In den vergangenen zehn Jahren, also seit 2014, hat die Digitalisierung in Deutschland fast alle Lebensbereiche verändert – auch die Ausländerbehörden. Diese Behörden, die für Aufenthaltsgenehmigungen, Visa-Anträge und andere wichtige Anliegen von Migranten zuständig sind, mussten sich dem digitalen Wandel stellen. Doch der Weg zur komplett digitalisierten Behörde verlief nicht immer einwandfrei und langsamer als in anderen europäischen Ländern - wie also sieht es mit der Entwicklung der deutschen Ausländerbehörden im Vergleich zu den Fortschritten in anderen europäischen Ländern konkret aus?
Ausländerbehörde 2014: Ein Rückblick
Im Internet gibt es immer noch eine Datei, in der die Berliner Ausländerbehörde beschreibt, was sie im Jahr 2014 erreicht hat und welche Ziele sie sich für 2025 vorgenommen hat. Damals war es üblich, dass Anträge in Papierform eingereicht werden mussten, und persönliche Vorsprachen bei den Behörden waren die Regel. Lange Wartezeiten, unklare Zuständigkeiten und komplizierte Prozesse führten oft zu Frustration bei den Antragstellern. Die Kommunikation erfolgte hauptsächlich per Post oder Telefon, was nicht immer reibungslos funktionierte.
Im Jahr 2014 wurde in Berlin eine wichtige Reform umgesetzt: Die Einführung der „Kontinentalsachgebiete“. Diese Neustrukturierung sollte die Zuständigkeiten klarer definieren und die Effizienz der Behörde erhöhen. Vor dieser Umstellung war oft unklar, wer für welchen Fall zuständig war, was zu Verzögerungen führte.
Ein weiterer bedeutender Fortschritt war die Einführung der Online-Terminvereinbarung (OTV) in mehreren Sachgebieten. Vorher mussten die meisten Kunden persönlich erscheinen, um Termine zu vereinbaren, was zu langen Wartezeiten führte. Mit der OTV konnten Termine nun bequem online gebucht werden, was den Ablauf für die Kunden erheblich vereinfachte und die Behörde entlastete.
Auch in der Kommunikation mit den Kunden gab es Verbesserungen. Da viele Kunden nur eingeschränkte Deutschkenntnisse hatten, bot die Behörde Englisch-Sprachkurse für ihre Mitarbeiter an, um die Verständigung zu erleichtern. Dies war besonders wichtig, da die Behörde zunehmend international aufgestellt war.
Zusätzlich führte die Behörde eine „Lobdatei“ ein, in der positive Rückmeldungen von Kunden erfasst wurden. Dies markierte einen Wandel hin zu einer offeneren Feedbackkultur. Die Behörde nutzte das Lob, um ihre Dienstleistungen weiter zu verbessern.
Um die Prozesse noch transparenter zu gestalten, suchte die Behörde den Dialog mit externen Akteuren wie Vereinen und Rechtsanwälten. Ein Beispiel dafür war die Zusammenarbeit mit dem Republikanischen Anwaltverein (RAV), die zu einer besseren Verständigung und Optimierung der Arbeitsabläufe führte.
Ein weiterer Schritt zur Verbesserung der Kundenservices war die Einführung einer kostenlosen Rechtsberatung in der Behörde. Diese Maßnahme bot den Kunden eine direkte Möglichkeit, rechtliche Unterstützung zu erhalten.
Fortschritte der vergangenen zehn Jahre: Ein digitaler Wandel?
In den letzten zehn Jahren hat sich in den deutschen Ausländerbehörden einiges verändert. Der Druck zur Digitalisierung kam sowohl von innen als auch von außen – sei es durch die steigende Zahl an Anträgen aufgrund der zunehmenden Globalisierung und Migration oder durch die allgemeinen Bestrebungen der Bundesregierung, die Verwaltung effizienter und bürgerfreundlicher zu gestalten.
