Politik

EU-Ministertreffen in Ungarn: Nur ein Drittel nimmt teil

Wie sollte man auf die Provokationen von Ungarns Premierminister Viktor Orban reagieren? Die EU-Mitgliedsstaaten sind sich uneins. Nach einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur werden an diesem Freitag und Samstag maximal 10 von 27 Finanzministern an dem EU-Ministertreffen in Budapest teilnehmen - darunter der ungarische Minister Mihaly Varga.
13.09.2024 14:37
Lesezeit: 2 min

Die offiziellen Begründungen für die Absage von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und vielen weiteren EU-Kollegen variieren. Doch Orbans Alleingänge spielen eine Rolle. Bei vorherigen EU-Ministertreffen in Belgien, Spanien und Schweden nahmen laut Veranstaltern mindestens 25 Länder mit Ministern teil.

Ungarns Finanzminister Varga äußerte zu Beginn des Treffens: Jedes Land könne selbst entscheiden, wer es vertrete. "Ich bin nicht enttäuscht." Die Länder seien hochrangig vertreten, sodass ein Boykott in dieser Hinsicht gescheitert sei. Zahlreiche Minister ließen sich in Budapest vertreten; für Deutschland nahm Finanzstaatssekretär Heiko Thoms am EU-Ministertreffen teil.

Reaktionen auf Orbans Provokationen

Seit Juli hat Ungarn die rotierende Ratspräsidentschaft der EU inne und organisiert damit auch informelle Ministertreffen. Doch kurz nach Beginn sorgte Orban für Aufsehen, als er ohne Abstimmung mit der EU eine Reise nach Moskau unternahm. Dort traf er Kremlchef Wladimir Putin und stellte dies als "Friedensmission" zur Lösung des Ukraine-Konflikts dar. Später reiste er noch nach China zu Xi Jinping und zum ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump. Kürzlich provozierte Ungarn erneut, als es damit drohte, aus Protest gegen die europäische Asylpolitik Flüchtlinge nach Brüssel zu bringen.

Diese Reisen sorgten für erheblichen Unmut in der EU, besonders weil der Kreml den Moskau-Besuch für Propagandazwecke nutzte und Orban die EU-Position zur Ukraine nicht klar vertrat.

Von der Leyen reagiert mit Boykott-Entscheidung

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen reagierte auf diese Alleingänge mit einem Boykott. Mitte Juli kündigte sie an, dass an künftigen informellen EU-Ministertreffen unter ungarischer Leitung keine Kommissare, sondern nur hochrangige Beamte teilnehmen werden. So blieb auch EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni dem EU-Ministertreffen in Budapest fern. Auch Kommissionsvize Valdis Dombrovskis reiste nicht an.

Diese Entscheidung fiel kurz vor der Abstimmung im Europäischen Parlament über eine mögliche zweite Amtszeit von der Leyens. Politische Fraktionen wie die Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen forderten sie wiederholt auf, härter gegen Ungarn vorzugehen. Auf deren Stimmen war sie für ihre Wiederwahl angewiesen.

Lindner: Muss in Berlin bleiben

Die EU-Mitgliedsländer sind gespalten, wie sie gegenüber Ungarn vorgehen sollen. Einige Staaten wie Litauen, Schweden und Dänemark beschlossen, vorübergehend keine Minister zu Treffen nach Ungarn zu schicken. Auch aus Finnland, Estland und Lettland sind daher keine Minister beim EU-Ministertreffen vertreten.

Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner bleibt dem Treffen fern. Er müsse aufgrund haushaltspolitischer Verpflichtungen in Berlin sein, erklärte er bereits vor einigen Wochen. Am Freitag findet die Schlussrunde der Haushaltswoche im Bundestag statt. Für Samstag stehen keine offiziellen Termine an.

Frankreich gab an, wegen der erwarteten Regierungsbildung werde das EU-Ministertreffen in Budapest nicht durch einen Minister vertreten. Weitere Mitgliedstaaten führten ebenfalls nationale Verpflichtungen an oder kritisierten, dass seriöse Gespräche mit so wenigen Ministern vor Ort nicht möglich seien.

