Finanzen

Eltern werden Pflegefälle: Wann müssen Kinder für die Pflegekosten aufkommen?

Die Verantwortung für die Pflegekosten von Eltern kann für viele Kinder unerwartet sein, besonders wenn sie nicht wissen, wann sie zahlen müssen. Die rechtlichen Regelungen sind jedoch klar und bieten sowohl Schutz als auch Verpflichtungen. Salomon Negusse, Geschäftsführer von SMG Negusse Finance, externer CFO und ehemaliger Mitarbeiter in der Versicherungsbranche, beleuchtet dieses Thema und gibt wertvolle Tipps, wie Familien sich auf die finanziellen Herausforderungen im Alter vorbereiten können.
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14.10.2024 11:03
Aktualisiert: 01.01.2030 11:11
Lesezeit: 5 min
Eltern werden Pflegefälle: Wann müssen Kinder für die Pflegekosten aufkommen?
Kinder müssen unter bestimmten Umständen finanziell für die Pflege ihrer Eltern aufkommen, was von den gesetzlichen Regelungen und den individuellen finanziellen Verhältnissen abhängt. (Foto: istockphoto / seb_ra) Foto: seb_ra

Die Pflegebedürftigkeit von Eltern ist ein Thema, das viele Familien vor unerwartete Herausforderungen stellt. Während die gesundheitlichen und emotionalen Aspekte oft im Vordergrund stehen, bleibt die Frage nach den finanziellen Verpflichtungen häufig unbeantwortet. Wie viel müssen Kinder tatsächlich für die Pflege ihrer Eltern aufkommen, und unter welchen Umständen tritt eine finanzielle Verantwortung ein? Um Licht in dieses komplexe Thema zu bringen, beleuchtet Salomon Negusse, Geschäftsführer von SMG Negusse Finance, externer CFO und ehemaliger Versicherungsprofi, die relevanten gesetzlichen Regelungen und bietet wertvolle Ratschläge, wie sich Familien optimal auf die finanziellen Anforderungen im Alter vorbereiten können.

Wann müssen Kinder für die Pflegekosten ihrer Eltern aufkommen?

Kinder sind nur dann verpflichtet, für die Pflegekosten ihrer Eltern zu zahlen, wenn ihr jährliches Bruttoeinkommen 100.000 Euro übersteigt. Diese Regel gilt seit dem 1. Januar 2020. Verdient ein Kind weniger, muss es keinen Cent für die Pflege beisteuern.

Damit Kinder tatsächlich zahlen müssen, müssen drei Bedingungen erfüllt sein:

  • Das Bruttoeinkommen des Kindes liegt über 100.000 Euro im Jahr.
  • Die Eltern können ihre Pflegekosten nicht aus eigener Tasche bezahlen, also weder durch ihre Rente noch durch Leistungen der Pflegeversicherung.
  • Das Sozialamt hat bereits für die Pflegekosten aufgekommen und fordert nun von den Kindern eine Rückzahlung.

Für die Berechnung, ob ein Kind für die Pflegekosten der Eltern zahlen muss, zählt nur dessen eigenes Einkommen. Das Einkommen des Ehepartners oder Schwiegerkindes bleibt unberücksichtigt. Verdient ein Kind weniger als 100.000 Euro brutto im Jahr, muss es nichts zahlen, egal wie viel Vermögen es hat.

Haben die Eltern mehrere Kinder, wird jedes Kind einzeln geprüft. Die Einkommen der Geschwister werden nicht zusammengerechnet. Verdient nur ein Kind mehr als 100.000 Euro, ist dieses allein verantwortlich. Dabei bekommt jedes unterhaltspflichtige Kind einen festen Betrag, den es behalten darf, bevor es zahlen muss.

Diese Regelungen sollen verhindern, dass Kinder durch die Pflegekosten ihrer Eltern finanziell überfordert werden. Wenn die Eltern nicht genug Geld haben, übernimmt meistens das Sozialamt die Pflegekosten.

Was hat das Angehörigen-Entlastungsgesetz geändert?

