Unternehmensporträt

Raketen-Start-up HyImpulse: Mit Kerzenwachs ins Weltall – ist das die Zukunft?

Das Unternehmen HyImpulse hat erfolgreich eine Kleinrakete mit Paraffin-Antrieb getestet. Der Vorteil: Der Brennstoff ist günstiger als Kerosin und Wasserstoff. Schon jetzt ist das Unternehmen weltweit führend in der neuartigen Technologie. Das nächste Ziel: das Weltall.
25.07.2025 16:45
Lesezeit: 3 min
Raketen-Start-up HyImpulse: Mit Kerzenwachs ins Weltall – ist das die Zukunft?
HyImpulse: Startrampe mit Rakete vor dem ersten Testflug (Foto: HyImpulse).

HyImpulse: Raketenantrieb mit Kerzenwachs erfolgreich getestet

Der Begriff „Fachkräftemangel“ hat Hochkonjunktur. Immer wieder ist von fehlendem Service-Personal in Restaurants oder Pflegenotstand in Seniorenheimen die Rede. Auch Christian Schmierer benötigt Fachkräfte, allerdings in einer Branche, in der qualifizierte Mitarbeiter nicht nur in Deutschland, sondern weltweit rar sind. Christian Schmierer ist Mitgründer des Raumfahrt-Unternehmens HyImpulse in Neuenstadt bei Heilbronn. Derzeit beschäftigt er 70 Mitarbeiter. In zwei Jahren sollen es mehr als doppelt so viele sein. Schon jetzt kommen seine Mitarbeiter aus allen Kontinenten der Erde, aus insgesamt 17 Ländern weltweit. Trotz aller Unkenrufe – „für internationale Mitarbeiter ist Deutschland immer noch sehr attraktiv“, sagt der Unternehmer. „Es fällt noch leicht, Mitarbeiter aus der ganzen Welt von Deutschland zu überzeugen.“

HyImpulse Unternehmen machte im Mai vergangenen Jahres Schlagzeilen, als es eine Rakete mit Kerzenwachs-Antrieb in der Wüste Australiens testete. Auf dem Raketentest-Gelände Koonibba hob die zwölf Meter lange Rakete SR75 ab. Wie geplant erreichte sie nur die Stratosphäre und noch nicht das Weltall.

Der Vorteil von Paraffin: Es ist günstiger und explodiert nicht

Was mehr fast nach einem Scherz klang, war nur eine Etappe in der Entwicklung eines neuartigen Antriebs. Herkömmliche Raketen verwenden entweder Flüssig- oder Festtreibstoff. „Unsere Rakete nutzt einen Hybrid-Raketenantrieb mit einem Fest- und einem Flüssigtreibstoff“ erklärt Christian Schmierer. Sauerstoff wird als flüssige Komponente genutzt. Paraffin, im Volksmund bekannt als Kerzenwachs, ist als Festbrennstoff bereits in der Brennkammer verbaut.“ Der Vorteil: Das Paraffin muss nicht erst in die Brennkammer befördert werden. „Alle Bauteile, die normalerweise benötigt werden, um lüssiges Kerosin oder Wasserstoff in die Brennkammer zu transportieren, können wir uns sparen“, so der Unternehmer. Dazu gehören Ventile, Leitungen, Tanks, Pumpen, Sensoren. Und: „Weil die chemische Zusammensetzung von Paraffin der des Kerosins entspricht, ist die Energie dieselbe – und damit auch die Leistungsfähigkeit des Antriebwerks.“ Paraffin wird momentan aus Erdöl gewonnen und soll in der Zukunft CO2-neutral bezogen werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass Paraffin leicht zu transportieren und nicht explosiv in der Mischung mit Sauerstoff ist. Das spart weitere Kosten beim Transport und bei der Sicherheit.

