Finanzen

Aktienratings: Was taugen die Empfehlungen von Analysten?

Lesezeit: 3 min
25.08.2024 12:27
Viele Anleger orientieren sich an Analystenratings. Doch wie verlässlich sind die Handelsempfehlungen wirklich?
Aktienratings: Was taugen die Empfehlungen von Analysten?
Laut Experten könnten die Ratings oft falsch sein, da die verfügbaren Informationen bereits in den aktuellen Kursen berücksichtigt sind. (Foto: iStock.com, David Gyung)
Foto: David Gyung

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Analysten von Banken und unabhängigen Analyseunternehmen bewerten Aktien und sprechen Handelsempfehlungen aus. Übliche Ratings sind beispielsweise „Buy“, „Hold“ und „Sell“.

Anleger orientieren sich an solchen Ratings. Laut einer Doktorarbeit aus dem Jahr 2005 reagieren die Kurse an deutschen Börsen nachweisbar und statistisch signifikant auf die Empfehlungen, wobei ein Sell-Rating größeren Einfluss auf die Kurse ausübt als ein Buy-Rating. Außerdem würden die Preiseffekte einen „langfristigen Charakter“ besitzen.

Experten warnen vor den Ratings

Finanzexperten sehen die Ratings indes kritisch. „Analystenempfehlungen sind in der Regel nichts als Marketinginstrumente und damit für Privatanleger völlig unbrauchbar“, erklärt etwa der Vermögensberater Ingo Theismann aus Hildesheim gegenüber DWN.

Eine Überrendite gegenüber dem Markt oder einem Index sei allein schon deswegen nicht zu erwarten, „weil die Empfehlungen zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung bereits Allgemeinwissen darstellen und somit bereits in den Kursen enthalten sind“.

Auch der US-Finanzökonom Burton Malkiel hält die Voraussagen für unbrauchbar. „Anleger, die sich bei ihrer Anlageentscheidung blind auf solche Prognosen verlassen, müssen sich auf herbe Enttäuschungen gefasst machen“, warnt er in seinem Buch „A Random Walk down Wall Street“.

Laut einer aktuellen Studie von Forschern der Universität Göteborg schaffen es die Analysten zwar, die aussichtsreicheren Aktien von den weniger aussichtsreicheren Aktien zu unterscheiden und auf einer relativen Skala richtig anzuordnen.

Studien zu den Analystenratings

Die konkreten Prognosen liegen aber weit daneben. Etwa schätzten die Analysten die monatliche Rendite einer Aktie im Schnitt auf 2,2 Prozent, wie aus dem Datensatz der Forscher für den Zeitraum von 1999 bis 2021 hervorgeht. Tatsächlich lagen die Zugewinne aber bei 1,2 Prozent.

Auch eine Strategie, bei der man Aktien geshortet hätte, bei denen Analysten schwache Renditen voraussagten, und Aktien mit hohen Renditen gekauft hätte, hätte keine signifikanten Überrenditen gegenüber einem Vergleichsindex erzielt. „Wir sind keineswegs die ersten, die auf diese schwache Performance hinweisen“, erklären die drei Finanzökonomen weiter und verweisen auf andere Studien.

Burton Malkiel berichtet in seinem Buch, er habe im Rahmen einer Studie Prognosen von 19 Banken eingeholt. Die Analysten sollten die Gewinne für das kommende Jahr und die kommenden fünf Jahre für eine hohe Zahl von Unternehmen aus dem S&P 500 vorhersagen.

„Die sorgfältigen Schätzungen von Analysten sind kaum besser als diejenigen, die sich durch einfache Extrapolation vergangener Trends ergeben würden“, berichtet der Princeton-Professor über die Ergebnisse. Die Analysten lagen also mit ihren Prognosen kaum besser als ein Laie.

Gründe für die schwachen Prognosefähigkeiten der Analysten

Laut Malkiel sind die Ratings meistens falsch, weil alle bekannten Informationen in den Kursen bereits eingepreist sind. Daher seien Aktienkurse nicht voraussagbar, sondern zufällig (auch Random-Walk-Theorie genannt). Beispielsweise könnten politische Entscheidungen, Managementfehler oder neue Produkte den Aktienkurs stark und unerwartet beeinflussen.

Etwa seien die Kurse in der Biotech-Industrie besonders schwer vorhersagbar. Medikamente würden häufig durch Phase-III-Studien fallen, bei denen sie erstmals in einer größeren Patientengruppe getestet werden. So sei die Aktie des US-Pharmaherstellers Celsion im Jahr 2013 um 90 Prozent eingebrochen, als ein vielversprechendes Leberkrebs-Medikament durch die Tests gefallen sei.

