Finanzen

Goldrausch in China: Wie die junge Generation die Goldnachfrage mit anheizt

In keinem anderen Teil der Welt ist Gold so präsent wie in China. Warum dort, warum nicht hier? Unsichere Zeiten gibt es weltweit - und nur die chinesische Jugend scheint vorauszudenken. Wir schauen genauer hin.
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19.10.2024 16:01
Aktualisiert: 01.01.2030 11:25
Lesezeit: 3 min
Goldrausch in China: Wie die junge Generation die Goldnachfrage mit anheizt
Goldschmuck aus 999er Gold ist bei chinesischen Hochzeiten traditionell ein unverzichtbares Geschenk für die Braut. (Foto: iStock.com, Terence-Chong)

In China ist die Nachfrage nach Gold in den letzten Jahren stark angestiegen. Laut Daten des World Gold Council (WGC), einer international anerkannten Umfrageorganisation, erreichte die Menge an Goldschmuck, -barren und -münzen, die von Januar bis März 2024 in China gekauft wurde, beeindruckende 294,6 Tonnen – ein Anstieg von 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Diese Käufe machen nun 37 Prozent der weltweiten Verbrauchernachfrage aus.

Alte chinesische Weisheit über die Geldanlage: „Antiquitäten in Zeiten des Wohlstands und Gold in Krisenzeiten“

Chinesen kaufen traditionell gerne Gold. Dieser Spruch reflektiert eine grundlegende Strategie der Vermögenssicherung. In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit neigen Chinesen dazu, ihr Kapital in Gold zu investieren, um den Wert ihres Vermögens zu schützen. Gold gilt in schwierigen Zeiten als sicherer Hafen und zieht vermehrt Investoren an, solange das Marktumfeld riskant bleibt.

Die chinesische Geschichte ist geprägt von zahlreichen Dynastienwechseln und bedeutenden Krisen. Allein im 20. Jahrhundert durchlebte China das Ende des Imperialismus, den Bürgerkrieg, den Zweiten Weltkrieg und das Scheitern der Planwirtschaft. Diese historischen Turbulenzen führten häufig zu Inflation und einem Vertrauensverlust in Papierwährungen sowie in die Regierung und moderne Finanzpolitiken. Über die Jahrtausende hinweg hat sich Gold im Reich der Mitte als zuverlässiger Vermögensschutz etabliert.

Angesichts des anhaltenden Rückgangs des Aktien- und Immobilienmarktes in China hat der drastische Anstieg des Goldkaufs das Vertrauen der Anleger in diese Edelmetall verstärkt. Viele betrachten den Kauf von Gold mittlerweile als Möglichkeit, ihren Wert zu sichern und sogar Gewinne zu erzielen. Gold als Sachgut bietet durch seine monetären Eigenschaften eine höhere Liquidität und Preistransparenz im Vergleich zu anderen Anlageformen.

Der hohe Stellenwert von 999er Goldschmuck – eine jahrtausendealte Tradition

In der chinesischen Tradition hat Gold einen besonders hohen Stellenwert. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Chinesen vor allem nur Goldbarren kaufen. Vielmehr kombinieren sie den Vermögensschutz mit der Schönheit und Stabilität dieses Edelmetalls. Besonders geschätzt werden Schmuckstücke aus 999er Gold, die traditionell ein Geschenk bei chinesischen Hochzeiten sind. Auf chinesischen Online-Plattformen stößt man häufig auf Kommentare und Fragen wie: „Warum sind so viele Schmuckstücke von westlichen Marken wie Cartier und Tiffany nur vergoldet? Wenn es um echtes Gold geht, setzen sie auf 18K-Gold statt auf 999er Gold. Das ist doch absurd!“ Selbst beim Schmuck legen viele Chinesen großen Wert auf die praktischen Eigenschaften von Gold als Geldanlage.

Deshalb gibt es in China zahlreiche Goldläden, die traditionell den poetischen Namen „Goldpavillon“ tragen. Hier findet man Schmuckstücke aus reinem Gold, die sowohl Brillanz als auch anspruchsvolle Handwerkskunst besitzen und meist mit der markanten Kennzeichnung „999 Gold“ versehen sind.

Wenn man in persönlichen Krisensituationen Bargeld benötigt, kann man seinen Goldring in einem Goldpavillon wiegen lassen und erhält das Geld entweder bar oder heutzutage per Online-Überweisung. Auch im Jahr 2024 ist dies eine alltägliche Praxis. Das Vertrauen in Gold als sichere Wertanlage bleibt ungebrochen und treibt die Goldgeschäfte weiter an. In keinem anderen Teil der Welt ist Gold so präsent und wird so alltäglich wie in China.

