Superreiche Familien stehen einer neuen Studie zufolge in den kommenden Jahren vor weiteren kräftigen Vermögenszuwächsen. Bis 2030 dürften Familien mit eigener Vermögensverwaltungsgesellschaft (Family Office) 9,5 Billionen - 9.500 Milliarden - Dollar schwer sein. Bei einem gegenwärtigen Vermögen solcher ultrareicher Familien von schätzungsweise 5,5 Billionen Euro entspricht das einem Anstieg von 4 Billionen Dollar oder 73 Prozent. Diese Zahlen gehen aus einer Studie der Beratungsfirma Deloitte hervor, bei der 354 Family-Offices aus der ganzen Welt untersucht und befragt wurden.
Zum Vergleich: Die globale Hedgefonds-Branche kommt nach Angaben des Datenanbieters HFR derzeit auf ein kumuliertes Vermögen von grob 4,3 Billionen Dollar. Und der Boston Consulting Group zufolge ist das weltweit verwaltete Vermögen („Assets under Management“) letztes Jahr auf knapp 120 Billionen Dollar angewachsen – auf Deutschland entfallen 4,1 Billionen.
Die Reichen werden immer reicher und suchen Vermögensschutz
Die weltweite Zahl der Family-Offices wird gemäß Deloitte-Prognosen von gegenwärtig 8.030 auf 10.720 im Jahr 2030 klettern. Deren wachsende Popularität führen die Berater unter anderem auf den rasanten Anstieg des weltweiten Privatvermögens, die zunehmende Konzentration der Vermögen und die zahlreichen Verkäufe von Familienunternehmen an internationale Konkurrenten oder Investoren zurück.
„Die Family-Office-Branche wächst kometenhaft“, erklärte Deloitte-Expertin Rebecca Gooch. Ursächlich sei auch, dass mehr reiche Familien ihre Vermögensverwaltung professionalisieren wollen, um ihr Vermögen über viele Generationen hinweg zu schützen und zu vermehren. „Da Family-Offices genau zu diesem Zweck gegründet werden, hat ihre Zahl weltweit stark zugenommen.“ Entsprechend steige auch ihre wirtschaftliche Macht.
Bei der steigenden Anzahl der Family-Offices dürften neue Zweigstellen in Asien den prozentual größten Schub verbuchen, so die Deloitte-Berater. Dort steigt der Wohlstand aktuell am stärksten und entsprechend gibt es immer mehr Reiche, für die sie sich solche Strukturen in der Vermögensverwaltung lohnen. Dahinter folgt Nordamerika. Eine verhaltene Entwicklung zeichne sich für Europa ab, wo das schlechtere wirtschaftliche Klima Spuren hinterlasse.
Family-Offices investieren massiv in KI
Nach einem inflationsbereinigten Rückgang des globalen Vermögens um rund 3 Prozent im Jahr 2022, war letztes Jahr laut „UBS Global Wealth Report“ mit einem Plus von satten 8,4 Prozent wieder ein Jahr der starken realen Vermögenszuwächse. Das dürfte vor allem an der Erholung an den Aktienmärkten liegen, die Anfang 2024 sogar in eine regelrechte Euphorie überschwang. Außerdem ging die Inflation deutlich zurück.
Künstliche Intelligenz ist einer anderen UBS-Studie zufolge derzeit das beliebteste Anlagethema reicher Familien. In den nächsten zwei bis drei Jahren wollen über drei Viertel in den Bereich investieren, wie es in Umfrage der Schweizer Großbank bei über 300 Family Offices rund um den Globus hieß. Danach folgten Gesundheitstechnologie sowie Automation und Robotik. Diese Themen vereine eine gemeinsamen Nenner, erläutert UBS-Anlageexperte Maximilian Kunkel: „Die Welt hat einen Mangel an Arbeitskräften, und deshalb investieren die Unternehmen in diese disruptiven Bereiche.“
Eine Mehrheit (55 Prozent) der von Deloitte befragten Family-Offices will in Zukunft mehr Fokus auf die Diversifikation ihrer Vermögens in verschiedene Assetklassen und geografische Regionen legen.
Welchen Zweck erfüllt ein Family Office?
Family-Offices bestehen meistens aus einer kleinen Gruppe von Beratern, die sich um das Vermögen und die Anlagen, aber auch um Nachfolgeregelungen, Steuern und gemeinnützige Engagements kümmern. Der Erhalt und die Sicherung des Vermögens hat normalerweise Vorrang vor Rendite-Aspekten.
Interessanterweise sind viele Family Offices beziehungsweise die dahinter stehenden Unternehmer-Dynastien in der Gesellschaft kaum bekannt, obwohl sie dutzende Milliarden verwalten. Unter den reichsten Family-Offices Deutschlands kennt man etwa sicherlich die Quandt-Familie (BMW) und vielleicht auch die Wirtgen-Brüder (Baumaschinen-Konzern, 2017 an Deere verkauft). Aber wer hat schon Assoziationen zur „Koehler Group“ (fahrrad.de) oder könnte aus dem Stand heraus sagen, womit die Reimann-Familie groß wurde (Chemiefirma Reckitt Benckiser)? Viele der größten Family-Offices auf der Welt operieren unter dem Radar der Öffentlichkeit.
Ähnliche Dienstleistungen bieten indes auch Vermögensverwaltungsbanken wie die Schweizer UBS oder Julius Bär an. Bei großen Vermögen kann es sich aber lohnen, die Verwaltung von eigenen Mitarbeitern regeln zu lassen.
In Deutschland gibt es laut der Stiftung Familienunternehmen circa 400 Single-Family-Offices, also solche mit nur einem Kunden. Als grober Richtwert, ab wann sich eine solche Struktur lohnt, gilt ein Gesamtvermögen von mindestens 100 Millionen Euro. Multi-Familiy-Offices, die ihre Aktivitäten auf mehrere Familien bündeln, sollen teilweise bereits ab 20 bis 30 Millionen eine Option sein.
Die im Deloitte-Bericht berücksichtigten Family-Offices verwalten im Durchschnitt zwei Billionen Dollar. Die Betriebskosten für Family-Offices mit Vermögen von 250 bis 500 Millionen Dollar beziffert Deloitte auf jährlich durchschnittlich 2,1 Millionen Dollar, bei solchen mit Vermögen über fünf Milliarden Dollar auf rund 21 Millionen Dollar.