einzige „Game Changer“, den es im Ukrainekrieg bisher gibt, sind die kleinen optisch gesteuerten Drohnen, mit denen Panzerfahrzeuge, Artilleriegeschütze oder Flugabwehrstellungen bekämpft werden. Alles andere ist kein Game Changer, denn dies würde sehr schnell den Krieg für die eine oder andere Seite ändern, wenn ein solcher zum Zuge käme. Die Lieferung von zunächst nur sechs F-16 muss man deshalb sehr differenziert sehen. Es handelt sich um ein schnelles Aufrüsten der ukrainischen Luftwaffe mit modernen westlichen Mustern, die selbst nur noch über eine Handvoll an Kampfflugzeugen aus russischer Produktion verfügt. Die F-16 bietet der Ukraine eine deutliche Erhöhung der Luftangriffs- aber auch der Luftverteidigungsfähigkeit.

Das US-Kampflugzeug muss aber dafür mit entsprechenden westlichen Waffensystemen ausgerüstet werden, die zusätzlich geliefert werden müssen. Darunter weitreichende Lenkwaffensysteme, die gegen Boden- oder Luftziele eingesetzt werden können. Was hierzu an Waffensystemen aus Europa oder den USA geliefert wird, ist bis heute nicht bekannt gegeben worden. Es ist damit aber zu rechnen, dass weitreichende Waffensysteme geliefert werden müssen, um auf der Distanz Flug- und Bodenziele angreifen zu können. Hinzu kommen die russischen und bodengestützten Waffensysteme zur Luftraumverteidigung, die nur mit weitreichenden Lenkwaffen bekämpft werden können. Die S-300 und das Nachfolgesystem S-400 sind weitreichende Lenkwaffensysteme, die Kampfflugzeuge schon auf mehreren hundert Kilometern orten und bekämpfen können.

Die russische Luftverteidigung gilt als leistungsstark und effektiv, da diese in ausreichender Zahl den Streitkräften zur Verfügung steht. Die F-16 ist für die ukrainischen Streitkräfte zweifellos ein sehr wichtiges Waffensystem, was aber keinesfalls als ein „Game Changer“ zu werten ist. Dennoch ist es ein wichtiger Eckpfeiler einer Neustrukturierung der ukrainischen Luftwaffe. Ob die F-16 in der angestrebten Anzahl von ca. 160 Exemplaren dazu beitragen kann, den Konflikt zu Gunsten der Ukraine zu wenden, bleibt abzuwarten. Nach meiner Beurteilung der Lage wird vielmehr an fliegen Waffensystemen benötigt werden, um eine Wende im Ukrainekrieg mittelfristig zu erreichen.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Die F-16 Bewaffnung ist bisher nicht bekannt gegeben worden. Warum ist dies so?

Thomas Meuter: Die F-16 kann eine Fülle von verschiedenen Waffensystemen mitführen und genau dies macht dieses Kampfflugzeug einsatztaktisch so hoch flexibel. Doch vergessen Sie in diesem Zusammenhang nicht, dass die F-16 ein reiner Waffenträger ist. Sie bringen damit Abwurf- oder Lenkwaffen gegen Boden- oder Luftziele zum Einsatz. Die Waffensysteme, die die NATO oder die amerikanischen Streitkräfte an die Ukraine liefern, sind meist geheim, damit die russischen Streitkräfte nicht genau wissen, welche Waffen gegen sie zum Einsatz kommen könnten. Dies dient aber auch zum Schutze der ukrainischen Piloten.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Halten Sie es für denkbar, dass F-16 für ihre Einsätze in der Ukraine von Flugplätzen in Polen oder Rumänien aus starten? Was hätte dies für Konsequenzen?

Thomas Meuter: Die Stationierung der F-16 wird vermutlich zuerst in Polen stattfinden, um von dort aus möglicherweise später auf ukrainische Flugplätze verlegt werden zu können, um von dort Einsätze zu fliegen. Ob dies auch in Rumänien der Fall sein wird, ist sehr unwahrscheinlich, denn dieses Land ist kein F-16 Nutzer. Die polnische Luftwaffe verfügt über die entsprechende Logistik sowie Infrastruktur für dieses Kampfflugzeug. Diese neuen ukrainischen Kampfflugzeuge werden am Anfang sehr wertvoll sein und deshalb in Sicherheit gebracht werden müssen, denn ein Lenkwaffenangriff auf einen Flugplatz, wo diese stehen, wäre verheerend.

Ein russischer Angriff auf einen polnischen Flugplatz, auf dem ukrainische F-16s stehen, würde den Bündnisfall bedeuten. Dies würden die russischen Streitkräfte nicht machen. Deshalb ist dies zunächst die sicherste Lösung, diese dort temporär zu parken. Ob von polnischen oder rumänischen Fliegerhorsten später Angriffe gegen russisches Gebiet geflogen werden, dürfte als höchst unwahrscheinlich gelten, da es die sicherheitspolitische Lage erheblich verschärfen würde und ein Angriff auf russisches Gebiet wäre, der vom NATO-Territorium illegal wäre. Daran ist die NATO nicht interessiert. Es gilt als gesichert, dass die F-16 Flotte der Ukraine letzten Endes von deren Flugplätzen starten wird.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Bei der Lieferung von Flugzeugen geht es immer auch um die Erschließung von Märkten. Haben die Amerikaner nun in der Ukraine den Fuß in der Tür?