Interessant zu erwähnen ist noch: Da Gold auch als ästhetisches Gut geschätzt wird, können bei den Goldpavillons Schmuckstücke mit veralteten Designs gegen neue eingetauscht werden. Dazu wiegt das Geschäft die alten und neuen Schmuckstücke, berechnet den Preisunterschied und zieht eine geringe „Verarbeitungsgebühr“ ab (durchschnittlich etwa 5 Euro pro Gramm). So erhält man gegen eine entsprechende Zuzahlung ein neues Schmuckstück, oder, falls das neue Stück leichter ist, eine Gutschrift vom Laden.

Shenzhen: Chinas Goldmetropole im Rampenlicht

In Südchina befindet sich das renommierte Schmuckhandelszentrum Shuibei, ein Stadtteil der großen Metropole Shenzhen, die als die bedeutendste Goldstadt Chinas gilt. Shenzhen produziert 60 Prozent des Goldschmucks auf dem chinesischen Markt und weist ein beeindruckendes Exportvolumen von fast 7 Milliarden Hongkong-Dollar (etwa 840 Millionen Euro) auf. Mit über 500 Gold- und Schmuckherstellern und einem jährlichen Industrieoutput von über 50 Milliarden Yuan (6,5 Milliarden Euro) hat sich die Goldindustrie zu einer der wichtigsten Wirtschaftssektoren Shenzhen entwickelt.

Das bekannte „Shuibei International Jewellery Exchange Center“ erstreckt sich über drei Etagen mit einer Gesamtfläche von mehr als 10.000 Quadratmetern und ist der einflussreichste sowie umsatzstärkste Fachmarkt für Schmuck in China. Offizielle Daten zeigen, dass mehr als 100 Gold- und Schmuckunternehmen auf dem Shuibei-Goldmarkt konzentriert sind. Mehr als die Hälfte des Goldes auf dem inländischen Großhandelsmarkt wird hier im Großhandel verkauft. Besonders die junge Generation reist aus allen Teilen Chinas nach Shuibei, um Schmuck, insbesondere Goldschmuck, zu erwerben.

Chinesische Gen Z im Goldrausch: Die neue treibende Kraft des Goldmarkts

Traditionell galt der Hauptzweck des Goldkaufs als Geschenk oder Investition, was dazu führte, dass Gold überwiegend von Menschen mittleren Alters und älteren Generationen erworben wurde. In den letzten Jahren hat jedoch eine bemerkenswerte Verschiebung stattgefunden: Gold erfreut sich mittlerweile bei jungen Menschen immer größerer Beliebtheit.

Im Jahr 2023 sind die Altersgruppen von 25 bis 34 Jahren zur dominanten Kraft im Goldkonsum in China geworden. Ihr Anteil an den Goldkäufern ist von 16 Prozent auf 59 Prozent gestiegen. Die China Gold Association prognostiziert, dass die Generation Z, also Konsumenten unter 25 Jahren, künftig eine entscheidende Rolle im Goldmarkt spielen wird. Diese jüngere Generation zeigt besonderes Interesse an Schmuckstücken, die ihre Individualität und persönlichen Stil betonen.

„Junge Menschen kaufen Gold nicht nur zur Stressbewältigung, sondern auch, um ihrer Sehnsucht nach einem besseren Leben Ausdruck zu verleihen“, erklärt Wang Zhongwu, Professor für Philosophie und soziale Entwicklung an der Shandong-Universität.

Der Trend lässt sich leicht erklären: Die wirtschaftliche Unsicherheit und die schwache Konjunktur haben diese Generation verunsichert. Die Corona-Krise und die hohe Arbeitslosigkeit haben zu instabilen Einkommensverhältnissen geführt, wodurch die jungen Menschen begonnen haben, sich intensiver mit Geldanlage und Vermögensschutz auseinanderzusetzen. Um Wertverlust zu vermeiden, hat die chinesische Gen Z die traditionelle Goldanlagemethode neu entdeckt. Für viele junge Chinesen ist der Kauf von Gold direkt mit dem Geldsparen gleichzusetzen – ein Ansatz, der pragmatische rund weltoffener nicht sein könnte.

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

Wenfei Jia

                                                                            ***

Wenfei Jia arbeitet als Werkstudentin bei den Deutschen Wirtschaftsnachrichten. Sie besitzt einen Master-Abschluss in Germanistik und promoviert derzeit im Fach "Neuere deutsche Literatur" an der Humboldt-Universität zu Berlin.

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