Fehlende Fachkräfte drohen die Energiewende auszubremsen. Die Bertelsmann Stiftung hat analysiert, inwieweit etwa traditionelle Handwerksberufe für die Aufgaben der Energiewende vorbereitet sind. Laut der jetzt veröffentlichten Studie gibt es außer den bereits heute fehlenden rund 300.000 Fachkräften auch eine Kompetenzlücke. Am Beispiel von Dachdeckern: Wer gekonnt Einfamilienhäuser mit Dachpfannen bestückt, kann nicht automatisch auch Photovoltaikanlagen auf dem Dach installieren. Dabei wird jeder vierte Dachdecker von Solarunternehmen gesucht, wie eine Auswertung der Stiftung von 2,7 Millionen Online-Stellenanzeigen ergeben hat.
Dabei liegt der Ähnlichkeitswert der benötigten Kompetenzen im Dachdeckerhandwerk im Vergleich des traditionellen Einsatzfeldes und der Solarbranche bei lediglich 0,71. Bei einer Übereinstimmung von 100 Prozent läge der Wert bei 1, wie die Autoren erklären. Wissen um Solarthermie, Photovoltaikanlagen und die Montage von Versorgungstechnik erwarten die Arbeitgeber von den Dachdeckerinnen und Dachdeckern.
Habeck rät zur Geduld
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mahnte zur Geduld. „Das System ist jetzt jahrzehntelang auf Gas- und Ölheizung beispielsweise ausgerichtet gewesen. Also muss neu gelernt und nachgedacht werden“, sagte er zum Abschluss einer dreitägigen Reise durch Norddeutschland, bei der er sich vor Ort über den Einsatz von Wärmepumpen informiert hatte.
Das Wissen, dass Heizen, Energie- und Verkehrssysteme künftig klimaneutral werden müssten, sei weit verbreitet, erklärte Habeck. Nun brauche es Geduld bei der Umsetzung. „Die ganze Transformation, also das Umstellen eines hoch industrialisierten Landes, das hoch abhängig war von fossilen Energien, auf Klimaneutralität dauert.“ Gerade die Wärmewende, also die Umstellung auf klimafreundlicheres Heizen, sei ein Projekt für Jahrzehnte.
Bei Windenergie ebenfalls große Kompetenzlücke
Bei der Windenergie werden ebenfalls noch mehr zusätzliche Kompetenzen erwartet. Hier liegt der Ähnlichkeitswert in der Gesamtwirtschaft und der Windbranche laut den Autoren nur bei 0,77. Bei den Fachkräften für Bauelektrik liegt der Wert mit 0,64 sogar noch niedriger. „Zentral für Fachkräfte der Bauelektrik in der Windbranche sind Kompetenzen im Bereich Inbetriebnahme und Wartung von Windkraftanlagen“, schreiben die Studienautoren. Bei klassischen Bauelektrikern seien vor allem Elektroinstallation und Montage von Elektrotechnik gefragt.
„Die starken Unterschiede bei den Kompetenzanforderungen innerhalb eines Berufes zeigen, dass der Blick auf die Zahl der Arbeitskräfte allein nicht ausreicht“, sagt Jana Fingerhut, Arbeitsmarktexpertin der Bertelsmann Stiftung. „Wir brauchen nicht nur mehr Fachkräfte. Sie müssen eben auch die richtigen Kompetenzen für die Aufgaben in der Wind- und Solarbranche mitbringen. Diese Kompetenzen müssen erst erlernt werden.“ Daher benötigten die Branchen der Energiewende mehr gezielte Weiterbildungen, die sich sowohl an Menschen mit abgeschlossener Berufsausbildung richteten als auch an diejenigen mit Berufserfahrungen, aber ohne einen anerkannten Abschluss.