Online-Antragsverfahren und Terminvergabe: Eine der wichtigsten Veränderungen ist die Einführung von Online-Antragsverfahren. Mittlerweile können viele Anträge, wie etwa zur Verlängerung von Aufenthaltsgenehmigungen oder zur Beantragung eines Visums, online eingereicht werden. Auch die Terminvergabe erfolgt heute größtenteils digital, was lange Wartezeiten vor Ort verringert und den Bürgern mehr Planungssicherheit gibt.
Elektronische Aktenführung: Ein weiterer Meilenstein ist die Einführung der elektronischen Aktenführung in vielen Ausländerbehörden. Die Bearbeitung von Anträgen kann so schneller und effizienter erfolgen, da die erforderlichen Dokumente sofort verfügbar sind und nicht erst aufwendig in Papierform gesucht werden müssen.
Digitale Kommunikation: Auch die Kommunikation mit den Behörden hat sich verbessert. E-Mails und Online-Portale haben die traditionellen Kommunikationswege ergänzt und in vielen Fällen sogar ersetzt. Dadurch können Bürgerinnen und Bürger schneller und einfacher mit der Behörde in Kontakt treten.
Automatisierte Prozesse: In einigen Bereichen wurden bereits erste Schritte hin zur Automatisierung von Prozessen unternommen. So gibt es beispielsweise Systeme, die einfache Anträge automatisch prüfen und genehmigen können, was die Bearbeitungszeit erheblich verkürzt.
Technische Plattformen und Lösungen
Es existieren mehrere zentrale Plattformen und Systeme, die die Digitalisierung in der Verwaltung unterstützen:
VIS (Visa-Informationssystem): Dieses System erleichtert die Prüfung und Bearbeitung von Visaanträgen auf europäischer Ebene. Es ermöglicht den Austausch von Informationen zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten der EU und beschleunigt so die Bearbeitungsprozesse. Seit dem 11. Oktober 2011 in Betrieb.
eAT (elektronischer Aufenthaltstitel): Der elektronische Aufenthaltstitel ist ein Chipkarten-basierter Ausweis für Drittstaatsangehörige, der sowohl den physischen Nachweis des Aufenthaltsrechts als auch digitale Identifikationsmöglichkeiten bietet.
BAMF-NAvI: Eine Plattform des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), die es ermöglicht, Informationen über den Stand von Asylverfahren digital abzufragen.
Das sind aber keine Neuheiten, da seit dem 1. September 2011 Aufenthaltstitel für Drittstaatsangehörige in Deutschland elektronisch ausgestellt werden und das Visa-Informationssystem (VIS) seit dem 11. Oktober 2011 in Betrieb ist.
Digitalisierung in den Bundesländern: Ein ungleichmäßiger Fortschritt
Die föderale Struktur Deutschlands führt dazu, dass in den verschiedenen Bundesländern unterschiedliche digitale Systeme und Standards zum Einsatz kommen. Die Digitalisierung der Ausländerbehörden schreitet daher in den einzelnen Bundesländern und sogar innerhalb verschiedener Kommunen unterschiedlich schnell voran. Dies resultiert in einem uneinheitlichen digitalen Angebot, wie das Digital-Ranking der Bundesländer zeigt.
Berlin und Hamburg gelten als Vorreiter bei der Einführung digitaler Prozesse. So bietet Berlin beispielsweise die Möglichkeit, zahlreiche Anliegen über das Online-Portal „Berlin.de“ abzuwickeln. Auch Bayern und Baden-Württemberg haben bedeutende Fortschritte erzielt, insbesondere in Großstädten wie München und Stuttgart, wo umfassende Online-Dienste zur Verfügung stehen.
In einigen ländlichen Regionen hingegen verläuft die Digitalisierung langsamer, sodass viele Prozesse dort weiterhin analog abgewickelt werden. Besonders Thüringen und Sachsen-Anhalt liegen im bundesweiten Vergleich weit zurück.
Deutschland im europäischen Vergleich: Aufholbedarf trotz Fortschritten
Im Großen und ganzen klingt alles recht positiv für Deutschland: eine Verbesserung hier und da. Bis man anfängt, Deutschland mit anderen EU-Ländern zu vergleichen, was die Digitalisierung angeht. Laut dem Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) erreichte Deutschland im Jahr 2022 den 13. Platz in Europa, mit einer Punktzahl von 52,9. Während Deutschland in einigen Bereichen Fortschritte macht, sind Länder wie Finnland und Dänemark deutlich weiter vorne. Diese beiden skandinavischen Länder stehen an der Spitze der digitalen Transformation.