Zudem würden die besten Analysten oft ins Portfoliomanagement wechseln. Zurückbleiben würden die Analysten mit weniger Prognosekönnen. „Es ist weitaus aufregender, prestigeträchtiger und lohnender, als Hedgefondsmanager Geld zu verwalten als nur in der Position eines Analysten zu beraten“, meint Malkiel.

Außerdem gebe es Interessenkonflikte. Die Investmentbanken - die Arbeitgeber der Analysten - würden an der Neuausgabe von Wertpapieren gut verdienen. Negative Einschätzungen seien nicht gern gesehen, denn sie könnten potenzielle Kunden verschrecken. Diese könnten sich entscheiden, eine Aktie oder eine Anleihe über eine andere Investmentbank an die Börse zu bringen.

Dementsprechend berichtet der US-Finanzinformationsdienstleister Factset von einer „ungewöhnlich hohen Zahl“ an Buy-Ratings. In 57 Prozent der Fälle hätten Analysten im Juni 2022 zu einem Kauf geraten, und das trotz der Inflation, des Ukraine-Kriegs, steigender Zinsen und Rezessionsängsten, heißt es in einer Analyse. Nur 5 Prozent seien Sell-Ratings gewesen und beim Rest habe es sich um Hold-Ratings gehandelt (38 Prozent).

Auch im Fünf-Jahresschnitt waren die Zahlen ähnlich hoch (Buy: 53 Prozent, Hold: 41 Prozent, Sell: 6 Prozent). Insgesamt untersuchte Factset 10.700 aktuelle Ratings zu Aktien aus dem S&P 500.

Ingo Theismann hält es daher für keine gute Idee, Anlageentscheidungen an den Ratings auszurichten. „Mir ist kein einziger Fall bekannt, in dem mit einer solchen Strategie langfristig Überrenditen erzielt worden wären, aber eine Menge Fälle, bei denen es zu teilweise erheblichen Minderrenditen gekommen ist.“

                                                                            ***

Elias Huber arbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main und schreibt vor allem über Konjunktur, Edelmetalle und ETFs sowie die ökonomische Lehre der Österreichischen Schule. 


Mehr zum Thema:  

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

DWN
Politik
Politik SPD-Kanzlerkandidat steht fest: Pistorius zieht zurück und ebnet Weg für Scholz
21.11.2024

Nach intensiven Diskussionen innerhalb der SPD hat Verteidigungsminister Boris Pistorius Olaf Scholz den Weg für die erneute...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Prognose: Kryptowährung mit Rekordhoch kurz vor 100.000 Dollar - wie geht's weiter?
21.11.2024

Neues Bitcoin-Rekordhoch am Mittwoch - und am Donnerstag hat die wichtigste Kryptowährung direkt nachgelegt. Seit dem Sieg von Donald...

DWN
Panorama
Panorama Merkel-Buch „Freiheit“: Wie die Ex-Kanzlerin ihre politischen Memoiren schönschreibt
21.11.2024

Biden geht, Trump kommt! Wer auf Scholz folgt, ist zwar noch unklar. Dafür steht das Polit-Comeback des Jahres auf der Tagesordnung: Ab...

DWN
Politik
Politik Solidaritätszuschlag: Kippt das Bundesverfassungsgericht die „Reichensteuer“? Unternehmen könnten Milliarden sparen!
21.11.2024

Den umstrittenen Solidaritätszuschlag müssen seit 2021 immer noch Besserverdiener und Unternehmen zahlen. Ob das verfassungswidrig ist,...

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesbank: Konjunkturflaute, Handelskonflikte, leere Büroimmobilien - Banken stehen vor akuten Herausforderungen
21.11.2024

Eigentlich stehen Deutschlands Finanzinstitute in Summe noch ganz gut da – so das Fazit der Bundesbank. Doch der Blick nach vorn ist...

DWN
Finanzen
Finanzen Von Dividenden leben? So erzielen Sie ein passives Einkommen an der Börse
21.11.2024

Dividenden-ETFs schütten jedes Jahr drei bis vier Prozent der angelegten Summe aus. Wäre das auch was für Ihre Anlagestrategie?...

DWN
Politik
Politik Weltstrafgericht erlässt auch Haftbefehle gegen Netanjahu und Galant - wegen Kriegsverbrechen im Gaza-Streifen
21.11.2024

Der Internationale Strafgerichtshof hat Haftbefehle gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, den früheren...

DWN
Politik
Politik US-Staatsapparat: Tech-Milliardär Elon Musk setzt auf Technologie statt Personal - Unterstützung bekommt er von Trump
21.11.2024

Elon Musk soll dem künftigen US-Präsidenten Trump dabei helfen, Behördenausgaben zu kürzen und Bürokratie abzubauen. Er gibt einen...