Wirtschaft

Millionäre in Deutschland: Vermögenswachstum trotz wirtschaftlicher Herausforderungen

Trotz wirtschaftlicher Unsicherheiten verzeichnet Deutschland einen Anstieg an Millionären, wie der aktuelle World Wealth Report von Capgemini zeigt. Während die Zahl der Unternehmensinsolvenzen 2023 signifikant zunahm, wächst der Reichtum bei bestimmten Bevölkerungsgruppen weiter. Diese Entwicklungen werfen ein Schlaglicht auf die zunehmende Ungleichheit in der Vermögensverteilung innerhalb Deutschlands.
24.08.2024 09:55
Lesezeit: 4 min
Millionäre in Deutschland: Vermögenswachstum trotz wirtschaftlicher Herausforderungen
Während die Mehrheit wirtschaftliche Einbuße erlebt, steigt die Anzahl der Millionäre in Deutschland. Wie lassen sich diese Ungleichheiten erklären? (Foto: dpa). Foto: Markus Scholz

Zahl der Millionäre in Deutschland gestiegen trotzt stagnierender Wirtschaft

In den vergangenen Jahren hat sich der Wohlstand in bestimmten Bevölkerungsgruppen in Deutschland merklich vermehrt. Besonders hervorzuheben ist der Anstieg der Zahl der Millionäre, wie der World Wealth Report von Capgemini verdeutlicht. Diese Entwicklung findet parallel zur steigenden Anzahl von Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2023 statt, die laut Statistischem Bundesamt (Destatis) im Vergleich zu den Vorjahren deutlich zugenommen haben. Etwa 16.300 Insolvenzen wurden registriert, was einen signifikanten Anstieg gegenüber den Jahren 2020 und 2021 darstellt, in denen die Zahlen aufgrund staatlicher Corona-Hilfen niedrig blieben. Die Pandemie führte zudem dazu, dass das erste Corona-Jahr eines der erfolgreichsten für Milliardäre weltweit war, deren Vermögen sich teils mehr als verdoppelte. Jeff Bezos, der mit Amazon während der Pandemie seine Umsätze verdreifachte, dient als eindrucksvolles Beispiel hierfür.

Amerika führt die Liste der reichsten Menschen an

Das weltweite Vermögen hat sich nach dem Einbruch im Jahr 2022 weitgehend erholt und wächst stetig, wenn auch in unterschiedlichem Tempo. Im Jahr 2023 machen Millionäre bereits 1,5 Prozent der von Capgemini untersuchten Bevölkerung aus. Die Zahl der Milliardäre stieg weltweit um 7 Prozent von 2.376 auf 2.544, während ihr Vermögen um 9 Prozent auf 12 Billionen USD anwuchs.

Die Vereinigten Staaten führen mit fast 22 Millionen Millionären die Liste an, was 38 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht. Das chinesische Festland belegt den zweiten Platz mit etwas mehr als sechs Millionen Millionären, etwa doppelt so viele wie im Vereinigten Königreich, das den dritten Platz einnimmt. Keine andere Nation zählt mehr als drei Millionen Millionäre. Deutschland verzeichnet aktuell 2,82 Millionen Millionäre, und es wird erwartet, dass diese Zahl bis 2028 um 14 Prozent steigen wird. Als Vermögen wird dabei der Wert aller Finanzanlagen und Sachwerte wie Immobilien berücksichtigt, wobei Schulden abgezogen werden. In Deutschland machen finanzielle Wertanlagen knapp über 44 Prozent des Bruttovermögens aus, während Schulden weniger als 13 Prozent betragen, was deutlich unter dem westeuropäischen Durchschnitt von 17 Prozent liegt. Im UBS Global Wealth Report belegt Deutschland gemessen an der Zahl der Millionäre den fünften Platz, hinter den USA, China, Frankreich und Japan.

Und wie sieht es an der Spitze der reichsten Menschen aus? Die Spitze der Vermögenspyramide der Welt besteht aus nur 14 Personen, die zusammen fast 2.000 Milliarden USD besitzen. Dies ist jedoch nicht das kleinste Segment. Weitere 12 Personen auf der Welt besitzen ein Vermögen von jeweils zwischen 50 und 100 Milliarden USD. Allein in Deutschland leben 136 Vermögens-Milliardäre. Namen wie Dieter Schwarz (Liedl-Gruppe), Susanne Klatten (BMW) oder Albrecht-Brüder (Aldi) gehören zu den bekannten Milliardären in Deutschland. Wie aus dem UBS-Bericht „Billionaire Ambitions Report 2023“ hervorgeht, haben zum ersten Mal seit neun Ausgaben des Berichts Milliardäre mehr Vermögen durch Erbschaft als durch Unternehmertum erworben. 58 Prozent der Milliardäre geben an, dass ihre größte Herausforderung darin besteht, ihren Erben die dazu notwendigen Werte, Bildung und Erfahrung zu vermitteln. Denn Probleme werden je nach Generation unterschiedlich wahr genommen. Milliardäre der ersten Generation haben Sorge vor einer möglichen Rezession in den USA und vor geopolitischen Spannungen. Mehr als die Hälfte der befragten Erben dagegen sorgen sich mehr über den Inflationsdruck und die Verfügbarkeit und Preise von Rohstoffen.

