Kleinanleger können sich seit Jahresanfang an „European Long-Term Investment Funds“ beteiligen (zu deutsch „Europäischer langfristiger Investmentfonds“). Die Fonds investieren in Infrastrukturprojekte wie Flughäfen, Schiffe, Straßennetze oder Kraftwerke, in Anteile an nicht-börsennotierten Unternehmen (Private Equity) und vergeben Kredite an Unternehmen (Private Debt).
ELTIFs existieren bereits seit dem Jahr 2015 in der EU. Aber bislang mussten Privatanleger mindestens 100.000 Euro Vermögen nachweisen und mindestens 10.000 Euro einzahlen. Diese Grenzen sind zum Jahresanfang gefallen.
Finanzexperten sehen die Fonds indes kritisch. „Es gibt günstigere, flexiblere und wesentlich besser diversifizierte Anlagen, die zudem nach Kosten ähnliche oder wahrscheinlich sogar bessere Renditechancen bieten, aber wesentlich geringere Risiken aufweisen“, erklärt Matthias Krapp von Abatus Vermögensmanagement gegenüber DWN.
Wenig über die Performance der ELTIFs bekannt
Die Verbraucherzentrale rät generell von einem Investment ab. Privatanleger sollten, wenn überhaupt, nur bis zu 5 Prozent des Gesamtvermögens einbringen. „Einen möglichen Verlust sollten Sie finanziell verkraften können, ohne dass die eigene finanzielle Lebensplanung gefährdet würde“, schreiben die Verbraucherschützer in einem Online-Artikel.
ELTIFs existieren seit fast zehn Jahren, aber dennoch gibt es so gut wie keine öffentlichen Daten zur Wertentwicklung, berichtet ein Sprecher der Ratingagentur Scope gegenüber DWN.
„Bei den Fonds handelt es sich überwiegend um geschlossene Fonds, die in der Regel eine Laufzeit von fünf bis acht Jahren im Falle von Private Debt haben, von zehn bis zwölf Jahren bei Private Equity und von zehn bis 50 Jahren bei Infrastruktur“, erklärt er. Bislang sei die Laufzeit meistens noch nicht verstrichen, weshalb die Anbieter keine Angaben zur Wertentwicklung machen würden.
Eine Ausnahme sei der Klimavest der deutschen Fondsgesellschaft Commerz Real. Der Solar- und Windanlagenfonds ist der größte ELTIF in der EU mit über 1,4 Milliarden Euro Fondsvermögen. Laut Scope-Daten rentierte er seit Auflage am 28. Oktober 2020 mit 3,4 Prozent pro Jahr (zum 30. Juni 2024).
Die Inflation lag allerdings nach DWN-Berechnung im gleichen Zeitraum bei 5,0 Prozent pro Jahr. Anleger machten also einen realen Verlust von 1,6 Prozent pro Jahr.
Ein 60/40-ETF-Portfolio hätte im gleichen Zeitraum sogar 10,0 Prozent vor Inflation eingefahren (bestehend aus 60 Prozent MSCI ACWI und 40 Prozent kurzlaufende Bundesanleihen; ISIN: IE00B6R52259, DE000A0Q4RZ9). Der ETF auf den Weltaktienindex MSCI ACWI legte sogar jährlich um 15,3 Prozent zu.
Matthias Krapp hält ELTIF-Fonds denn auch für unattraktiv. „Das Chance-Risiko-Verhältnis spricht nicht für diese Anlageklasse, da die Renditeaussagen auf Prognosen und Annahmen basieren.“
Für ELTIFs spricht, dass die Kurse kaum schwanken. Etwa lag die Volatilität (Kursschwankung) des Klimavest bei 0,45 Prozent in den vergangenen drei Jahren. Das ist ähnlich hoch wie bei einem als sehr sicher geltenden Geldmarkt-ETF mit Bundesanleihen (Restlaufzeit von maximal 12 Monaten).
Liquiditätsrisiko der ELTIFs
Allerdings unterliegen die Sachwertefonds ähnlich wie offene Immobilienfonds einem Liquiditätsrisiko, das Bundesanleihen nicht aufweisen. Die enthaltenen Vermögenswerte sind sehr illiquide, während die ELTIF-Anteile rasch zu Geld gemacht werden können.
Sollten viele Anleger auf einmal Anteile zurückgeben, etwa in einer Finanzkrise, könnten die ELTIFs schließen müssen und Anleger würden nicht an ihr Geld herankommen. Schlimmstenfalls müssten die Anbieter die Vermögenswerte zu Niedrigpreisen verkaufen und Anleger würden Verluste erleiden, ähnlich wie bei den offenen Immobilienfonds in der Finanzkrise 2008.
