Politik

Frankreich: Regierungssuche ohne Ende - klebt Macron zu sehr an seiner Macht?

Die Bildung einer neuen Regierung in Frankreich gestaltet sich als äußerst schwierig. Präsident Macron sieht sich immer stärkeren Vorwürfen ausgesetzt. Hält er zu sehr an seiner Macht fest?
02.09.2024 07:49
Aktualisiert: 02.09.2024 08:09
Lesezeit: 2 min

Frankreich steckt in einer schwierigen Lage. Acht Wochen sind seit der Parlamentswahl vergangen, und trotz zahlreicher Sondierungsgespräche ist eine neue Regierung nicht in Sicht. Obwohl die Parteien ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit signalisiert haben, fehlt der Mut, über den eigenen Schatten zu springen. Der Druck auf Präsident Emmanuel Macron wächst stetig.

Koalitionen unüblich in Frankreich

Die komplizierte Regierungssuche in Frankreich hängt auch damit zusammen, dass die aktuelle Situation untypisch für das Land ist. In den letzten Jahrzehnten gab es fast immer eine klare Mehrheit für eines der politischen Lager, bedingt durch die einstige Stärke der Volksparteien und das Mehrheitswahlrecht.

Koalitionen gehören daher nicht zur politischen Tradition in Frankreich. Die Parteien, die oft gegeneinander arbeiten, tun sich schwer mit dem Gedanken, trotz unterschiedlicher Positionen zusammenzuarbeiten. Dennoch ist dies nötig, denn bei der Wahl hat kein Lager eine absolute Mehrheit erreicht.

"Illiberales Abdriften"

Besonders problematisch ist die Rolle der populistischen Linkspartei La France Insoumise (LFI). Sie ist Teil des Linksbündnisses Nouveau Front Populaire, das bei der Wahl vorne lag und seitdem auf seinem Anspruch auf Regierungsführung besteht. Doch die anderen Lager drohen, eine solche Regierung durch ein Misstrauensvotum zu stürzen – wegen LFI.

Deshalb hat Macron das Vorhaben der Linken klar abgelehnt. "Eine Schande", "ein illiberales Abdriften" und "eine Verweigerung der Demokratie" warf das Bündnis ihm daraufhin vor. Es fühlt sich um seinen Wahlsieg betrogen und vermutet, dass Macron seine Politik einfach fortsetzen möchte – ungeachtet des Wahlergebnisses.

Schiedsrichter oder Akteur?

Macron sieht sich hingegen als Garant der Stabilität der Institutionen. Eine Regierungschefin zu ernennen, die rasch gestürzt wird, lehnt er ab. Seine Sondierungsgespräche versteht er als Versuch, eine Lösung für die schwierige Situation zu finden, in der kein Lager wie bisher alleine regieren kann. Der Élysée betont immer wieder, Macron sei hier nur der Schiedsrichter.

Die Linke nimmt Macron jedoch eher als Akteur wahr, der versucht, selbst eine Koalition zu schmieden, statt diese Aufgabe einem Premierminister zu überlassen. LFI droht sogar mit einem Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten.

Expertenregierung als Option

Wie könnte es in Frankreich weitergehen? Die Konservativen weigern sich weiterhin, Teil einer Regierung zu sein. Macrons Mitte-Lager fehlen etwa 120 Sitze für eine absolute Mehrheit, dem Linksbündnis knapp 100. Marine Le Pens Rechtsnationale kommen für die anderen Lager nicht infrage.

Kommunisten, Sozialisten, Grüne und LFI beharren darauf, gemeinsam zu regieren. Doch bei den Sozialisten wächst der Druck, alleine mit Macron zu verhandeln und sich von LFI zu distanzieren. Macron könnte versuchen, die Grünen für eine Koalition mit der Mitte zu gewinnen oder auf eine Duldung durch die Konservativen zu setzen.

Sollten diese Optionen scheitern, blieben Macron zwei Möglichkeiten: eine Expertenregierung oder doch dem Premierminister die Aufgabe zu überlassen, Mehrheiten zu finden. Dafür bräuchte er allerdings eine äußerst beliebte und neutrale Person – fast genauso schwer zu finden wie eine Koalition in Frankreich.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deindustrialisierung: Ostdeutsche Betriebsräte fordern Ende von Habecks Energiewende - Industriestandort gefährdet
11.07.2025

Nach dem Verlust von über 100.000 Industriearbeitsplätzen richten ostdeutsche Betriebsräte einen dramatischen Appell an Kanzler Merz....

DWN
Technologie
Technologie Start-up ATMOS Space Cargo setzt neue Maßstäbe: Deutsche Logistik erobert den Weltraum
11.07.2025

Fracht ins Weltall zu bringen, ist eine Herausforderung. Eine noch größere ist es, sie wieder unversehrt zur Erde zurückzubringen....

DWN
Finanzen
Finanzen JP Morgan-CEO Jamie Dimon rechnet mit Europa ab: „Europa verliert“
11.07.2025

Jamie Dimon, CEO von JP Morgan und einer der mächtigsten Akteure der US-Wirtschaft, warnt europäische Politiker: Der Kontinent droht...

DWN
Immobilien
Immobilien Mietpreisbremse bleibt bestehen: Bundesjustizministerin Hubig kündigt Bußgeldregelung an
11.07.2025

Die Mietpreisbremse wird verlängert – doch ist das genug, um Mieter wirklich zu schützen? Während die Politik nachjustiert, plant das...

DWN
Politik
Politik Trump: Wir schicken Waffen, die NATO zahlt
11.07.2025

Erst Stopp, dann Freigabe: Trump entscheidet über Waffen für Kiew – und kündigt neue Schritte gegen Russland an. Bezahlen will er das...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Shitstorm im Joballtag: Hate Speech am Arbeitsplatz explodiert – was Unternehmen jetzt tun müssen
11.07.2025

Hassrede hat den Mittelstand erreicht – von Social Media bis ins Kundengespräch. Wo endet Meinungsfreiheit, wo beginnt...

DWN
Politik
Politik Milliardenschwere Steuerentlastungen für Unternehmen: Bundesrat macht Weg frei für Wachstumspaket
11.07.2025

Deutschland steht wirtschaftlich unter Druck. Das Wachstumspaket der Bundesregierung soll neue Investitionen anregen und Unternehmen...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell im Plus: Zwischen Zollstreit, Zinspolitik und charttechnischer Entscheidung
11.07.2025

Der Goldpreis schwankt – zwischen geopolitischer Unsicherheit, robuster US-Wirtschaft und charttechnischen Signalen. Anleger fragen sich:...