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Wirtschaft: Selbstständige wählen AfD und wollen kein „weiter so“ - ein Warnzeichen für die Ampelpolitik

Lesezeit: 5 min
05.09.2024 16:32
Die Ergebnisse der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen sind auch eine Abrechnung mit der verfehlten Wirtschaftspolitik der Ampel-Koalition in Berlin. Viele Unternehmer und Selbstständige haben ihr Kreuz bei der AfD gemacht, denn der Mittelstand hat Angst vorm Abstieg. Erfahren Sie, wie groß die Existenzsorgen im Handwerk sind und was der Mittelstand in Zukunft erwartet. Die Zeit der Ignoranz ist vorbei.

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Selbst einer der Top-Manager dieses Landes, Eon-Chef Leonhard Birnbaum, spricht Klartext, wenn es um die Wirtschaftspolitik der Ampel geht. Der FAS sagte er auf die Frage, ob die hohen Werte für AfD und BSW im Osten die Energiewende gefährden: „Wenn man mit dem Wählerverhalten unzufrieden ist, sollte man sich überlegen, was man selbst anders machen muss. Extreme Parteien sind stark, wenn die Parteien der Mitte schwach sind. Bei den erwarteten Wahlergebnissen ist Ausgrenzung keine Lösung.“

Wahlergebnis: Was sagen Unternehmer vor Ort?

Fragt man den Unternehmer Harald Frank, welche Regierung Thüringen jetzt braucht, muss er nicht lange nachdenken. „AfD und CDU. Das ist eigentlich ein klarer Wählerwille, dass die das in die Hand nehmen sollten.“ Frank ist Verleger und Druckereibesitzer in Gera und hat dem MDR ein Interview gegeben. Er war früher Landesvorsitzender vom Verband der Familienunternehmer. Inzwischen engagiert er sich für die AfD und hat eine klare Idee, was eine Landesregierung anpacken müsste. Seiner Meinung nach gibt es „zu viele Ausgaben, zu viel Bürokratie, zu viele Beamte in der Verwaltung, auch pro Kopf verglichen mit anderen Bundesländern“.

Handwerkskammer: Hauptsache stabile Koalition

Für Stirnrunzeln sorgt das Wahlergebnis in Thüringen beim Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Erfurt, Thomas Malcherek. „Das ist sicherlich eine sehr verzwickte Situation, die anstehende Regierungsbildung. Ich kann da auch keine genauen Empfehlungen geben“, sagt Malcherek. Er erwarte lange Gespräche zwischen den Parteien bis Oktober, November hinein. Eine Präferenz für das eine oder andere Modell äußert Malcherek nicht, nur stabil soll es bitte sein.

Thüringer Verband der Wirtschaft gegen AfD-Regierung

Etwas deutlicher wird der Verband der Wirtschaft Thüringens. Geschäftsführer Matthias Kreft hält wenig von einer AfD-Regierung. Er sagt, das könne man der CDU nicht abverlangen, die ja dann nur Juniorpartner wäre. Es laufe auf Sondierungen zwischen CDU, BSW und Linken hinaus, sagt Kreft. Und die sollten schnell beginnen.

Wirtschaft: Denkzettel für die Ampelkoalition

Viele Vertreter des Handwerks haben die Wahlergebnisse in Sachsen und Thüringen als Warnzeichen an die Bundespolitik gewertet und von der Ampel Konsequenzen gefordert. Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), sagte: „Besonders der Zulauf zu den politischen Rändern zeigt die Verunsicherung und den großen Vertrauensverlust in deren bisherige Entscheidungen und das fehlende Zutrauen, dass sich unser Land in die richtige Richtung entwickelt.“

Auch für Familienunternehmer Alexander Jakschik und Vorsitzende des VDMA-Landesverbands Ost Alexander Jakschik, kommen „die Wahlergebnisse nicht überraschend“. „Sie sind ein deutliches Signal des Unmuts über die Ampel-Regierung. „Der Mittelstand braucht jetzt dringend bessere Standortbedingungen“.

Zum Ausgang der Landtagswahl äußerte sich auch der Präsident des Sächsischen Handwerkstages, Uwe Nostitz: „Dreiviertel aller Wahlberechtigten haben diesmal von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht. Ein guter Tag für die Demokratie.“ Das sächsische Handwerk erwarte, dass die künftig Regierenden im Freistaat alles daran setzten, um den Wirtschaftsstandort Sachsen zu stärken. „Die Belange der Menschen und des Freistaates sollten bei den Abgeordneten absolute Priorität haben. Wohlstand kommt aus der Wirtschaft – dieses Prinzip muss vor parteipolitischer Profilierung rangieren.“

Wirtschaft: Mittelstand in Sorge vorm Abstieg

Die Mittelständer spüren den Abstieg im Land und haben Sorge, ihren Betrieb oder Lebensstandard nicht halten zu können: Bauunternehmen haben zu kämpfen und mit ihnen die Ausbaugewerke. Lebensmittelhandwerker leiden darunter, dass die Kunden ihr Geld zusammenhalten. Steuern und Abgaben steigen und die Inflation zwingt viele Verbraucher zum Sparen. Gleichzeitig haben sich viele Unternehmen noch nicht von den Nachwirkungen der Corona-Lockdowns erholt. Es besteht kein Zweifel: Mittelständische Unternehmer und Selbstständige stehen vor großen Herausforderungen und fühlen sich von der Bundespolitik im Stich gelassen. Diese Unzufriedenheit spiegelt sich auch in den Wahlergebnissen wider: Überdurchschnittlich viele Selbstständige haben laut Forschungsgruppe Wahlen der AfD ihre Stimme gegeben: In Thüringen wählten 40 Prozent dieser Berufsgruppe die AfD, in Sachsen immerhin 30 Prozent.

