Für Unternehmer, die sich in einer finanziellen Schieflage befinden, ist es eine zentrale Frage: Was darf ich trotz Insolvenz für mich behalten? Hier kommt das sogenannte Schonvermögen ins Spiel – eine Art Sicherheitsnetz, das verhindern soll, dass der Staat oder die Gläubiger alles an sich reißen. Das Schonvermögen definiert, was auch in der Krise unangetastet bleibt. Doch wie genau funktioniert das Ganze für Unternehmer, und wo liegen die Fallstricke? Diese Fragen beantwortet Salomon Negusse, Geschäftsführer von SMG Negusse Finance, externer CFO, den DWN.
Was ist Schonvermögen?
Schonvermögen bedeutet, dass bestimmte Vermögenswerte und Einkünfte in einer Privatinsolvenz nicht angetastet werden dürfen. Das Ziel: den Schuldner – also auch Unternehmer – davor zu bewahren, komplett mittellos dazustehen. Existenzminimum, Arbeitsmittel oder ein gewisser Teil des Einkommens bleiben außen vor, damit man trotz Insolvenz weitermachen kann. Aber wie verhält es sich bei Unternehmern, die häufig über mehr als nur ein einfaches Einkommen verfügen?
Wenn Privatinsolvenz auf Unternehmertum trifft
Unternehmer, die in die Privatinsolvenz schlittern, dürfen nicht einfach davon ausgehen, dass ihre privaten Rücklagen vollkommen unantastbar bleiben. Auch hier gelten dieselben Spielregeln wie bei jedem anderen:
Ein Teil des Einkommens bleibt geschützt – das nennt sich die Pfändungsfreigrenze. Solange man nicht über diese Grenze verdient, bleibt das Einkommen unangetastet.
Gegenstände des persönlichen Gebrauchs und des Haushalts, seien es Haushaltsgegenstände oder das Auto für den täglichen Weg zur Arbeit, sind ebenfalls geschützt.
Mittel für einen bescheidenen Lebensunterhalt bedeutet Geld, das für die Grundbedürfnisse wie Lebensmittel, Miete und Nebenkosten verwendet wird. Dazu zählen auch Ausgaben für Transport, Kleidung und Gesundheitskosten, um ein einfaches, aber angemessenes Leben zu führen.
Arbeitsmittel, also Werkzeuge, Laptops oder spezielle Ausrüstung, die zur Ausübung des Berufs benötigt werden, sind ebenfalls Teil des Schonvermögens.
Hier wird es für Unternehmer interessant: Was genau fällt in den Bereich „berufliche Ausrüstung“? Kann das gesamte Büro oder der Firmenwagen als Schonvermögen deklariert werden? Die Antwort: Es kommt darauf an, was wirklich „notwendig“ ist. Der Unternehmer sollte daher genau abwägen, was er glaubhaft als existenziell für seinen Beruf ausweisen kann.
Die Wohlverhaltensphase – Wer sich gut benimmt, darf mehr behalten
In der Wohlverhaltensphase der Privatinsolvenz gibt es eine Regel, die Unternehmer aufatmen lässt: Nur der pfändbare Teil des Einkommens fließt an den Treuhänder, der unpfändbare Anteil, das sogenannte Schonvermögen, bleibt beim Schuldner. Damit lässt sich zumindest der Lebensunterhalt sichern. Doch diese Phase ist nicht einfach eine Schonfrist. Unternehmer müssen aktiv bleiben: Eine zumutbare Arbeit annehmen oder nachweisen, dass sie intensiv nach Arbeit suchen – oder bei selbstständigen Unternehmern, dass sie alles tun, um den Betrieb am Laufen zu halten.
Und das ist der Clou: Wer diese Regeln missachtet, riskiert die Restschuldbefreiung. Solange der Schuldner seinen Obliegenheiten nachkommt und nur über sein Schonvermögen verfügt, gefährdet er nicht die angestrebte Restschuldbefreiung. Verstöße gegen die Regeln zum Schonvermögen können zur Versagung der Restschuldbefreiung führen. Unternehmer sollten daher sicherstellen, dass sie auch in der Krise alles unternehmen, um ihr Geschäft wieder auf die Beine zu bringen. Wer sich Mühe gibt und kooperativ ist, hat nach der Wohlverhaltensphase die Chance, schuldenfrei neu durchzustarten.