Das Angehörigen-Entlastungsgesetz, das am 1. Januar 2020 in Kraft trat, brachte große Erleichterungen für Familien. Die wichtigste Neuerung ist die 100.000-Euro-Einkommensgrenze. Kinder müssen nur dann für die Pflegekosten ihrer Eltern zahlen, wenn sie mehr als diese Summe verdienen. Diese Regel gilt auch für Eltern von erwachsenen Kindern mit Behinderungen, die Eingliederungshilfe erhalten.

Das Gesetz sieht außerdem vor, dass das Sozialamt nur dann Unterhaltszahlungen von Angehörigen fordern kann, wenn deren Einkommen über 100.000 Euro liegt. Dabei zählt nur das Einkommen, nicht das Vermögen. Eltern von erwachsenen Menschen mit Behinderungen müssen ebenfalls keinen Beitrag mehr zur Unterstützung ihrer Kinder leisten. Kinder von Eltern mit Behinderung, die Eingliederungshilfe erhalten, werden gar nicht mehr zu den Kosten herangezogen.

Eine Vermutungsregel besagt, dass in den meisten Fällen davon ausgegangen wird, dass die 100.000-Euro-Grenze nicht überschritten wird, sodass keine genaue Prüfung des Einkommens nötig ist. Wichtig ist auch, dass das Gesetz nicht rückwirkend gilt. Wer also schon vor 2020 für die Pflege der Eltern gezahlt hat, kann diese Zahlungen nicht zurückfordern.

Wie schützen Sie sich vor hohen Pflegekosten?

Es gibt mehrere Möglichkeiten, sich vor den hohen Kosten einer Pflege abzusichern. Eine beliebte Variante ist der Abschluss einer privaten Pflegezusatzversicherung. Diese Versicherungen bieten unterschiedliche Modelle:

  • Die Pflegetagegeldversicherung zahlt einen festen Betrag pro Tag, je nach Pflegegrad.
  • Die Pflegerentenversicherung bietet eine monatliche Rente im Pflegefall.
  • Die Pflegekostenversicherung übernimmt die tatsächlich angefallenen Pflegekosten.

Neben Versicherungen kann auch der langfristige Aufbau von Vermögen helfen, für den Pflegefall vorzusorgen. Wer eine schuldenfreie Immobilie besitzt, kann diese im Pflegefall vermieten oder verkaufen, um die Kosten zu decken. Eine frühzeitige Vorsorgevollmacht stellt sicher, dass eine vertraute Person im Ernstfall die Entscheidungen übernimmt.

Auch eine gesunde Lebensweise kann helfen, das Risiko einer Pflegebedürftigkeit zu verringern. Eine barrierefreie Wohnung kann es ermöglichen, zu Hause gepflegt zu werden und so hohe Heimkosten zu vermeiden. Pflege innerhalb der Familie ist in der Regel kostengünstiger als die Inanspruchnahme professioneller Pflegedienste. Außerdem kann man staatliche Förderungen, wie Zuschüsse für Umbauten, nutzen.

Was passiert, wenn die Eltern pflegebedürftig werden und mehrere Kinder haben?

Wenn die Eltern pflegebedürftig werden und mehrere Kinder vorhanden sind, wird jedes Kind einzeln geprüft. Die Einkommensgrenze von 100.000 Euro Jahresbruttoeinkommen gilt für jedes Kind separat. Die Einkommen der Geschwister werden nicht zusammengezählt. Solange kein Kind über dieser Grenze liegt, muss auch niemand zahlen.

Sollte allerdings ein Kind mehr als 100.000 Euro verdienen, ist dieses allein für den Elternunterhalt zuständig. Wenn mehrere Kinder über dieser Grenze liegen, wird der Betrag unter ihnen aufgeteilt. Falls einige Geschwister weniger verdienen, übernimmt das Sozialamt ihren Anteil.

Das Sozialamt prüft zunächst die finanzielle Lage der Eltern. Wenn die Eltern nicht genug Geld haben, springt das Sozialamt ein und übernimmt die Pflegekosten. Erst danach wird geschaut, ob die Kinder zur Zahlung herangezogen werden können. Diese Regelungen stellen sicher, dass kein Kind übermäßig belastet wird und die Pflege der Eltern in jedem Fall gesichert ist.

