Erbschaft annehmen oder ausschlagen? Eine Erbschaft klingt oft verlockend, doch sie kann schnell zur finanziellen Belastung werden, insbesondere wenn neben dem Vermögen auch erhebliche Schulden vererbt werden. Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Böh dazu: „Die Ausschlagung hat die Wirkung, dass man seine Erbenstellung nachträglich verliert, denn in Deutschland wird man in der Sekunde des Todes automatisch Erbe.“
Wichtiger Tipp: Erben haben nur sechs Wochen Zeit, um zu entscheiden, ob sie die Erbschaft annehmen oder ausschlagen möchten. Wird diese Frist verpasst, gilt das Erbe automatisch als angenommen – inklusive aller Schulden. Das kann zu erheblichen finanziellen Verpflichtungen führen, die schnell den Wert des geerbten Vermögens übersteigen. In bestimmten Fällen, etwa wenn der Erblasser oder der Erbe im Ausland lebt, verlängert sich die Frist auf sechs Monate (§ 1944 BGB).
Die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten
Ein Beispiel verdeutlicht die Bedeutung dieser Frist: Herr Müller erfährt am 1. September vom Tod seines Onkels und davon, dass er als Erbe eingesetzt wurde. Es stellt sich jedoch heraus, dass der Nachlass nicht nur Vermögen, sondern auch erhebliche Schulden umfasst. Herr Müller hat bis zum 13. Oktober Zeit, um die Erbschaft abzulehnen. Verpasst er diese Frist, haftet er persönlich für die Schulden.
Falls er das Erbe annimmt, kann er Maßnahmen ergreifen, um sich vor finanziellen Überraschungen zu schützen. Dazu kann er entweder eine spezielle Verwaltung des Nachlasses oder ein Insolvenzverfahren für den Nachlass beantragen (§ 1975 BGB). Diese Schritte sorgen dafür, dass er nur mit dem geerbten Vermögen haftet und nicht mit seinem eigenen Geld. Damit bleibt das persönliche Vermögen unberührt, auch wenn der Nachlass überschuldet ist.
Pflichtteilsrecht garantiert festen Anteil am Erbe: Sichern Sie Ihr finanzielles Minimum!
Was passiert, wenn Angehörige im Testament übergangen wurden? Das Pflichtteilsrecht (§ 2303 BGB) garantiert bestimmten Angehörigen – wie Kindern, Ehepartnern oder Eltern – einen festen Anteil am Erbe, selbst wenn sie nicht im Testament bedacht wurden. Dieser Pflichtteil beträgt in der Regel die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, also den Anteil, den sie erhalten hätten, wenn kein Testament existieren würde.
Wichtiger Tipp: Pflichtteilsberechtigte haben drei Jahre Zeit, ihren Anteil einzufordern. Diese Frist beginnt zum Teil mit dem Erbfall oder am Ende des Jahres, in dem der Berechtigte vom Tod des Erblassers und seiner Enterbung erfährt (§§ 195, 199 Absatz 1 Nummer 1 BGB). Die Geltendmachung des Pflichtteils ist oft mit erheblichen finanziellen Forderungen verbunden, die den Nachlass stark belasten können.
Ein konkretes Beispiel: Frau Schmidt wurde im Testament ihres Vaters zugunsten ihres Bruders enterbt. Als leibliches Kind steht ihr dennoch ein Pflichtteil zu. Am 15. Mai 2024 erfährt sie vom Testament. Ihre Frist zur Geltendmachung des Pflichtteils läuft ab dem 31. Dezember 2024 und endet am 31. Dezember 2027.
Nachlassverzeichnis: Transparenz schützt Vermögen
Pflichtteilsberechtigte haben das Recht, ein Nachlassverzeichnis zu verlangen (§ 2314 BGB). Dieses Verzeichnis gibt ihnen Einblick in die Vermögenswerte und Schulden des Verstorbenen. Der Pflichtteilsberechtigte kann meist entscheiden, ob das Verzeichnis vom Erben selbst oder von einem Notar erstellt werden soll.
Was gehört ins Nachlassverzeichnis?
- Immobilien: Alle Häuser, Wohnungen oder Grundstücke des Verstorbenen.
- Bankkonten: Guthaben, Sparbücher, Wertpapiere und andere Finanzanlagen.
- Fahrzeuge: Autos, Motorräder, Boote etc.
- Persönliches Eigentum: Schmuck, Kunstwerke, Möbel und andere wertvolle Gegenstände.
- Schulden: Hypotheken, Darlehen, offene Rechnungen, Steuerschulden etc.
Wichtiger Tipp: Ein detailliertes Nachlassverzeichnis ist nicht nur ein wichtiges Mittel, um Transparenz zu schaffen, sondern auch, um das eigene finanzielle Risiko zu minimieren. Erben sollten das Verzeichnis so schnell wie möglich erstellen lassen, um rechtliche Auseinandersetzungen und mögliche finanzielle Verluste zu vermeiden. Ein unvollständiges oder verspätetes Verzeichnis kann dazu führen, dass der Pflichtteilsberechtigte vor Gericht zieht und sogar Ansprüche gegen den Erben selbst geltend macht.
Testamentsanfechtung: Eine Frist entscheidet über Ihr Vermögen
Wenn Zweifel an der Testierfähigkeit des Verstorbenen bestehen, kann das Testament angefochten werden. Die Anfechtung ist jedoch an eine Frist von nur einem Jahr gebunden (§ 2081 BGB). Die Anfechtung des Testaments ist oft der letzte Schritt, den ein Erbe unternimmt, wenn er das Testament für ungültig hält.
Wichtiger Tipp: Eine erfolgreiche Testamentsanfechtung kann die gesamte Erbfolge verändern und erhebliche finanzielle Auswirkungen haben. Daher ist es essenziell, rechtzeitig zu handeln, um eigene Ansprüche nicht zu verlieren. Der wirtschaftliche Schaden, der durch ein ungültiges Testament entstehen kann, ist oft enorm – sowohl für die Erben als auch für andere Anspruchsberechtigte.
Weitere Fristen und anwaltlicher Rat
Neben den bereits genannten Fristen gibt es im Erbrecht viele weitere wichtige Termine, wie zum Beispiel die Frist zur Anmeldung von Forderungen gegen den Nachlass. Da das Erbrecht sehr komplex ist und zahlreiche Regelungen beachtet werden müssen, ist es ratsam, frühzeitig anwaltlichen Rat einzuholen. Ein erfahrener Anwalt kann Ihnen dabei helfen, Ihre Rechte zu sichern, alle Fristen zuverlässig einzuhalten und mögliche rechtliche Fallstricke zu umgehen, sodass der gesamte Erbprozess reibungslos verläuft.
Auch die Beantragung eines Erbscheins (§ 2353 BGB) sollte nicht auf die lange Bank geschoben werden. Der Erbschein ist oft notwendig, um bei Banken oder Behörden auf das geerbte Vermögen zugreifen zu können. Eine verzögerte Beantragung kann den gesamten Erbprozess ins Stocken bringen und finanzielle Nachteile zur Folge haben, da der Zugriff auf Konten oder andere Vermögenswerte ohne den Erbschein häufig nicht möglich ist.