Die Schere zwischen Arm und Reich nimmt auch in Deutschland zu

Gleichheit, oder der Mangel daran, ist ein wichtiges Thema in Diskussionen über Wohlstand. Seit 2008 ist die Ungleichheit in Nordamerika leicht zurückgegangen, während sie in Lateinamerika sowie in den meisten Ländern Osteuropas und Asiens zugenommen hat, mit den bemerkenswerten Ausnahmen von Südkorea und Hong Kong. Die Ungleichheit wird mit Hilfe des Gini-Koeffizienten gemessen, einer Zahl zwischen null und 100. Ein Wert von Null bedeutet exakte Gleichheit, d.h. ein Szenario wo jeder genau die gleiche Menge an Vermögen besitzt, während ein Wert von 100 bedeutet, dass eine Person das gesamte Vermögen besitzt und alle anderen Null, d. h. absolute Ungleichheit.

Nach diesem Maßstab sind die westeuropäischen Daten gemischt. In Spanien und Finnland ist die Ungleichheit um etwa 20 Prozent gestiegen. In Deutschland und Österreich ist sie um etwa 5 Prozent, in der Schweiz um etwas mehr als 4,5 Prozent gestiegen. Allerdings ist der Gini-Koeffizient nur eine Annäherung an die tatsächliche Vermögensverteilung. Dennoch zeigt der Wert, dass fast in keinem anderen Land in Europa Vermögen so ungleich verteilt sind wie in Deutschland, womit auch die Schere zwischen Arm und Reich einhergeht. So besitzen etwa 10 Prozent der Haushalte zusammen etwa 60 Prozent des Netto-Gesamtvermögens. Etwa neun Prozent aller Haushalte haben Schulden, weitere 20 Prozent besitzen gar kein Vermögen. Um zu den vermögendsten 10 Prozent der Haushalte in Deutschland zu gehören, war 2021 ein Nettovermögen von rund 725 900 € (+ 31%) nötig. Im Jahr 2017 lag diese Grenze noch bei 555700 €. Seit 1990 haben die Wohlstandsunterschiede zugenommen.

Auch Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung fällt das Nettovermögen im Osten Deutschlands weiterhin deutlich geringer aus als im Westen. 2021 lag das Median-Vermögen eines Haushalts im Osten bei 43.400 Euro, im Westen hingegen bei 127.900 Euro. Die vermögensärmere Hälfte der Bevölkerung legt ihr Geld vor allem risikoarm in Form von Sparkonten oder Versicherungsansprüchen an. Haushalte mit mehr Vermögen haben hingegen vor allem Immobilien- oder Betriebsvermögen.

Gerade jetzt in krisengeprägten Zeiten, kommt der Verteilung von Vermögen eine besondere Aufmerksamkeit zu. Mit den „Distributional Wealth Accounts“ (DWA) bzw. der „verteilungsbasierten Vermögensbilanz“ hat die Europäische Zentralbank (EZB) im Januar 2024 deshalb einen neuartigen, experimentellen Datensatz zu diversen vermögensbezogenen Kennzahlen für alle Mitgliedstaaten des Euroraums veröffentlicht. Die so erfassten Datensätze zeigen, dass der Gini in Deutschland höher als im Durchschnitt der Euroländer liegt. Das Vermögen der vermögensärmeren Hälfte der Bevölkerung in Deutschland besteht zu einem großen Teil aus Guthaben auf Sparkonten oder ähnlich risikoarmen Anlagen. Diese sind allerdings inflationssensibel. Dahingegen gehen hohe Vermögen stark mit Kapitalmarktwerten und Sachwerten und vor allem Immobilien- und Unternehmensvermögen einhergehen. Wer es sich leisten kann, verfolgt Vermögensschutzstrategien (Asset Protection) in Form von rechtlichen Strukturen, die darauf abzielen, Vermögen vor Gläubigern, Rechtsstreitigkeiten oder unerwarteten finanziellen Belastungen zu schützen.

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                                                                            ***

Sofia Delgado ist freie Journalistin und arbeitet seit 2021 in Stuttgart, nachdem sie viereinhalb Jahre lang in Peking gelebt hat. Sie widmet sich gesellschaftskritischen Themen und schreibt für verschiedene Auftraggeber. Persönlich priorisiert sie die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit, als dringendste Herausforderung für die Menschheit.

 

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