So funktioniert die Unterstützung bei Pflegebedarf der Eltern

Wenn die Eltern pflegebedürftig sind und die Kosten nicht selbst tragen können, läuft das Verfahren in mehreren Schritten ab. Zunächst stellen die pflegebedürftigen Eltern oder deren Bevollmächtigte einen Antrag auf „Hilfe zur Pflege“ beim zuständigen Sozialamt. Anschließend prüft das Sozialamt die finanzielle Situation der Eltern. Dabei werden das Einkommen, die Rente, Leistungen aus der Pflegeversicherung und das vorhandene Vermögen berücksichtigt. Reichen diese Mittel nicht aus, übernimmt das Sozialamt zunächst die Pflegekosten.

Danach prüft das Sozialamt, ob die Kinder verpflichtet sind, für den Unterhalt der Eltern aufzukommen. Grundsätzlich wird angenommen, dass das Einkommen der Kinder unter 100.000 Euro pro Jahr liegt. Liegt jedoch ein Verdacht vor, dass das Einkommen der Kinder höher ist, fordert das Sozialamt sie auf, ihre Einkommensverhältnisse offenzulegen. Sollte das Einkommen tatsächlich über 100.000 Euro liegen, berechnet das Sozialamt den Elternunterhalt gemäß den zivilrechtlichen Vorschriften.

Im nächsten Schritt erlässt das Sozialamt einen Bescheid über die Höhe des zu zahlenden Elternunterhalts und fordert die Kinder auf, diesen Betrag zu zahlen. Die Kinder haben das Recht, gegen den Bescheid Widerspruch einzulegen und die Berechnung überprüfen zu lassen.

Wichtig zu wissen ist, dass das Sozialamt die Pflegekosten zunächst übernimmt, um die Versorgung der Eltern sicherzustellen. Die Prüfung, ob und in welcher Höhe die Kinder zum Elternunterhalt beitragen müssen, erfolgt im Anschluss.

Beispiel: Familie Neumann

Familienkonstellation:

  • Eltern: Herr und Frau Neumann (75 Jahre, pflegebedürftig)
  • Kinder: Anna (42 Jahre, 90.000 Euro), Martin (39 Jahre, 110.000 Euro), Lisa (35 Jahre, 70.000 Euro)

1. Finanzielle Situation der Eltern

  • Rente: 2.000 Euro monatlich (24.000 Euro jährlich)
  • Pflegeversicherung: 1.500 Euro monatlich (18.000 Euro jährlich)
  • Gesamteinkommen: 42.000 Euro jährlich
  • Pflegekosten: 3.500 Euro monatlich (42.000 Euro jährlich)

Da die Eltern die Pflegekosten nicht selbst tragen können, beantragen sie „Hilfe zur Pflege“ beim Sozialamt.

2. Überprüfung der Kinder

  • Anna: 90.000 Euro (unter 100.000 Euro, muss nicht zahlen)
  • Martin: 110.000 Euro (über 100.000 Euro, muss zahlen)
  • Lisa: 70.000 Euro (unter 100.000 Euro, muss nicht zahlen)

3. Ergebnis

Martin ist allein verantwortlich für die jährlichen Pflegekosten von 42.000 Euro, die das Sozialamt zunächst übernimmt.

Fazit: Bruttoeinkommen der Kinder ist entscheidend

Die finanzielle Verantwortung für die Pflegekosten von Eltern trifft Kinder nur, wenn ihr Bruttoeinkommen über 100.000 Euro jährlich liegt und die Eltern nicht selbst zahlen können. Das Angehörigen-Entlastungsgesetz von 2020 bietet Schutz vor finanzieller Überforderung. Um sich vorzubereiten, sollten Familien frühzeitig Vorsorgemaßnahmen wie Pflegezusatzversicherungen und Vermögensplanung treffen. Ein rechtzeitiger Umgang mit dem Thema Pflege hilft, die Herausforderungen im Alter besser zu bewältigen.

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Iana Roth

                                                                            ***

Iana Roth ist Redakteurin bei den DWN und schreibt über Steuern, Recht und HR-Themen. Zuvor war sie als Personalsachbearbeiterin tätig. Davor arbeitete sie mehrere Jahre als Autorin für einen russischen Verlag, der Fachliteratur vor allem für Buchhalter und Juristen produziert.

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