Unternehmen

Gebundenes Vermögen: Hunderte Unternehmen warten vorm Bundestag auf neue Rechtsform

Sinnbildlich steht die Aktion „Warteschlange“ für die Situation der Unternehmer im Land: Sie warten händeringend auf eine neue Rechtsform für gebundenes Vermögen, die praktikabel ist und dem unternehmerischen Bedarf entspricht. Dazu aufgerufen hat die Stiftung Verantwortungseigentum: „Wir verlegen unseren Arbeitsplatz für eine Stunde auf die Straße, damit die Politik den Ernst der Lage erkennt.“ Die Ampelkoalition hat trotz Versprechen bisher nicht geliefert.
10.09.2024 14:44
Aktualisiert: 01.01.2030 09:00
Lesezeit: 3 min
Gebundenes Vermögen: Hunderte Unternehmen warten vorm Bundestag auf neue Rechtsform
Justizminister Marco Buschmann im Plenum des Bundestages: Sein Ministerium will jetzt Eckpunkte eines möglichen Gesetzesentwurfes präsentieren. Es werden Differenzen werden erwartet. (Foto: dpa) Foto: Christoph Soeder

Unternehmer demonstrieren eher selten. Doch heute zieht es die Chefs kleiner und größerer Firmen zum Bundestag. Sie kämpfen für eine neue Gesetzes- bzw. Rechtsform für Verantwortungseigentum für Ihre Firmen, die Ihnen die Ampelkoalition versprochen, aber noch immer nicht vorgelegt hat: Mehr als 900 kleine und mittelständische Unternehmen in Deutschland fordern von der Bundesregierung die Schaffung einer Unternehmensform, die ein Wirtschaften jenseits von Profitinteressen erleichtern würde.

Ihr Anliegen: Gesellschaften „mit gebundenem Vermögen“ sollen Gewinne nicht an Ge­sell­schaf­te­r ausschütten. Stattdessen sollen erwirtschaftete Gewinne entweder wieder ins Unternehmen fließen oder gemeinnützig gespendet werden. Ein Entwurf von Rechtswissenschaftlern soll nun die Sache voranbringen.

Neuer Vorschlag für treuhänderisches Unternehmertum

Der Firmenbesitzer als Treuhänder, ein Unternehmensmodell mit gebundenem Vermögen – für ein solches Ziel hat eine Gruppe von Rechtswissenschaftlern einen Gesetzentwurf für eine „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“ (GmgV) erarbeitet. Die drei für das Thema zuständigen Berichterstatter der Ampelfraktionen, Esra Limbacher (SPD), Katharina Beck (Grüne) und Otto Fricke (FDP), hatten darum gebeten. Der 500 Seiten starke Entwurf soll heute veröffentlicht werden und liegt dem Handelsblatt vorab vor.

Darin heißt es, der Unternehmer solle das Unternehmen „zwar leiten und entwickeln, es aber nicht als persönliches Vermögen, sondern für die nächste Generation und für die Interessenträger des Unternehmens halten“. Die Rechtsform sei damit geeignet etwa für langfristig orientierte Start-ups, „die nicht, wie dies sonst üblich ist, auf den lukrativen Exit hin, sondern auf langfristiges Unternehmertum hin geplant werden“. Auch unternehmerische Nachfolgeprozesse würden erleichtert.

Elemente der Genossenschaft

Für die Idee eines treuhänderischen Unternehmertums macht sich seit einigen Jahren die Stiftung Verantwortungseigentum stark. Die Initiative plädiert für eine eigenständige Rechtsform und lieferte nach eigenen Angaben den Rechtswissenschaftlern um Professorin Anne Sanders von der Universität Bielefeld auch Argumente für den aktuellen Entwurf.

Bestehende Rechtsformen wie zum Beispiel Stiftungsmodelle sind demnach vor allem für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) oder Start-ups zu kompliziert und zu teuer.

Die Ampel hatte in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, eine neue Rechtsform mit gebundenem Vermögen zu schaffen. Das zuständige Bundesjustizministerium von Marco Buschmann (FDP) will dazu ein Eckpunktepapier vorstellen. Wie zu hören ist, wird hier allerdings eine GmbH-Variante geplant. Auch deswegen dürfte nun der neue Entwurf präsentiert werden – als „Diskussionsbeitrag“, wie es in der Vorbemerkung heißt.

Konkret nutzt der Entwurf unter anderem Elemente aus dem Genossenschaftsrecht. Unternehmensgewinne dürfen nicht an die Gesellschafter ausgeschüttet, das Vermögen der Gesellschaft darf nicht ausgezahlt werden. Die Eigentümer eines Unternehmens erhalten eine marktgerechte Vergütung für ihre Tätigkeit. Stimmrechte können nicht vererbt oder verkauft werden. Im Todesfall bekommen die Erben nur die geleistete Einlage ausbezahlt. Als Mindesteinlage werden 5000 Euro vorgesehen.

