Politik

Opposition in der Ampel: Welche Ziele verfolgt die FDP?

Inhaltlich distanziert sich die FDP zunehmend von den anderen Ampel-Parteien. Noch bevor der Haushalt als gemeinsames Projekt ansteht, werden nun zunehmend Wahlkampfthemen in den Vordergrund gerückt. Welches Ziel verfolgt die FDP? Geht es ihr um mehr Profil, vor den wichtigen Landtagswahlen in Thüringen, Brandenburg und Sachsen? Ob dieses Vorgehen wirklich hilfreich ist, muss sich noch erweisen.
17.08.2024 07:43
Lesezeit: 3 min

Montagmorgen in der FDP: Jede Woche tagt das FDP-Präsidium montags – und sorgt damit regelmäßig für Unruhe in der Ampel-Koalition. Denn die Entscheidungen des FDP-Führungsgremiums erscheinen oft eher wie die einer Oppositionspartei als die eines Koalitionspartners. Jüngstes Beispiel: das Papier "Fahrplan Zukunft – Eine Politik für das Auto" vom Montag.

Was dort als "Fahrplan Zukunft" präsentiert wurde, klingt in Teilen eher wie ein "Fahrplan Vergangenheit": mehr Autos in Innenstädte durch kostenfreies Parken, weniger Umwidmungen von Straßen in Fahrradwege und Fußgängerzonen und selbstverständlich – eine gängige FDP-Position – kein generelles Tempolimit auf Autobahnen. Mehr Fahrzeuge in ohnehin verstopfte Innenstädte zu bringen? Wirklich? Selbst der ADAC warnte vor den "Pull-Effekten" für Pkw in Gebieten mit bestehenden Verkehrsproblemen.

SPD sieht die Positionen als Rückschritt

Die Reaktion aus der Koalition folgte prompt. Die FDP spiele mit ihren Positionen Verkehrsträger gegeneinander aus und zeige, dass sie verkehrspolitisch in die 70er Jahre zurückgekehrt sei, erklärte der SPD-Verkehrspolitiker Detlef Müller. "Für die Partei, die das Verkehrsministerium führt, ist das ein Armutszeugnis."

Das jüngste Papier ist vorerst der letzte Punkt einer Reihe von FDP-Präsidiumsbeschlüssen. Mal sind es wie im April zwölf Punkte "zur Beschleunigung der Wirtschaftswende", mal im Mai fünf Punkte für eine "generationengerechte Haushaltspolitik" und nun zehn Punkte zur Verkehrspolitik. Immer bringen sie Konflikte in die Ampel-Koalition. Und stets stellt sich die Frage: Was ist die Motivation der FDP?

Generalsekretär Bijan Djir-Sarai, der die Ergebnisse der Präsidiumssitzung Montag für Montag im Hans-Dietrich-Genscher-Haus in Berlin-Mitte verkündet, zeigt sich unbeeindruckt. "Überhaupt nicht", sagte er nach der Vorstellung des Auto-Papiers auf die Frage einer Journalistin, ob die FDP bewusst die Koalition gefährde. "Ich spreche hier als Generalsekretär der FDP und nicht der Ampel." Auch andere Parteien würden Themen ansprechen, die für sie als Partei relevant seien.

Ist die FDP bereits im Wahlkampfmodus?

Was also möchte die FDP mit ihrer Aufsässigkeit erreichen? Beim Auto-Papier deutete SPD-Verkehrsexperte Müller an, dass die FDP mit Blick auf die Landtagswahlen populistisch punkten wolle.

Dass die FDP – die laut Umfragen vor den September-Wahlen in Sachsen und Thüringen bei 2 Prozent und in Brandenburg bei 3 Prozent liegt – durch ein solches Manöver das Ruder noch herumreißen kann, scheint unwahrscheinlich. Doch es gibt in der Partei und ihrer Basis erhebliche Unzufriedenheit mit dem Kurs der Ampel-Koalition und der allgemeinen politischen Richtung des Landes. Bürokratie und anhaltende wirtschaftliche Schwäche sind zentrale Themen.

"Viele Menschen in Deutschland sind besorgt um ihr eigenes wirtschaftliches Vorankommen. Sie erwarten, dass Deutschland in der weltweiten Spitzengruppe bleibt und nicht zurückfällt", sagte Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner nach der Europawahl. Diese war für alle Ampel-Parteien ein Fiasko, wenn man die Ergebnisse der Bundestagswahl als Maßstab nimmt. Doch die FDP feierte ihre Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die es in einem kämpferischen Wahlkampf geschafft hatte, 5,2 Prozent der Stimmen zu holen – immerhin 2 Prozentpunkte mehr als beim Tiefstand der Umfragen.