Finnland steht an der Spitze der europäischen Rangliste, insbesondere in Bezug auf digitales Identitätsmanagement. Ein wesentlicher Unterschied zu Deutschland liegt in der Art und Weise, wie die digitale Identität der Bürger verwaltet wird. In Finnland wird dieses System durch das Internetbanking realisiert, das von den Banken als ein Dienstleistungsangebot bereitgestellt wird. Diese innovative Lösung erlaubt es den Bürgern, sich sicher und unkompliziert für eine Vielzahl von öffentlichen Dienstleistungen anzumelden.
Auch in Dänemark sind viele Verwaltungsprozesse digitalisiert, wie z. B. die digitale Post, Steuererklärungen und Gesundheitsplattformen. Die Einführung der digitalen Bürger-ID „NemID“ hat in Dänemark einen großen Fortschritt gebracht. Dieses System dient als zentrale Anmeldeplattform für öffentliche Dienstleistungen und Internetbanking und erleichtert den Bürgern den Zugang zu digitalen Angeboten erheblich.
In Deutschland sieht die Situation hingegen uneinheitlich aus. Die digitale Infrastruktur und die Angebote unterscheiden sich stark zwischen den Bundesländern und sogar zwischen verschiedenen Städten. Wie kann man ernsthaft von Fortschritten reden, wenn zwei Drittel der Ausländerbehörden in Deutschland noch im digitalen Mittelalter feststecken? Bundeskanzler Olaf Scholz hat im vergangenen Jahr betont, dass sich hier dringend etwas ändern muss, schreibt ntv.
Außerdem steht Deutschland vor der Herausforderung, einen Ausgleich zwischen strengen Datenschutzgesetzen und einer benutzerfreundlichen Digitalisierung zu finden. Während in einigen Bereichen Fortschritte gemacht werden, ist der Weg zur vollständigen Digitalisierung in Deutschland noch lang.
Ein weiteres Problem ist, dass nicht alle Bürger digitale Angebote gleich gut annehmen. Zum Beispiel nutzen viele ältere Menschen keine Computer, was es schwieriger macht, neue digitale Maßnahmen durchzusetzen.
Außerdem gibt es einfachere Probleme als die Digitalisierung, die längst überfällig sind. Zum Beispiel können viele Beamte immer noch kein Englisch sprechen. Das ist kritisch für die Ausländerbehörde. Das Thema, Englisch zur zweiten Pflichtsprache nach Deutsch zu machen, kommt fast jedes Jahr auf.
Und auch hier macht sich der Mangel an Arbeitskräften bemerkbar. Jetzt, mit dem neuen Gesetz zur deutschen Staatsbürgerschaft, gibt es immer mehr Anfragen und nicht genug Mitarbeiter. In Magdeburg ist die Situation besonders kritisch. „Die Kollegen wollen wirklich, schaffen es aber gerade nicht“, sagt Antje Schirmer, Leiterin der Ausländerbehörde.
Deutschland muss daher weiter intensiv daran arbeiten, die Lücken zu schließen und von den erfolgreichen Modellen anderer Länder zu lernen, um im europäischen Vergleich aufzuholen.
Zukünftige Entwicklungen
Die Zukunft der Digitalisierung der Ausländerbehörden in Deutschland wird stark von den allgemeinen Bestrebungen zur digitalen Transformation der öffentlichen Verwaltung abhängen. Geplante Projekte und Initiativen wie die „Onlinezugangsgesetz“ (OZG)-Umsetzung, die vorsieht, alle Verwaltungsleistungen bis 2028 online anzubieten, werden hierbei eine zentrale Rolle spielen.Es ist zu erwarten, dass in den kommenden Jahren weitere technologische Innovationen, wie der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) zur automatisierten Bearbeitung von Anträgen oder Blockchain-Technologie zur sicheren Datenverwaltung, Einzug in die Behörden finden werden. Die Frage ist: Wie schnell passiert es?