Als Christian Schmierer im Jahr 2006 mit einer Forschungsgruppe der Universität Stuttgart am Paraffin-Antrieb experimentierte, lag der Start der SR75 in Australien noch in weiter Zukunft. Warum sich die Studierenden für Paraffin entschieden, hatte zwei Gründe: „Zum einen suchten wir ein innovatives Thema für wissenschaftliche Master- und Doktorarbeiten“, so Christian Schmierer heute. „Zum anderen wollten wir den Antrieb ohne die Gefahr einer Explosion auf dem Uni-Gelände testen.“

„Wir sind weltweit führend auf diesem Gebiet“

Paraffin als Raketen-Treibstoff wurde Ende der 90er Jahre an der Universität Stanford in den USA erstmals getestet, jedoch nicht weiter vorangetrieben. „Heute sind wir weltweit führend auf diesem Gebiet“, sagt Christian Schmierer. Fördergelder des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt ermöglichten den ersten Start einer studentischen Weltrekord-Rakete im Jahr 2016. Hauptinvestor von HyImpulse ist die Holding des Unternehmers Rudolf F. Schwarz, die die Raumfahrttestfirma IABG betreibt. Rund 25 Millionen Euro hat HyImpulse bislang eingesammelt. Der European Investment Council hat weitere zehn Millionen Euro zugesagt.

Dennoch mangelt es Christian Schmierer in Deutschland an Verständnis und „Risikoappetit“ für derartige Vorhaben und infolgedessen an privaten Investments in die Raumfahrt. Ein Grund ist, dass Raumfahrt nicht in dem Maße in den Schlagzeilen präsent ist wie Künstliche Intelligenz oder Kryptowährung: „Deshalb ist Aufklärung von Investoren und Öffentlichkeit über diesen Markt wichtig“, meint Christian Schmierer. „Raumfahrt ist heutzutage nicht mehr nur staatlich wie vor 15 Jahren, sondern auch kommerziell – Tendenz steigend.“

Raketen-Startup HyImpulse: Aufträge in Höhe von 100 Millionen Euro

Für das kommende Jahr plant HyImpulse den Start einer weiteren suborbitalen Rakete. Im Jahr 2027 soll die orbitale Rakete folgen und mittelfristig bis zu 1000 Kilogramm Nutzlast in den niedrigen Erdorbit befördern können. Laut Prognose der Unternehmensberatung Euroconsult sollen in den nächsten zehn Jahren 28.700 Satelliten ins All geschossen werden. Schon jetzt stehen Aufträge in Höhe von 100 Millionen Euro in den Büchern von HyImpulse. Auf 700 Millionen Euro soll der Jahresumsatz bis 2032 steigen. „Wir werden zwei Dienstleistungen anbieten“, so Christian Schmierer. „Mit den suborbitalen Raketen können beispielsweise Mikro-Gravitationsexperimente in der Biomedizin in der Schwerelosigkeit durchgeführt werden.“ Die orbitalen Trägerraketen bringen Satelliten ins All. Dazu zählen Erdbeobachtungssatelliten, aber auch Satelliten für Kommunikation, Internet aus dem All, Telefon, B2B-Konnektivität.

Trotz aller Fortschritte in der europäischen Raumfahrt haben die USA nach Meinung von Christian Schmierer nach wie vor einen Vorsprung von 15 Jahren. „Wir sind in Europa momentan weit entfernt von einer vergleichbaren Rakete wie der SpaceX-Falcon 9 des Unternehmers Elon Musk.“ Dennoch ist er guter Hoffnung: „Wir haben das Know-How. Und in einigen Technologien sind wir sogar weiter als die USA, zum Beispiel in der Laser-Kommunikation oder eben bei Hybridrakten-Technik“, so Schmierer. „Unser Ziel muss sein, langsam aufzuholen. Das können wir.“

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Cristina Prinz ist freiberufliche Journalistin und Geschäftsführerin einer Agentur für Corporate Publishing. Sie schreibt Unternehmerportraits für die DWN. 

 

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