FDP hat weitere brisante Themen auf Lager

Als erste der drei Ampel-Parteien schlägt die FDP nun Töne an, die deutlich den Klang des bevorstehenden Bundestagswahlkampfs tragen. Es wirkt, als wolle die FDP, die noch in der Ampel-Koalition mit SPD und Grünen verbunden ist, jetzt schon ihre Position als eigenständige Partei betonen. Die Vorschläge zur Zukunft des Autoverkehrs in den Städten sind ein Anzeichen dafür. Auch die teils öffentlich ausgetragene Auseinandersetzung der FDP-Spitze mit Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) um den Verteidigungsetat und dessen Vorschläge für ein neues Wehrdienstmodell lässt sich in diesem Kontext verstehen.

Weitere Themen stehen bereits an. So kursierte am Dienstag ein Papier aus der FDP-Bundestagsfraktion, das die Eingliederung des bislang eigenständigen Entwicklungsministeriums in das Auswärtige Amt fordert – ein Vorhaben, das allerdings erst nach der Bundestagswahl umgesetzt werden könnte – wenn überhaupt. Von 2009 bis 2013 hatte die FDP mit Dirk Niebel selbst den Entwicklungsminister gestellt.

Die Argumentation, so berichtete das Nachrichtenmagazin "Politico": Wie in anderen Staaten der EU und G7 solle das Entwicklungsministerium kein eigenständiges Ressort mehr sein, sondern mit seinen Ressourcen als Instrument der Außenpolitik genutzt werden. Zudem biete dies die Gelegenheit, die Ausgaben einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Dieser Vorstoß sorgte bei Hilfsorganisationen für Unruhe. Die Entwicklungsorganisation One warnte vor einer "Verzwergung" und schrieb mit Blick auf das Vorhaben: "Der politische Zombie ist zurück."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Mit einem Fondsdepot mehr aus dem eigenen Geld machen

Wer vor zehn Jahren 50.000 Euro in den Weltaktienindex investiert hat, kann sich heute über mehr als 250.000 Euro freuen! Mit der...

DWN
Politik
Politik Wahlsieger Merz: Trotz Wermutstropfen Rambo-Zambo
23.02.2025

Der CDU-Chef bringt den Vorsprung aus den Umfragen ins Ziel: Die Union gewinnt die Bundestagswahl. Doch ein wichtiges selbstgestecktes Ziel...

DWN
Politik
Politik Historisches Debakel für die SPD: Scholz' Tage sind gezählt
23.02.2025

Trotz Widerstands innerhalb seiner Partei wollte er es noch einmal versuchen – und ist kläglich gescheitert. Die kürzeste Amtszeit...

DWN
Politik
Politik Erwartungen verfehlt: FDP erleidet mit Lindner herbe Wahlniederlage
23.02.2025

Die FDP bleibt unter den eigenen Erwartungen und hat sich von der Krise in der Ampel-Koalition nicht erholt. Parteichef Lindner und seine...

DWN
Politik
Politik Bundestagswahl: Union gewinnt vor AfD, Fiasko für die SPD - droht erneut eine Dreierkoalition?
23.02.2025

CDU und CSU gehen als klare Sieger aus der Bundestagswahl hervor – für die SPD ist es das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte. Die...

DWN
Politik
Politik Merz triumphiert, Scholz geschwächt: Die Konsequenzen der Wahl
23.02.2025

Deutschland hat entschieden, und es gibt einen klaren Gewinner. Dennoch dürfte die Regierungsbildung herausfordernd werden, da die Zeit...

DWN
Politik
Politik Wie es nach der Bundestagswahl weitergeht
23.02.2025

Nach der Bundestagswahl beginnt die nächste Phase: die Regierungsbildung. Dabei sind zahlreiche Schritte erforderlich, die sich über...

DWN
Politik
Politik Wahlrecht 2025: Kleinerer Bundestag, größere Auswirkungen – Das ändert sich für Wähler und Parteien
23.02.2025

Am Wahltag selbst werden die meisten Wählerinnen und Wähler keinen Unterschied bemerken. Doch hinter den Kulissen verändert sich...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Schweizer Infrastrukturexperte: "Deutschland war lange der Wirtschaftsmotor Europas – das muss wieder so sein"
23.02.2025

Deutschland kämpft mit maroden Brücken, Straßen, Schienen, Strom- und Kommunikationsnetzen. Der Schweizer Infrastrukturexperte Alexander...