Geschäftsklima im Handwerk

Verbraucher sparen beim Konsum, Unternehmen zögern mit Investitionen – wie wirkt sich die schwache Konjunktur aktuell auf die Handwerksbetriebe aus? In den von der DHZ untersuchten Umfragen zur Lage im Handwerk im Juni 2024 gaben 17 Prozent der Betriebe zu Protokoll, ihre aktuelle Lage sei schlecht. 40 Prozent beurteilten sie mit gut, 43 Prozent mit befriedigend. Damit stiegt das Stimmungsbarometer minimal gegenüber dem Frühjahr.

Mit Blick auf die Branchen geht es – von teilweise tiefem Niveau aus – im Bau- und im Kfz-Gewerbe nach oben, außerdem stagnieren die privaten Dienstleister. Die übrigen Branchen fallen zurück.

Betrachtet man die Umsatzentwicklung, wird aber deutlich, dass die Konjunkturrisiken weiter hoch bewertet werden müssen. Jeder vierte Teilnehmer berichtet von schwindenden Einnahmen im zweiten Quartal 2024. Das ist nicht nur ­saisonuntypisch, sondern verglichen mit dem langjährigen Mittelwert für ­diesen Zeitraum (19 Prozent) auch ernüchternd. Im ersten Quartal 2024 waren die nominalen Umsätze im deutschen Handwerk um 1,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr geschrumpft.

Auftragseingang für die Jahreszeit zu schwach

Quer über alle Branchen meldeten im Frühjahr 29 Prozent der Betriebe einen Rückgang bei den Bestellungen. Diese Quote markiert eine erhebliche Verschlechterung gegenüber dem Zehn-Jahres-Durchschnitt. Die Reichweite der Auftragsbestände bewegte sich mit 2,3 Monaten nur noch knapp darüber. Drei von zehn Befragten erachteten die Reserven als zu niedrig für die Jahreszeit.

Im Bauhauptgewerbe ist die Nachfrage gespalten. Vor allem im gewerblichen Tiefbau kommen noch Bestellungen herein. Auslöser sind Großprojekte, insbesondere im Bereich der Energieversorgung und im Schienenausbau. Dagegen herrscht im Wohnungsbau Tristesse bei allen Beteiligten.

Auch Heizungsbauer und Elektrotechniker registrierten im laufenden Jahr Umsatzeinbußen. Zwar haben die Branchen mit der Installation von PV-Anlagen, Batteriespeichern, Wallboxen oder Wärmepumpen wachstumsstarke Geschäftsfelder im Portfolio. Die fehlenden Neubauaufträge lassen sich aber nicht mehr durch das Sanierungsgeschäft kompensieren. Aus Sicht der Fachverbände herrscht seit Inkrafttreten des Gebäudeenergiegesetzes Verunsicherung. Die Frage nach der kommunalen Wärmeplanung oder der am besten geeignete Technologie treibt viele Heizungskäufer um.

KfZ-Branche: Nur müdes Interesse an E-Autos

Nach dem kompletten Wegfall der staatlichen Kaufprämien finden Elektroautos im laufenden Jahr weniger Abnehmer als 2023. Die Nachfrage nach neuen Verbrennern und Plug- in-Hybriden gleicht dies jedoch aus. Zudem läuft es am Gebrauchtwagenmarkt besser. Die Kfz-Werkstätten sind gut ausgelastet, auch weil der Kfz-Bestand älter wird.

Die handwerklichen Zulieferer durchlaufen eine Auftragsdelle. 2,2 Monate reichten die Bestellungen Ende Juni in die Zukunft; damit sinkt die Reichweite im Vorjahresvergleich um 0,2 Monate. Ursächlich ist die schwache Industriekonjunktur.

Stimmung im Handwerk eingetrübt

Die Stimmung unter Bäckern, Metzgern und Konditoren hat sich zuletzt deutlich eingetrübt. Nach der spürbaren Erholung im ersten Quartal 2024 wurden die Betriebe bitter enttäuscht. Mutmaßlich lassen sich die kräftige Teuerung im Einkauf und bei den Lohnkosten nicht mehr so einfach auf die Kunden überwälzen. Die privaten Dienstleister waren zuletzt nicht optimistischer als Ende März. Steigende Insolvenzzahlen und ein nicht mehr so aufnahmefähiger Arbeitsmarkt machen die Konsumenten vorsichtiger.

Diese düstere Stimmungslage spiegelt die ernste Gesamtlage der deutschen Wirtschaft wider. Dennoch haben die Wähler und Unternehmer nicht den Eindruck, dass die Bundesregierung, den Ernst der Lage erkannt hat – geschweige denn die Sorgen der (steuerzahlenden) Mittelschicht ernst nimmt. Einige Ampelpolitiker sind sogar der Meinung, in Deutschland werde zu viel gemeckert und die Leistungen der Bundespolitik werden schlechtgeredet.

 

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Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.


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