Ein zentraler Punkt, der zu beachten ist, betrifft die Behandlung des Unternehmensvermögens. Im Gegensatz zu Privatinsolvenzen gibt es bei Unternehmensinsolvenzen kein Schonvermögen im klassischen Sinne. Das gesamte Vermögen des Unternehmens steht grundsätzlich zur Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung, was das Prinzip der Gläubigergleichbehandlung unterstreicht. Dies bedeutet, dass einzelne Gläubiger keinen Zugriff auf bestimmte Vermögensgegenstände des Unternehmens haben und ein „Wettlauf der Gläubiger“ verhindert wird, da alle Gläubiger gleichmäßig befriedigt werden sollen.
Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verliert der Unternehmer die Verfügungsgewalt über das Unternehmensvermögen, und der bestellte Insolvenzverwalter übernimmt die Kontrolle und entscheidet über die Verwertung des Vermögens. Es gibt jedoch Ausnahmen, wie das Schutzschirmverfahren, bei dem der Schuldner die Kontrolle über sein Unternehmen unter Aufsicht eines Sachwalters behält. Dies gilt für Unternehmen, die von Zahlungsunfähigkeit bedroht oder überschuldet sind, aber noch nicht zahlungsunfähig. In diesem Verfahren hat der Schuldner bis zu drei Monate Zeit, um einen Sanierungsplan zu erarbeiten.
Fazit: Während bei Privatinsolvenzen ein Schonvermögen existiert, um das Existenzminimum des Schuldners zu sichern, gibt es dieses Konzept bei Unternehmensinsolvenzen nicht. Das gesamte Unternehmensvermögen dient der Befriedigung der Gläubiger, wobei in bestimmten Verfahren wie dem Schutzschirmverfahren dem Unternehmer mehr Kontrolle über sein Vermögen zugestanden wird, um eine Sanierung zu ermöglichen. Wer die Regeln in der Wohlverhaltensphase einhält, hat gute Chancen auf eine schuldenfreie Zukunft.
Was ist mit Unternehmensvermögen? Gibt es da auch Schonvermögen?
Jetzt wird es knifflig: Im Gegensatz zum Privatvermögen gibt es in der Unternehmensinsolvenz kein klassisches Schonvermögen. Hier zählt jedes Asset, jede Maschine, jeder Euro, der im Unternehmen steckt, zur Insolvenzmasse und wird von einem Insolvenzverwalter verwertet. Alles, was verkauft werden kann, geht an die Gläubiger. Doch keine Sorge, es gibt Wege, das Unternehmen zu retten.
Unternehmer, die frühzeitig handeln, können auf Sonderverfahren wie das Schutzschirmverfahren setzen. Hier bleibt die Kontrolle über das Unternehmen in den Händen des Unternehmers – allerdings unter strenger Aufsicht eines Sachwalters. Das bietet Zeit und Spielraum, um einen Plan zur Sanierung des Unternehmens aufzustellen. Wenn dieser erfolgreich ist, bleibt das Unternehmen am Leben und es wird keine Insolvenzmasse verwertet.
Inwieweit kann Betriebsvermögen als Schonvermögen betrachtet werden?
Bei Unternehmensinsolvenzen wird Betriebsvermögen grundsätzlich nicht als Schonvermögen betrachtet. Das gesamte Betriebsvermögen steht zur Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens verliert der Schuldner die Befugnis, über sein Vermögen zu verfügen und dieses zu verwalten. Dies wird als Insolvenzbeschlag bezeichnet. Die Verfügungsgewalt über das Betriebsvermögen geht auf den Insolvenzverwalter über, dessen Aufgabe es ist, das verwertbare Schuldnervermögen (die Insolvenzmasse) gerecht unter den Gläubigern zu verteilen.
In bestimmten Fällen kann der Schuldner jedoch die Kontrolle über das Betriebsvermögen teilweise behalten. Im Eigenverwaltungsverfahren behält der Schuldner grundsätzlich die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen, wird aber von einem Sachwalter überwacht. Das Schutzschirmverfahren bietet dem Schuldner weitere Anreize, frühzeitig ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung zu beantragen und Sanierungsbemühungen anzustrengen.
