Anders als die Aktienmärkte, die zum Monatsbeginn vor allem auf Grund der als geradezu desaströs interpretierten US-Arbeitsmarktdaten massiv auf Talfahrt gingen, konnte sich der in weiten Teilen ebenfalls deutlich abgesackte Rohstoffsektor gemessen an seinen breiten Indizes bislang weit weniger klar erholen. Zwar sind Zinssenkungsfantasie und ein fallender US-Dollar gerade für die Rohstoffmärkte gute Kaufargumente, die konjunkturbedingten chinesischen Nachfragesorgen dominieren den Sektor jedoch bislang auch weiterhin.
Basisrohstoffe leiden unter Nachfragepessimismus
So rutschte Kupfer, als globaler Konjunkturindikator, von seinem Mitte Mai erreichten Allzeithoch bis Anfang August um gut 25 % ab. Von diesem Ausverkauf konnte sich das rote Metall bislang zwar erholen, von einer Trendwende kann jedoch noch keine Rede sein. Neben dem schwachen chinesischen Verbrauch ist dies auch auf steigende globale Lagerbestände sowie fondsseitige Gewinnmitnahmen zurückzuführen. Auch andere Industriemetalle, wie Zink und Blei, häufen sich derzeit in den Lagerhäusern der Londoner Metallbörse LME. Im Jahresvergleich sind deren kombinierte Bestände bereits um mehr als das Zehnfache angestiegen. Eisenerz notiert weiterhin nahe seiner Mitte August markierten 22-Monatstiefs. Das der Industriemetallsektor selbst an dem Tag ins Minus rutschte, als die chinesische Zentralbank in einem Versuch, die Wirtschaft wieder anzukurbeln, den einjährigen Leitzins senkte, zeigt das Ausmaß des herrschenden Nachfragepessimismus überdeutlich.
Erdöl als Kriegs- und Zinsgewinnler
Auch der Rohölpreis leidet unter der sinkenden Importnachfrage aus Fernost, China, der größte Importeur der Welt, bezog in der ersten Jahreshälfte etwa 3 % weniger Erdöl als im gleichen Zeitraum des Jahres 2023. Erschwerend hinzu kommt hier noch die möglicherweise bevorstehende Produktionsausweitung der OPEC+-Gruppe. Diese steht kurz vor der Entscheidung, ob sie die stillgelegte Produktion wieder ankurbeln soll – auf einem Markt, der die zusätzlichen Fässer nicht zu benötigen scheint. So sind die für die reisestarke Sommersaison typischen großen US-Rohölentnahmen nahezu abgeschlossen, und im Gegensatz zu einigen Berichten sind die jetzigen Lagerbestände nicht niedrig. Ganz im Gegenteil, rechnet man die vorratsaufblähenden Pandemiejahre aus den Durchschnittsberechnungen heraus, ergeben sich höhere Lagerbestände als es der offizielle Fünfjahresdurchschnitt anzeigt. Selbst wenn das Erdölkartell die geplanten Erhöhungen absagt, rechnet die Internationale Energieagentur (IEA) mit einem Überschuss von mehr als einer Million Barrel pro Tag im ersten Quartal des nächsten Jahres.
Angesichts dieses Umfelds nahm der Preisverfall bei Rohöl in den vergangenen zwei Wochen wieder an Fahrt auf und fiel am vergangenen Mittwoch mit 71,46 USD auf den niedrigsten Stand seit Anfang Februar (Sorte WTI). Im Moment stützen sowohl die klaren Worte von US-Notenbankchef Jerome Powell bezüglich der kommenden Zinssenkungsphase als auch die zunehmenden geopolitischen Spannungen die Ölpreise. So lieferten sich Israel und die libanesische Hisbollah-Miliz am Sonntag die heftigsten Gefechte seit Beginn des Gaza-Kriegs. Neue Ängste um Lieferengpässe aus der für die Ölproduktion wichtigen Region sowie das wachsende Risiko weiterer Vergeltungsschläge könnten die Ölpreise dennoch weiter nach oben treiben. Seit erreichen des genannten Tiefs legte der Preis der amerikanischen Sorte WTI bereits um mehr als sechs US-Dollar, oder knapp 8,6 %, zu.