Thomas Meuter: Keine Frage, die Ukraine ist ein entstehender Absatzmarkt für amerikanische Kampfflugzeuge aller Art. Die veralteten russischen Flugzeugmuster sind in der ukrainischen Luftwaffe nur noch in kleinen Stückzahlen vorhanden und müssen ausgetauscht werden. Die USA können am besten Kampfflugzeuge liefern, da deren Bestand ungeheuer groß ist und sie leicht 50, 100 oder mehr Flugzeuge plus entsprechender Bewaffnung abgeben können. Das ist der europäischen Luftfahrtindustrie nicht möglich. Dafür ist diese zu klein und die Produktion von Kampfflugzeugen ist in ganz Europa zu gering. Es würde Jahre dauern, um europäische Kampfflugzeuge zu bauen und der Ukraine anzubieten.

Die europäische Entwicklung Eurofighter und die französischen Rafale kommen aus preislichen Gründen als Angebot für die Ukraine nicht in Frage. Diese beiden Kampfflugzeuge sind technisch zu komplex zu bedienen, benötigen enorm viel Logistik und Wartungsaufwand. Auch die fortschrittliche schwedische Kampfflugzeugentwicklung des Typs Saab JAS-39 E Gripen ist ein sehr gutes Flugzeug, ähnlich wie die F-16 einsetzbar und recht preisgünstig. Hinzu kommt eine leichte Wartungs-, Mehrzweckverwendungsfähigkeit und eine hohe Vernetzungsfähigkeit, die technisch sehr weit entwickelt ist und neben der F-16 eine gute Beschaffungslösung für die Ukraine wäre. Doch der Rüstungsbeschaffungsmarkt dürfte später in der Ukraine fest in amerikanischer Hand sein.

Die USA liefern die meisten Waffensysteme, angefangen von Panzerabwehrlenkwaffen des Typs Javelin, Artilleriesysteme oder Kampfpanzern bis hin zu leichten gepanzerten Fahrzeugen. Die Palette ist groß und die amerikanische Regierung versucht ihre Industrie dahingehend zu unterstützen, später in diesen Lieferländern auch Beschaffungsaufträge zu bekommen. Dies ist ein fester Bestandteil der amerikanischen Sicherheitspolitik. Es hängt nun stark von den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA ab, ob der neue Präsident den Unterstützungskurs in der Ukraine fortführt und weiter moderne Waffensysteme liefert. Sicher ist schon heute, dass die Rüstungsindustrie in den USA den Fuß im ukrainischen Beschaffungsmarkt hat. Die Europäer kommen hier nur als Zweiter zum Zuge. Die deutsche Industrie dürfte mit Sicherheit neben den USA ein weiterer starker Partner der ukrainischen Streitkräfte sein. Dies gilt schon heute als sicher.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Welche Flugzeuge oder Hubschrauber kämen für die Ukraine noch in Frage?

Thomas Meuter: Wie schon gesagt, wäre die JAS-39 E eine reine europäische Kampfflugzeuglösung, die man möglicherweise liefern könnte. Aber auch hier reichen die produzierten Stückzahlen aus Schweden bei weitem nicht aus. Dennoch sollten die Europäer versuchen, den militärischen Flugzeugmarkt in der Ukraine mit entsprechenden Waffensystemen zu erschließen. Dazu gehören aber nicht nur Kampfflugzeuge, sondern auch militärische Transportflugzeuge oder Hubschrauber. Aus Europa gibt es recht viel, was man liefern könnte. Darunter den NH-90 oder den leichten Kampfhubschrauber H145M von Airbus.

Ebenso wäre die Lieferung des europäischen Transportflugzeugs A400M oder des Tankers A350 als MRTT möglich. Es kommt aber darauf an, was nach dem Ende des Kriegs beschaffungspolitisch aus Kiew letztlich gefordert wird. Europa kann eine Menge an militärischen Produkten bieten, allerdings nicht so viel wie die amerikanische Industrie. Dennoch sollte der Markt nicht der US-Industrie kampflos überlassen werden. Europa braucht Absatzmärkte für wehrtechnische Entwicklungen aller Art. Die Ukraine ist dabei ein wertvoller Handelsplatz mit einem enormen Bedarf an neuer Wehrtechnik.

Info zur Person:

Thomas Alexander Meuter (61) ist seit rund 35 Jahren wehrtechnischer Journalist und beschäftigt sich mit militärischen Fragen und Ausrüstungen von Streitkräften. Sein Schwerpunkt liegt dabei auf der weltweiten Luftwaffen- und Heeresrüstung und militärischen Analysen von Konflikten und Technologien, die dort zum Einsatz kommen. Das Thema Altmunition, Landminen und militärische Altlasten bearbeitet er redaktionell. Er ist erfolgreicher Fachbuchautor und Chefredakteur des Verlags MD&Partner in Meckenheim bei Bonn. Seit vielen Jahren beschäftigt sich Thomas Meuter mit dem Aufspüren und der Entsorgung von Altmunitionen in vom Krieg betroffenen Ländern.


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