Die Verbraucherpreise sind im Juli um 2,3 Prozent höher als im vergangenen Jahr, wie das Statistische Bundesamt mitteilt. Die Inflation zieht damit wieder stärker an als zuvor. Entgegen aller Vorhersagungen steigt die finanzielle Belastung der Bürger weiter.
Kaufkraft: Inflation trifft die Mittelschicht hart
Inflationstreiber waren im Juli vor allem die Dienstleistungen. Diese verteuerten sich um durchschnittlich 3,9 Prozent. Energie verbilligte sich dagegen um 1,7 Prozent. Nahrungsmittel kosteten im Schnitt 1,3 Prozent mehr als im Juli 2023. Die sogenannte Kerninflationsrate – bei der die schwankenden Energie- und Nahrungsmittelpreise herausgerechnet werden – verharrte bei 2,9 Prozent.
Das alltägliche Leben wird teurer, und das spürt vor allem die Mittelschicht. Trotz langsamerer Preissteigerungen bleibt die Belastung hoch. Familien mit mittleren Einkommen merken es besonders.
Studie bestätigt: Mittelschicht leidet unter hohen Verbraucherpreisen
Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung hat in einer aktuellen Studie festgestellt, dass die Kaufkraft von Familien mit mittleren Einkommen in den letzten Jahren gesunken ist – trotz mehrerer Entlastungspakete der Bundesregierung.
Die Einkommenssteuer wurde gesenkt und Unternehmen konnten eine steuerfreie Inflationsausgleichsprämie zahlen. Ziel war es, die sogenannte kalte Progression auszugleichen. Doch die Realität sieht anders aus: Familien mit mittleren Einkommen haben weniger profitiert.
Profiteure sind Kinderlose, Gering- oder Gutverdiener
Laut der IMK-Studie haben vor allem Geringverdiener, kinderlose Paare und Gutverdiener-Familien von den Maßnahmen profitiert. Hohe Preissteigerungen gab es vor allem 2022 und 2023. Silke Tober, Mitverfasserin der Studie, erklärt gegenüber tagesschau.de: „Die meisten Haushalte haben inzwischen wegen steigender Löhne und Steuererleichterungen kaum noch eine Kaufkraftlücke.“
Doch Familien mit mittleren Einkommen erlitten deutliche finanzielle Probleme. Eine Familie mit zwei Kindern und einem Jahresbruttoeinkommen von 58.990 Euro erlitt einen Kaufkraftverlust von 492 Euro im Jahr. Die hohe Teuerung wurde also nicht kompensiert. Auch Alleinerziehende mit einem Kind und einem Bruttoeinkommen von 43.693 Euro stehen schlechter da, so das IMK.
IMK-Studie bestätigt soziale Schieflage
Als Gründe nennt Tober: „Familien mit einem mittleren Einkommen haben nicht so stark von der Einkommensteuersenkung profitiert. Auch das Kindergeld wurde nicht so stark angehoben.“
Zudem seien die Hauptpreistreiber der vergangenen Jahre Lebensmittel und Energie gewesen. Und hier gelte die Faustformel: Je geringer das Einkommen, desto gewichtiger sind diese beiden Posten. Untere Einkommen seien hier stärker entlastet worden, aber eben nicht die Mittelschicht.
Die IMK-Studie spricht von einer „sozialen Schieflage“. Deshalb fordern die Forscher mehr direkte Hilfen – konkret beim Kindergeld. Das sei in den vergangenen Jahren nicht stark genug erhöht worden, um die Inflation auszugleichen. „Am zielgenauesten für Familien wäre eine Erhöhung des Kindergeldes. Da kommt das Geld auch direkt an“, erklärt Tober.
Stellschrauben: Kindergeld und Sozialbeiträge
Bisher steigt zum Jahreswechsel das Kindergeld um fünf Euro auf 255 Euro pro Monat. Für das IMK ist das zu wenig. Aber eine Nachfinanzierung wird es nicht geben: Mehr Geld brauche es dort nicht, teilt das Bundesfinanzministerium tagesschau.de mit: „Im Juli 2022 hat die Bundesregierung […] den Kindersofortzuschlag für von Armut betroffene Kinder eingeführt.“
Außerdem empfiehlt die IMK-Studie auch die gestiegenen Sozialversicherungsbeiträge zu überdenken. Hier dürfen die Beiträge nicht weiter steigen. „Versicherungsfremde Leistungen müssten vermehrt über Steuern aus dem Bundeshaushalt finanziert werden.“ Das wäre ein weiterer wichtiger Ansatz.
Inflation bleibt hartnäckig
Fazit: Die jetzigen Maßnahmen gleichen die höheren Ausgaben für den Lebensunterhalt, besonders für Familien, nicht aus und führen zu schrumpfenden Haushaltskassen und Sparraten. Dennoch zeigt der Staat wenig Interesse, Menschen mit mittleren Einkommen zu helfen und das, obwohl die wirtschaftliche Lage weiter ungewiss bleibt.
Laut Bundesbank werde die Inflation in den nächsten Monaten nicht weiter zurückgehen. Gründe sind unter anderem die hohe Volatilität der Ölpreise und gestiegene Löhne im Dienstleistungsbereich, wie im aktuellen Monatsbericht zu lesen ist. Erst weitere Leitzinssenkungen der EZB könnten die Belastung für die mittleren Einkommen etwas reduzieren, doch dafür müsste die Inflationsrate erstmal sinken.
Das Bundesfinanzministerium erklärte bei tagesschau.de abschließend: „Entlastungen von mittleren Einkommen und Familien bleiben (...) unverändert eine besondere Priorität der Bundesregierung.“