Politik

UN-Reformplan verabschiedet – Russland sorgt für Eklat

Deutschland hat den Weg für ein neues UN-Abkommen zur Neugestaltung der internationalen Ordnung geebnet. Kanzler Scholz reiste nach New York, um die Annahme des Plans zu feiern – doch ein Land stellt sich quer.
23.09.2024 07:23
Lesezeit: 2 min
UN-Reformplan verabschiedet – Russland sorgt für Eklat
Die Delegierten, unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), nehmen am UN-Zukunftsgipfel vor Beginn der 79. Generaldebatte der UN-Vollversammlung teil (Foto: dpa). Foto: Michael Kappeler

Trotz eines von Russland verursachten Eklats wurde in New York ein unter deutscher Leitung ausgehandelter UN-Reformplan angenommen. Der Präsident der UN-Vollversammlung, Philemon Yang, erklärte den Zukunftspakt der Vereinten Nationen im Beisein von Kanzler Olaf Scholz gegen den Willen Moskaus und einiger anderer Staaten für verabschiedet. Russland lehnte den UN-Reformplan ab, der ursprünglich einstimmig verabschiedet werden sollte.

Gleich zu Beginn der Zeremonie hatte der stellvertretende russische Außenminister Sergej Werschinin das Wort ergriffen und eine Änderung des Textes gefordert. "Sollte unser Änderungsantrag nicht berücksichtigt werden, distanzieren wir uns vom Konsens zu diesem Dokument", warnte Werschinin. Er beklagte, dass Ländern, die mit dem Abkommen unzufrieden seien, keine weitere Verhandlungsmöglichkeit gegeben wurde.

143 Länder stellen sich gegen Russland

Nach der russischen Intervention stellte der Kongo einen Antrag auf Nichtbefassung. 143 Staaten stimmten anschließend dafür, den russischen Antrag abzulehnen und somit abzuwehren. Nur sechs Länder, darunter Belarus, Nicaragua, Nordkorea und Syrien, stellten sich auf die Seite Russlands. Schließlich wurde der UN-Reformplan unter großem Applaus angenommen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verzichtete in seiner Rede auf eine direkte Reaktion zum Eklat und hob stattdessen den erzielten Kompromiss hervor. "Der Zukunftspakt kann uns als Kompass dienen, der uns zu stärkerer Zusammenarbeit und Partnerschaft führt, statt zu mehr Konflikten und Spaltung."

Scholz: Der Pakt ist heute wichtiger denn je

Das Abkommen spiegelt laut Scholz den Willen wider, globale Herausforderungen wie Krieg, Klimawandel, Armut, Hunger sowie Gesundheitsbedrohungen oder Künstliche Intelligenz gemeinsam anzugehen. "In Zeiten enormer Spannungen und Unsicherheiten ist der Zukunftspakt wichtiger denn je", betonte der Kanzler.

UN-Generalsekretär António Guterres erklärte, der UN-Reformplan eröffne neue Chancen für Frieden und Sicherheit. Es sei ein wesentlicher Schritt, um die internationale Zusammenarbeit zu stärken und die Welt gerechter und integrativer zu machen.

Moskau hatte bereits vor dem Treffen für Spannungen gesorgt und damit gedroht, die Zeremonie zu stören. Die UN-Mitgliedsstaaten bereiteten sich auf eventuelle Störaktionen vor. Schon während der Verhandlungen zum Zukunftspakt war Russland als Störfaktor wahrgenommen worden, insbesondere wegen einer Vielzahl an Einsprüchen.

Dass Russland nun erneut den Konsens zum UN-Reformplan aufkündigte, verdeutlicht die tiefe Kluft. Das Abkommen sollte ein Zeichen gegen die Zersplitterung der internationalen Zusammenarbeit setzen, doch es fiel dem Problem selbst zum Opfer. Ein kleiner Erfolg wäre es gewesen, wenn alle 193 UN-Mitglieder trotz Differenzen ein Mindestmaß an Einigkeit gezeigt hätten. Dies könnte das Ansehen Russlands im Globalen Süden beeinträchtigen, der den UN-Reformplan mit überwältigender Mehrheit unterstützte.