Ein weiterer Aspekt, der berücksichtigt werden muss, sind steuerliche Fragen: Bei der Verwertung von Betriebsvermögen in der Insolvenz können Einkommensteuerschulden, die aus der Verwertung resultieren, als Masseverbindlichkeiten gelten. In manchen Fällen kann dies dazu führen, dass eine Verwertung wirtschaftlich nicht sinnvoll ist, da die entstehenden Steuerschulden höher sein können als der zur Insolvenzmasse fließende Erlös.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Betriebsvermögen in Unternehmensinsolvenzen grundsätzlich nicht als Schonvermögen betrachtet wird. Es dient vielmehr der Befriedigung der Gläubiger, wobei in bestimmten Verfahren wie der Eigenverwaltung dem Schuldner mehr Kontrolle zugestanden wird, um eine mögliche Sanierung zu erleichtern.
Beispiel Max Müller: Wie ein Unternehmer trotz Insolvenz clever sein Vermögen rettete
Das Ganze wird besser mit folgendem Beispiel verständlich: Herr Müller ist ein erfolgreicher Unternehmer mit einer kleinen Maschinenbau-Firma. Die Geschäfte laufen gut, bis er durch einen unvorhersehbaren Großauftrag in finanzielle Schwierigkeiten gerät. Seine Maschinen stehen still, die Löhne seiner Mitarbeiter können nicht mehr gezahlt werden, und die Gläubiger klopfen an die Tür. Müller sieht sich gezwungen, Privatinsolvenz anzumelden. Doch was nun? Was kann er von seinem Vermögen retten?
Müller besitzt neben seinem Betrieb auch ein kleines Haus, fährt einen teuren Firmenwagen und hat mehrere Maschinen, die sein Unternehmen am Laufen halten. In der Insolvenz steht der Betrieb auf dem Spiel, aber Müller will nicht alles verlieren. Und hier tritt das Schonvermögen in Aktion.
Der Insolvenzverwalter prüft zunächst seine persönlichen Vermögenswerte. Sein Auto? Nur unpfändbar, wenn es nachweislich als Werkzeug für den täglichen Betrieb benötigt wird – und das kann Müller glaubhaft machen. Eine Luxuslimousine wäre wohl verloren gewesen, aber sein Auto, das für den Kundenkontakt und die Materialbeschaffung notwendig ist, bleibt ihm erhalten.
Noch spannender wird es bei seinem Büro. Müller arbeitet von zu Hause aus, und sein Laptop sowie seine Maschinen sind essentiell für den Betrieb. Diese kann er ebenfalls als notwendige Arbeitsmittel deklarieren, was bedeutet, dass sie nicht in die Insolvenzmasse einfließen.
Doch Müller hat eine noch cleverere Strategie: Er beantragt das Schutzschirmverfahren, um mehr Zeit zu gewinnen und das Unternehmen zu retten. Mit Hilfe eines Sachwalters behält er die Kontrolle über sein Unternehmen, obwohl es in der Insolvenz steckt. In den drei Monaten erarbeitet er einen Sanierungsplan, um seine Firma wieder profitabel zu machen.
Das entscheidende Element? Müller hat früh genug gehandelt und nicht versucht, in letzter Minute sein Vermögen in Sicherheit zu bringen. Hätte er etwa sein Haus auf seine Frau überschrieben oder große Summen an einen Bekannten überwiesen, wären diese Transaktionen rückwirkend angefochten worden – und Müller hätte nicht nur sein Vermögen, sondern auch seine Chance auf einen Neustart verloren.
Am Ende der Wohlverhaltensphase steht Müller zwar nicht mehr mit vollem Reichtum da, aber er hat sein Unternehmen und wichtige Vermögenswerte gerettet. Er kann durchatmen, den Gläubigern wurde Genüge getan.
Hier ist eine Tabelle, die das Beispiel von Müller und die wesentlichen Vermögensbereiche in einer Insolvenz aufzeigt:
Gemeinsam mit dem Ehepartner: Ein Drahtseilakt?
Eine Frage, die viele Unternehmer beschäftigt, ist, wie das Vermögen des Ehepartners in die Insolvenzberechnungen einfließt. Grundsätzlich gilt: Jeder Ehepartner haftet für seine eigenen Schulden. Doch es gibt Situationen, in denen das Vermögen des Ehepartners nicht komplett außen vor bleibt.
Gütergemeinschaft: Haben die Ehepartner eine Gütergemeinschaft vereinbart, werden die Vermögen beider Partner als gemeinschaftlich betrachtet. In diesem Fall kann auch auf das Vermögen des nicht-insolventen Partners zugegriffen werden. Wer also glaubt, er könne sein Vermögen im Vorfeld auf den Ehepartner übertragen, sollte vorsichtig sein.