Die EU plane daher, Kündigungsfristen einzuführen, erklärt der Scope-Mitarbeiter gegenüber DWN. Bislang stehe aber noch nicht fest, wie die Regeln genau ausgestaltet sein werden. Manche der Fonds setzen aber bereits selbst Kündigungsfristen und Mindesthaltedauern.
In einer Umfrage sehen denn auch 52 Prozent der ELTIF-Anbieter im Liquiditätsrisiko das größte Risiko für die ELTIFs, wie aus der ELTIF-Studie 2024 von Scope hervorgeht. Einen gleich hohen Wert erreichte nur die Angabe „politische Unsicherheiten“. Danach folgten „wirtschaftliche Rezession“ (42 Prozent), „Vertriebshemmnisse“ (39 Prozent) und „Abzug von Anlegergeldern“ (29 Prozent).
Auch einen Zweitmarkt gibt es nicht, an dem Anleger Anteile an andere Investoren verkaufen können. Allerdings planen die Anbieter, entsprechende Handelsplätze für geschlossene ELTIFs zu errichten, erklärt der Scope-Mitarbeiter.
Kritik der Verbraucherzentrale
Die Verbraucherzentrale kritisiert daneben die geringe Streuung. ELTIFs dürfen maximal 20 Prozent des Fondsvermögens in eine Anlage investieren, was zu einer gewissen Diversifikation führe. „Sie sind aber nicht so breit gestreut wie etwa ein ETF, der in Hunderte oder Tausende von Unternehmen investiert.“
Außerdem könnten Privatanleger nur schwer beurteilen, wie vielversprechend die Sachwertinvestitionen seien. „Um sich an Unternehmen zu beteiligen, brauchen Sie Fachwissen“, schreiben die Verbraucherschützer. Besonders in frühen Phasen seien die Erfolgsaussichten aber schwer vorherzusagen.
Die Kosten sind zudem relativ hoch, was die Performance drückt. Laut Scope liegen die Managementgebühren bei 0,95 bis 2,6 Prozent pro Jahr. On top können Erfolgsgebühren kommen. Laut Scope ist das geringer als bei herkömmlichen Private-Equity-Fonds.
Gleichwohl liegen weltweit streuende Aktien-ETFs üblicherweise bei 0,2 Prozent oder weniger. Auch ETFs mit Private-Equity-Unternehmen kosten maximal 0,75 Prozent pro Jahr (etwa IE00B1TXHL60, LU0322250712, IE0008ZGI5C1). Erfolgsgebühren gibt es bei ETFs nicht.
Bei einem Investment von 10.000 Euro würden die Kosten also 20 Euro bei einem Welt-ETF betragen, während bei einem ELTIF 95 bis 260 Euro verloren gehen. Auf Sicht von mehreren Jahrzehnten summieren sich solche Kostenunterschiede rasch auf fünfstellige Beträge auf. Ursache ist der Zinseszinseffekt.
Dazu können Ausgabeaufschläge kommen, die bis zu 5 Prozent der investierten Summe betragen. Bei einem Investment von 10.000 Euro würden also gleich zu Beginn bis zu 500 Euro unwiederbringlich verloren gehen.
Dieses Geld fließt an den Vermittler oder den Bankberater, der den ELTIF empfiehlt. „Ich befürchte, Banken und Sparkassen und Berater auf Provisionsbasis werden wieder einmal Vorreiter sein und diese Produkte aktiv verkaufen und vertreiben (ähnlich wie bei Zertifikaten) statt offen, transparent, anlegerfreundlich und strategisch zu beraten“, meint daher Matthias Krapp.
Ein kleiner Vorteil der ELTIFs ist, dass Anleger über zusätzliche Anlageklassen streuen können. Allerdings investiert auch ein Welt-ETF indirekt in Private Equity, Private Debt und Infrastrukturanlagen wie Kraftwerke oder Solarparks.
Etwa listet der MSCI World die weltweit größten Private-Equity-Gesellschaften KKR und Blackstone. Diese sind in sich wesentlich breiter über Länder, Unternehmen und Branchen diversifiziert als ein einziger ELTIF.
Außerdem handelt es sich um die nachgewiesen erfolgreichsten Private-Equity-Firmen, die in der Vergangenheit stark gewachsen und inzwischen Marktführer sind. „Alternative Investitionen in Sachwerte sind oftmals besser geeignet: Zum Beispiel ein Aktien-ETF auf den MSCI World“, schließt daher die Verbraucherzentrale.