Sicherheitsrat, Finanzsystem, Künstliche Intelligenz

Der mühsam verhandelte UN-Reformplan enthält unter anderem Absichtserklärungen zur Reform des UN-Sicherheitsrats und zur Anpassung des internationalen Finanzsystems zugunsten des Globalen Südens. Zudem soll ein Fundament für die globale Regulierung von Künstlicher Intelligenz gelegt werden. Der Text richtet sich ebenfalls gegen ein Wettrüsten im Weltraum.

Obwohl einige Fortschritte erzielt wurden, blieb der finale Text laut Diplomaten hinter den ambitionierten Erwartungen von Guterres zurück. Die Annahme des Plans zieht kaum unmittelbare Handlungen nach sich. Einige Passagen könnten jedoch langfristig Reformen im internationalen Finanzsystem anstoßen, während andere Teile des Abkommens wahrscheinlich wenig Auswirkungen haben werden.

Die begrenzte Tragweite des Zukunftspakts zeigte sich auch darin, dass die einflussreichen Vetomächte USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich nur ihre Außenminister oder deren Stellvertreter entsandten. Dennoch sollten bis zum Abschluss des Gipfels mehr als 120 Staats- und Regierungschefs sprechen.

Für einen feierlichen Rahmen in der UN-Vollversammlung sorgte am Sonntagmorgen die fünffache Grammy-Gewinnerin Renée Fleming, die vor den Delegierten im großen Saal am East River in Manhattan sang.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Gewerbesteuereinbruch: Krise bei Mercedes und Porsche führt zu gewaltigen Steuerloch
16.07.2025

Massive Investitionen in E-Mobilität, Absatzflauten in China, geopolitische Risiken: Die Autoindustrie bricht ein – und mit ihr die...

DWN
Unternehmen
Unternehmen EU will mit neuer Abgabe große Unternehmen anzapfen: Auch 20.000 deutsche Firmen betroffen
16.07.2025

Brüssel greift nach den Kassen der Großkonzerne und damit indirekt in die Geldbörsen der Bürger. Eine neue EU-Umsatzabgabe ab 50...

DWN
Politik
Politik Rückkehr Wehrpflicht: Immer mehr Anträge auf Kriegsdienstverweigerung
16.07.2025

Die Sorge vor einer möglichen Rückkehr der Wehrpflicht sorgt in Deutschland für Aufruhr: Immer mehr Menschen wollen den Dienst an der...

DWN
Politik
Politik Anhebung Mindestlohn: Höherer Mindestlohn beschert dem Start Milliardeneinnahmen
16.07.2025

Viele Aufstocker verlieren bei einem höheren Mindestlohn einen Teil oder auch das gesamte Bürgergeld. Das spart dem Staat einige hundert...

DWN
Finanzen
Finanzen Aus für Steuerklärung wegen Fachkräftemangel? Gewerkschaft fordert die Abschaffung
16.07.2025

Kurz vor Ablauf der Abgabefrist für das Jahr 2024 hat die Deutsche Steuer-Gewerkschaft gefordert, die Steuererklärung für Arbeitnehmer...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft US-Inflation zieht stärker an – Zölle als möglicher Preistreiber
16.07.2025

Steigende Inflation, anhaltend hohe Zinsen – und ein Präsident, der die Lage verschärfen könnte: Die USA geraten unter...

DWN
Politik
Politik AI Act: Wo stehen wir über ein Jahr nach dem Beschluss des KI-Gesetzes?
16.07.2025

Mit dem AI Act schreibt Europa Geschichte: Die erste globale KI-Gesetzgebung verspricht Sicherheit, birgt aber auch Risiken. Wo Deutschland...

DWN
Politik
Politik US-Waffen: Trump soll Selenskyj gefragt haben: „Könnt ihr Moskau treffen?“
16.07.2025

Donald Trump soll Selenskyj gefragt haben, ob die Ukraine Moskau angreifen könne – mit US-Waffen. Droht eine neue Eskalation oder ist...