Zugegeben, die Sache mit dem Streckennetz der Lufthansa erscheint mitunter etwas irrational. In Berlin kann man ein Lied davon singen. Kein Mensch versteht, warum der Flughafen BER für das Lufthansa-Management bestenfalls die dritte Geige im deutschen Luftfahrt-Oarchester spielt. Früher ist die Lufthansa auch lieber nach Washington geflogen, statt die Hauptstadt mit New York zu verbinden. Man muss ja auch nicht alles verstehen, was saisonal im Flugplan steht.
Verständlich ist freilich, wenn Lufthansa im strammen Wettbewerb der No-frills-Ailines wie Ryanair, Wizzair und all den anderen Billig-Airlines mitunter die Contenance verliert. Wie soll man Qualität abliefern, wenn der Service nichts kosten darf und nun plötzlich (maßgeblich, auch aufgrund der Wirtschaftsschwäche) die Business-Class einbricht.
Billigflieger machen Stress: Ryanair und Co. setzen Lufthansa zu
Dass dies neuerdings entschieden mit dem Wettbewerb zwischen Deutschland und China zusammenhängt, hat sich längst herumgesprochen. Doch, wenn man dem Lufthansa-Management Glauben schenkt, geht es nicht nur um die Offensive bei den Elektroautos und billigen Temu-Glasperlen, mit denen das Reich der Mitte den europäischen Kontinent allmählich zu überfluten beginnt. Jetzt tritt scheinbar auch Chinas Luftfahrtbranche (als weiterer Wirtschaftsbereich) in verschärfte Konkurrenz mit den etablierten Airlines der westlichen Welt - und Lufthansa hat dabei gegen ChinaAir und sonstige Flugdrachen derzeit ganz schlechte Karten.
Lufthansa erwägt jedenfalls drastische Schritte an, sollte es keinen Halten mehr geben. Alle Direktflüge von Frankfurt nach Peking stehen vor dem Aus. Das hat Lufthansa-Boss Carsten Spohr intern auf einer Mitarbeiterveranstaltung angedeutet. Offiziell ist zwar noch nichts beschlossen. Doch die Entscheidung scheint unmittelbar bevor zu stehen. Ganz offiziell wird auf den Kalender verwiesen: Entschieden werde im Oktober, sagte ein Konzernsprecher.
Frankfurt-Peking wackelt: Lufthansa denkt über Streichungen nach
Insider sind sich freilich sicher, dass Spohr harte Kante zeigen will und den Fortbestand der Verbindung in Frage steht. Wer mit Lufthansa in die chinesische Hauptstadt will (bzw. von Peking in die europäische Bankenmetropole), soll künftig von München abfliegen bzw. dort in Bayern landen.
Wer direkt von Frankfurt fliegen möchte, kann ja mit Leichtigkeit auf AirChina ausweichen, die mittlerweile (mit 17 Verbindungen die Woche der Lufthansa) die Passagiere abspenstig gemacht hat. Deutschlands Flaggschiff hat lediglich noch eine Verbindung täglich im Flugplan stehen.
Auch British Airways hat ähnlich entschieden - und wird London und Peking ausdünnen. Im Lufthansa-Konzern hatte man sich gegen das harsche Vorgehen bislang stets hartnäckig gesträubt. Doch der Drops scheint gelutscht.
Chinas Airlines im Vorteil: AirChina nutzt kürzere Flugrouten
AirChina kann mit einem Vorteil aufwarten, den die Lufthansa nicht ausgleichen kann. Die Strecken gen Asien gehen über russisches Territorium. Und Lufthansa ist wegen der Sanktionen gegen Russland und des Ukraine-Krieges zu einem Umweg gezwungen. AirChina kann gefahrlos die kurze Route fliegen und nutzt das mit aller Marktmacht aus. Sie fliegen schneller und vor allem billiger. Die veraltete Airbus-A340-Flotte der Lufthansa ist auf dieser Stecke beim Kerosinverbrauch nicht mehr in der Lage, noch mitzuhalten.
So kommt es, dass die Airlines lange nicht wieder da sind, wo sie vor Corona ihre Segel streichen mussten. Während das USA-Geschäft wieder leidlich gut verläuft, droht das Asiengeschäft langfristig einzuknicken. Denn die Chancen für die chinesische Konkurrenz, bei den Verbindungen langfristig in der Vorderhand zu bleiben, dürften sich mit der Zeit verfestigen. Die Marktanteile in Asien sind in Gefahr!
Die Lufthansa versucht, krampfhaft entgegen zu steuern. Momentan geht das freilich wohl nur mittels größerer Sparanstrengungen – Flugstreichungen sind deshalb auch kein Tabu mehr. Selbst die Wiederaufnahme der Flüge von München nach Hongkong werden daher aufgeschoben.
Unklar ist, ob es wirklich vordringlich um das China-Geschäft geht, dass die Lufthanseaten so ärgert. Denn auch andere Hubs spielen gegen die teuren deutschen Airports ihre Trümpfe aus. So sind von Frankfurt auch die Starts nach Kuwait und Bahrain weggefallen. Der Konzern beklagt insgesamt einen „extrem ungleichen Wettbewerb“ in der Luftfahrt, für den auch die Politik Verantwortung trägt.
Wettbewerb unfair: Nicht-EU-Airlines profitieren von geringeren Kosten
Der Branchenverband BDL hat jüngst erst montiert, dass wegen gestiegener staatlicher Abgaben der Flugverkehr in Deutschland erst bei 82 Prozent des Vor-Corona-Niveaus liege, während im Rest Europas 102 Prozent erreicht hat.
Gesellschaften aus Nicht-EU-Staaten, also Airlines mit Drehkreuz in Istanbul oder am Golf und die flotten Flieger China profitieren, von ihren niedrigen Standortkosten, den nicht ansatzweise vergleichbaren sozialen Standards und überdies hohen staatlichen Investitionen in den Luftverkehr, klagt der Verband. „EU-Airlines hingegen sind zunehmend mit politischen Rahmenbedingungen konfrontiert, die ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit einseitig schwächen.“
Nicht nur AirChina, sondern auch China Eastern und China Southern konnten ihre Verbindungen so weit schneller auf Touren und Masse bringen, als die etablierten Carrier in Europa. Und dann geht es auch darum, was nur hinter vorgehaltener Hand ausgesprochen wird: Es kursiert das Gerücht, dass freie Sitzplätze mit vergünstigten Tickets in den Markt gedrückt werden, um der westlichen Konkurrenz auf den China-Routen ein echtes Schnippchen zu schlagen. Obwohl die Zahl der Linienflüge zwischen Deutschland und China durch ein Verkehrsabkommen eigentlich gedeckelt sein müsste, ist derjenige im Vorteil, der die Spielräume aufgrund höherer Nachfrage konsequenter ausnutzen kann als die darbende und gegängelte heimische Konkurrenz. Die chinesischen Airlines drängen mithin genauso aggressiv auf den europäischen Markt wie schon die Autohersteller.