Luxemburg: Mehr Dialog mit Ungarn nötig

Luxemburg geht einen anderen Weg. Finanzminister Gilles Roth ist beim Treffen in Budapest anwesend. Auch Luxemburgs Premierminister Luc Frieden forderte einen verstärkten Dialog mit Ungarn. Außenminister Xavier Bettel argumentierte im Juli, man müsse bei Treffen in Budapest offen miteinander sprechen. Auch Italien, Malta, Zypern und Belgien schickten ihre Minister zum EU-Ministertreffen.

Auch die Eurogruppe, in der sich die Finanzminister der Euro-Länder regelmäßig treffen, kam am Freitag in Budapest zusammen, wenn auch in reduzierter Form mit nur sieben Ministern. Irlands Präsident Pascal Donohoe leitete das Treffen, nicht die Ungarn. Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, folgte seiner Einladung und nahm ausschließlich an diesem Treffen teil. Auf die Frage, warum er das Treffen trotz der Boykotte abhielt, antwortete Donohoe, dass die Arbeit der Eurogruppe fortgesetzt werden müsse.

Ein informelles EU-Außenministertreffen war im Juli verschoben worden: Eigentlich hätte es unter der ungarischen Ratspräsidentschaft in Budapest stattfinden sollen, doch EU-Chefdiplomat Josep Borrell hielt dies aufgrund von Orbans Alleingängen für unangebracht und verlegte das Treffen nach Brüssel.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bundesbank: Deutsche Exportwirtschaft verliert deutlich an globaler Stärke
14.07.2025

Die deutsche Exportwirtschaft steht laut einer aktuellen Analyse der Bundesbank zunehmend unter Druck. Branchen wie Maschinenbau, Chemie...

DWN
Immobilien
Immobilien Gebäudeenergiegesetz: Milliardenprojekt für 1,4 Billionen Euro – hohe Belastung, unklare Wirkung, politisches Chaos
14.07.2025

Die kommende Gebäudesanierung in Deutschland kostet laut Studie rund 1,4 Billionen Euro. Ziel ist eine Reduktion der CO₂-Emissionen im...

DWN
Politik
Politik EU plant 18. Sanktionspaket gegen Russland: Ölpreisobergrenze im Visier
14.07.2025

Die EU verschärft den Druck auf Moskau – mit einer neuen Preisgrenze für russisches Öl. Doch wirkt die Maßnahme überhaupt? Und was...

DWN
Technologie
Technologie Datenschutzstreit um DeepSeek: Deutschland will China-KI aus App-Stores verbannen
14.07.2025

Die chinesische KI-App DeepSeek steht in Deutschland unter Druck. Wegen schwerwiegender Datenschutzbedenken fordert die...

DWN
Finanzen
Finanzen S&P 500 unter Druck – Sommerkrise nicht ausgeschlossen
14.07.2025

Donald Trump droht mit neuen Zöllen, Analysten warnen vor einer Sommerkrise – und die Prognosen für den S&P 500 könnten nicht...

DWN
Politik
Politik Wenn der Staat lahmt: Warum die Demokratie leidet
14.07.2025

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier warnt eindringlich vor den Folgen staatlicher Handlungsunfähigkeit. Ob kaputte Brücken,...

DWN
Politik
Politik Fluchtgrund Gewalt: Neue Angriffe in Syrien verstärken Ruf nach Schutz
14.07.2025

Trotz Versprechen auf nationale Einheit eskaliert in Syrien erneut die Gewalt. Im Süden des Landes kommt es zu schweren Zusammenstößen...

DWN
Finanzen
Finanzen Altersarmut nach 45 Beitragsjahren: Jeder Vierte bekommt weniger als 1300 Euro Rente
14.07.2025

Auch wer sein Leben lang gearbeitet hat, kann oft nicht von seiner Rente leben. Dabei gibt es enorme regionale Unterschiede und ein starkes...