Deckung des Lebensbedarfs: Zusätzlich haften beide Ehepartner gesamtschuldnerisch für Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs. Das bedeutet, dass Gläubiger auch beide Partner belangen können.
Unterhaltsverpflichtungen: Außerdem können die Unterhaltsverpflichtungen des nicht-insolventen Partners gegenüber dem insolventen Ehepartner bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens berücksichtigt werden.
Gemeinsame Konten: Noch brisanter wird es bei gemeinsamen Konten. Der Insolvenzverwalter kann auf das gesamte Guthaben zugreifen – egal, wer das Geld eingezahlt hat. Es muss eindeutig nachgewiesen werden, welcher Anteil wem gehört, um den eigenen Anteil zu retten.
Steuerliche Veranlagung: Bei einer gemeinsamen steuerlichen Veranlagung sind auch Steuererstattungen betroffen. Ohne einen Aufteilungsantrag geht die Erstattung vollständig in die Insolvenzmasse des insolventen Partners.
Miteigentum: Bei Miteigentum an einer Immobilie kann die Situation besonders kompliziert werden. Eine Teilungsversteigerung ist möglich, selbst wenn der nicht-insolvente Partner dagegen ist. Dies kann erhebliche finanzielle und emotionale Folgen mit sich bringen.
Zusammenfassend zeigt sich, dass das Vermögen des nicht-insolventen Ehepartners in verschiedenen Fällen indirekt betroffen sein kann, obwohl keine direkte Haftung für die Schulden des anderen besteht. Eine sorgfältige Prüfung der individuellen Umstände ist daher unerlässlich.
Clever, aber riskant: Vermögensverschiebungen vor der Insolvenz
Mancher Unternehmer denkt vielleicht daran, rechtzeitig vor einer Insolvenz das Vermögen in „sichere“ Bereiche zu verschieben – etwa auf den Ehepartner, Freunde oder in ein anderes Land. Doch Vorsicht: dies ist mit erheblichen rechtlichen Risiken verbunden.
Vermögensverschiebungen, die vor einem Insolvenzantrag vorgenommen werden, sind anfechtbar. Insbesondere Transaktionen, die in den letzten Monaten vor dem Antrag stattfinden, stehen im Visier des Insolvenzverwalters. Der Gesetzgeber betrachtet diese Praktiken als einen klaren Versuch, Gläubiger zu benachteiligen, was als Insolvenzverschleppung oder Gläubigerbegünstigung gewertet werden kann – beides zieht nicht nur zivilrechtliche, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich.
Geschäftsführer haben die Pflicht, bei Anzeichen einer finanziellen Schieflage umgehend zu handeln. Sie sind verpflichtet, innerhalb von drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen. Versäumnisse in diesem Zusammenhang können dazu führen, dass Geschäftsführer persönlich für Zahlungen haften, die nach Eintritt der Insolvenzreife geleistet wurden, was zu erheblichen finanziellen Belastungen führen kann.
Ein positiver Aspekt könnte jedoch eine bestehende Holdingstruktur sein. Wenn in diesem Rahmen regelmäßig Dividenden oder Teile des Gewinns der operativen Gesellschaft an die vermögensverwaltende Gesellschaft ausgeschüttet wurden, bleibt das dort befindliche Vermögen von der Insolvenzmasse unberührt.
Fazit: Es ist dringend davon abzuraten, Vermögenswerte vor einer möglichen Insolvenz zu verschieben. Stattdessen sollten Unternehmer bei finanziellen Schwierigkeiten frühzeitig professionelle Beratung in Anspruch nehmen, um legale Möglichkeiten zur Unternehmenssanierung oder geordneten Abwicklung zu prüfen.
Spielräume nutzen, aber aufpassen!
Auch wenn eine Insolvenz immer eine belastende Situation ist, bietet das Schonvermögen Unternehmern einen gewissen Schutz vor dem vollständigen Verlust ihrer Existenzgrundlage. Es lohnt sich jedoch, die Spielräume genau zu kennen und nicht auf unüberlegte Aktionen zu setzen. Wer rechtzeitig handelt und sich professionellen Rat holt, hat die Chance, das Steuer noch herumzureißen und nach der Insolvenz wieder durchzustarten – vielleicht sogar mit einem Neustart, bei dem die Fehler der Vergangenheit vermieden werden.
Wer also clever plant und sich an die Regeln hält, kann auch in der Insolvenzphase den ein oder anderen Trumpf in der Hand behalten.