Auf diese Weise soll eine langfristige Unternehmensentwicklung erreicht werden. Das bedeutet aber nicht, dass es sich zwingend um ein gemeinwohlorientiertes oder gemeinnütziges Unternehmen handelt.

Kein extra Aufsichtsrat

Die Kontrolle darüber, dass die Vermögensbindung auch eingehalten wird, soll ein gemeinsamer Aufsichtsverband übernehmen. Das sei kostengünstiger und effizienter als ein interner Aufsichtsrat pro Unternehmen, erklärt die Stiftung Verantwortungseigentum. Auch dürfte das Unternehmen grenzüberschreitend nur in Rechtsformen mit vergleichbarer Vermögensbindung umgewandelt werden. Der Missbrauch als Steuersparmodell müsse ausgeschlossen sein.

SPD-Berichterstatter und -Mittelstandsbeauftragter Limbacher hält die Schaffung einer Gesellschaft mit gebundenem Vermögen für richtig – ob als eigenständige Rechtsform oder GmbH-Variante. „Was wir jetzt brauchen, ist eine zügige Umsetzung“, forderte er.

FDP-Berichterstatter Fricke plädierte dafür, die „bestmögliche Regelungsform“ zu finden. Darum sei er neben den bald zu erwartenden Eckpunkten aus dem Justizministerium dankbar für den aktuellen Vorschlag der Rechtswissenschaftler. Grünen-Politikerin Beck forderte, dass die neue Rechtsform bald eingeführt werde, „damit für Tausende mittelständische Unternehmen, die dringend eine weitere Option für die Regelung der Nachfolgefrage brauchen, das Warten ein Ende hat“.

Beispiele für ein treuhänderisches Ansinnen sind Konzerne wie Zeiss und Bosch. Weitere Informationen zur Aktion „Warteschlange“ und zum Eckpunktepapier des BMJ finden Sie hier.

Aus Sicht der Stiftung könnte das auch ein Beitrag zur Lösung des Nachfolgeproblems im Mittelstand sein. Denn tausende kleinere und größere Betriebe stehen vor der Herausforderung, dass die Gründer, ihre Nachfahren oder Erben die Geschäfte nicht selbst weiterführen können, sie jedoch auch nicht auf Gedeih und Verderb an externe Investoren veräußern wollen. Gäbe es die neue Gesellschaft mit gebundenem Vermögen, könnte man in solchen Fällen externe Geschäftsführer hereinholen, die allerdings nur beschränkten Zugriff auf das Betriebskapital hätten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

 

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

Mirell Bellmann

Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Fetter Profit in Sicht – oder frisst Trump Novo Nordisk auf?
30.05.2025

Novo Nordisk träumt von einer Gewinnverdopplung mit Abnehmspritzen – doch Billigkopien, Trump-Zölle und eine wacklige Pipeline könnten...

DWN
Panorama
Panorama Deutsche Urlauber auf Platz eins in Griechenland
30.05.2025

Sonne satt, blauer Himmel, Strand und Meer - deutsche Touristen lieben Griechenland. Für Hellas sind sie die größte und wichtigste...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Osttechnik unter Westregie: Wie Multicar im Hako-Verbund zur Hightech-Marke wurde
30.05.2025

Sie fegen, sie wischen, sie räumen: Die orangefarbenen Mini-Lkw von Multicar sind aus deutschen Kommunen kaum wegzudenken. Dass sie heute...

DWN
Politik
Politik Deutschland vor dem Absturz – Kann Merz die Wirtschaft noch retten?
30.05.2025

Die deutsche Wirtschaft taumelt – Investitionen versanden in Bürokratie, Fachkräfte fehlen, die Industrie verliert an Schlagkraft....

DWN
Finanzen
Finanzen 10.000 Euro investieren: Wie man mit Strategie ein stabiles Anlageportfolio aufbaut
30.05.2025

Wie lege ich 10.000 Euro sinnvoll an? Wir haben einige Finanzexperten befragt und diese sagen: Risiken streuen, Liquidität sichern, Trends...

DWN
Politik
Politik Steigende Beiträge und sinkende Nettoeinkommen: Was auf Arbeitnehmer zukommen könnte
30.05.2025

Die Rechnung für den deutschen Sozialstaat wird teurer – viel teurer. Während die neue Regierungskoalition noch ihre Pläne schmiedet,...

DWN
Politik
Politik Geheime Kriegsagenda: EU startet 150-Milliarden-Rüstungsfonds
30.05.2025

Ohne öffentliche Debatte, ohne Mitsprache des EU-Parlaments: Brüssel aktiviert im Eiltempo ein 150-Milliarden-Euro-Programm zur...

DWN
Finanzen
Finanzen Weltsparen-Studie: Sind Aktien bessere Wertanlagen als Immobilien?
30.05.2025

Lange Zeit galten Immobilien als eine sichere Kapitalanlage. Über viele Jahre hinweg bricht der Wert des Markts nicht ein, wiegt die...