US-Notenbank liefert Treibstoff
Auf ihrer Seite haben die Rohstoffoptimisten derzeit vor allem die US-Zentralbank, deren Vorsitzender Jerome Powell sich am vergangenen Freitag in seiner traditionellen Rede anlässlich des jährlichen Notenbanktreffens im amerikanischen Jackson Hole sehr klar zum bevorstehenden Zinskurs äußerte. Angesichts dessen, dass die Inflation in den USA unter Kontrolle gebracht worden zu sein scheint - und dies gelang, ohne eine Rezession oder einen starken Anstieg der Arbeitslosigkeit auszulösen - gab Powell deutliche Hinweise darauf, dass eine erste Zinssenkung im Zuge des nächsten Fed-Meetings am 18.09. unmittelbar bevorsteht. „Die Zeit für eine Anpassung ist gekommen“ sagte er, erwartbar ist ein vorsichtiger 25-Basispunkte-Schritt. Ein von manchen postulierter Start in doppelter Höhe wird an den Märkten derzeit nicht eingepreist, auch, da andere Fed-Mitglieder das kommende Vorgehens als „graduell“ und „methodisch“ beschreiben. Die Märkte reagierten sektorübergreifend auf diese Rede. So legten die Aktienindizes sowohl in den USA als auch hierzulande rasch um etwa 1 % zu, Anleiherenditen fielen und der US-Dollar schwächte sich auf ein 13-Monatstief ab (Dollar-Index DXY).
Gold bleibt in Rekordlaune
Der anfangs angesprochenen Schwäche des Basismetallsektors konnte sich vor allem der reine Edelmetallvertreter Gold sehr erfolgreich widersetzen. Vor allem befeuert durch die Erwartung eines neuen US-Zinssenkungszyklus zeigt sich das gelbe Metall schon seit längerem in Feierlaune. Seit Mitte August konnte sich Gold im Bereich von 2.500 USD einpendeln, in der Spitze lag das diesjährige Plus bei mehr als 22%. Zwar eher anekdotisch, aber dennoch erwähnenswert, ist, dass mit überschreiten der 2.500-Dollar-Marke am 16.08. der an den Börsen lieferbare 12,4-Kg-Standardbarren zum ersten Mal in der Geschichte mehr als 1 Million Dollar wert war. Der rekordverdächtige Anstieg des Goldpreises dürfte sich auch zukünftig weiter fortsetzen, zum einen natürlich, da sich die US-Notenbank auf einen neue geldpolitische Ära vorbereitet, zum anderen, weil westliche Anleger den Daten des World Gold Council zufolge ihren Käuferstreik aufgegeben und seit Juni wieder auf der Käuferseite zu finden sind, womit sie die nach wie vor herrschende Zentralbanknachfrage ergänzen.
Während China derzeit bei anderen Rohstoffen sehr zurückhaltend agiert, könnte sich das Land im Fall von Gold grundlegend anders verhalten. Dessen Goldkäufe beliefen sich im vergangenen Jahr zwar auf beachtliche 225 Tonnen, was gut 5 % der weltweiten Nachfrage entspricht. Jedoch macht diese Menge nur 5 % der gesamten chinesischen Reserven aus. Angesichts dessen, dass die Zentralbanken im globalen Durchschnitt etwa 16 % ihrer Reserven in Gold halten, schlummert hier noch erhebliches Kaufpotenzial. Darüber hinaus erfahren traditionelle Faktoren, wie niedrigere Realrenditen, wieder zunehmend Beachtung.
Abseits geldpolitischer Ereignisse findet Gold angesichts geopolitischer Unsicherheiten, vom Krieg in der Ukraine über den Konflikt im Nahen Osten bis hin zu den Unwägbarkeiten der nahenden US-Präsidentschaftswahl, zusätzliche Unterstützung. Zwar wird der Begriff vom „sicheren Hafen“ oftmals überstrapaziert, die zunehmende Attraktivität des gelben Metalls in spannungsreichen Zeiten ist jedoch nicht von der Hand zu weisen. Momentan vereint Gold das beste aus beiden Welten: zum einen funktioniert es als konservatives Krisenabsicherungs-Asset, zum anderen ist es als riskantes Zinswette nutzbar. Und da die Phase von Ende August bis Jahresultimo statistisch gesehen zu den besten Goldperioden zählt, haben die Bullen nun auch die Saisonalität auf ihrer Seite. UBS Global Wealth Management sieht den Preis des gelben Edelmetalls bis Mitte nächsten Jahres in Richtung 2.700 USD anziehen.