Panorama

75 Jahre DDR-Gründung: Was bleibt von damals?

Vor 35 Jahren endete die DDR durch die friedliche Revolution – anders als die dramatischen Anfänge des SED-Regimes. Doch die Spuren der DDR-Gründung reichen weiter als nur bis zu ihrem Ende.
06.10.2024 14:51
Lesezeit: 3 min
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75 Jahre DDR-Gründung: Was bleibt von damals?
Eine DDR-Grenzsäule von der früheren innerdeutschen Grenze ist vor dem Museum "Grenzhus Schlagsdorf" zu sehen (Foto: dpa). Foto: Jens Büttner

Vor genau 35 Jahren fand die letzte offizielle Feier der DDR statt. An der Karl-Marx-Allee standen graue Männer und sahen Stahlhelme, Panzer und Raketenwerfer vorbeiziehen. Hinter ihnen leuchtete der Schriftzug "40 Jahre DDR" über Hammer und Zirkel, begleitet von Marschmusik. In der ersten Reihe: Erich Honecker und Michail Gorbatschow. Der Tag war der 7. Oktober 1989.

Zum 75. Jubiläum wird es keine Feier geben. Im Gegensatz zum 75. Jahrestag der Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Mai, wird die DDR-Gründung im Jahr 1949 ohne großes Aufsehen bleiben. Stattdessen wird an die friedliche Revolution vor 35 Jahren und den Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober erinnert. Anna Kaminsky, Leiterin der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, sagt dazu: "Warum sollte man die staatliche Gründung einer Diktatur feiern?" Dennoch betont sie, wie wichtig es ist, sich die historischen Hintergründe der DDR-Gründung zu vergegenwärtigen.

Die DDR-Gründung prägt bis heute

Die Gründung des zweiten deutschen Nachkriegsstaates besiegelte eine über 40 Jahre andauernde deutsche Teilung. Millionen Menschen tragen die Erfahrungen der DDR bis heute mit sich. Die DDR-Gründung beeinflusste die Sicht der Menschen auf die Sowjetunion, Russland, die USA und die NATO, was Ost- und Westdeutsche bis heute oft trennt.

"Natürlich wirkt die DDR nach – durch die Prägungen der Menschen, die Erwartungen an den Staat und an die Demokratie", erklärt Kaminsky. Rückblickend urteilen viele Menschen erstaunlich milde über die DDR. 2023 ergab eine Befragung von über 3500 Ostdeutschen, dass rund zwei Drittel eine "Sehnsucht nach der DDR" verspüren.

Die Gründung der DDR: Folge des Konflikts der Nachkriegszeit

Die DDR-Gründung am 7. Oktober 1949 war die Konsequenz der gescheiterten Zusammenarbeit der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs. Die Spannungen eskalierten 1948 durch die Einführung der D-Mark in den westlichen Besatzungszonen. Nachdem die Bundesrepublik im Mai 1949 gegründet wurde, folgte die DDR-Gründung nur wenige Monate später.

DDR-Ministerpräsident Otto Grotewohl kritisierte dies in seiner Regierungserklärung am 12. Oktober 1949: "Der Bonner Separatstaat ist die Vollendung der Spaltung Deutschlands." Angesichts der "Gefahr eines imperialistischen Krieges" sei eine starke Führung nötig gewesen, weshalb die DDR gegründet wurde.

War die deutsche Teilung unvermeidbar?

Es wurde oft diskutiert, ob die Teilung durch andere politische Entscheidungen hätte vermieden werden können. Der Historiker Wolfgang Benz analysierte bereits vor Jahren, dass die Teilung Deutschlands unvermeidbar war.

Auch Kaminsky stimmt zu: "Das war nicht zu verhindern. Die Sowjetunion wollte, dass ganz Deutschland unter ihren Bedingungen existiert – ohne Demokratie, freie Wahlen oder Freiheitsrechte." Bereits 1949 waren die politischen Systeme in Ost und West fest verankert. Für die Menschen in der DDR bedeutete das vier Jahrzehnte Diktatur.

Das DDR-Alltagsuniversum

Die DDR war ein Land, in dem 1953 Hunderttausende für mehr Freiheit demonstrierten und brutal niedergeschlagen wurden. Bis 1990 flohen etwa 3,8 Millionen Menschen aus der DDR, die sich mit einer Mauer abgeriegelt hatte. Mehr als 600.000 Menschen überwachten im Auftrag der Stasi die eigene Bevölkerung. Schätzungen zufolge saßen zeitweise bis zu 250.000 Menschen wegen politischer Gründe in Haft.

Aber die DDR war auch ein Land des Alltags. Hier gründeten Menschen Familien, arbeiteten, gingen zur Schule und verbrachten Zeit am Meer. Es war das Land der Jugendweihe, des Plattenbaus, von Pittiplatsch und dem Fernsehballett. Die DDR-Gründung erschuf ein eigenes Universum mit Waren, Gerüchen und Alltagskultur, das plötzlich verschwand.

Ein Blick zurück: Erinnerungen an die DDR-Gründung

Jährlich besuchen etwa eine halbe Million Menschen das Berliner DDR-Museum, das ein "DDR-Führer" Handbuch veröffentlicht hat. Nostalgie spielt dabei nur eine begrenzte Rolle. Stefan Wolle, der wissenschaftliche Leiter des Museums, betont: "Ostalgie fördern wir nicht." Einige Besucher zeigen nostalgische Gefühle, wenn sie bekannte Gegenstände sehen. Doch das Museum werde oft dafür kritisiert, dass es die DDR ironisch darstellt.

Wolle nimmt die nostalgische Verklärung der DDR nicht ernst. "Vor 30 oder 40 Jahren war alles schöner – klar, da war ich 40 Jahre jünger." Doch er fordert: Wer die DDR zurückhaben will, solle sich eine Woche in diesem System vorstellen: "Stellen Sie sich an für Brot, Fleisch oder ein Telefon, und ertragen Sie Parteiversammlungen und Stasi-Überwachung. Nach einer Woche würde es wieder eine Revolution geben."

Der 7. Oktober 1989: Protest statt Jubel

Wolle erzählt, dass er den Feierlichkeiten vom 7. Oktober 1989 fernblieb. Stattdessen protestierte er auf dem Alexanderplatz gegen die Fälschung der Kommunalwahlen vom 7. Mai. Tausende taten es ihm gleich. Zwei Tage später demonstrierten 70.000 Menschen in Leipzig – ein Schlüsselereignis der friedlichen Revolution. Der 35. Jahrestag wird deshalb gefeiert, und am 9. Oktober hält Bundeskanzler Olaf Scholz in Leipzig eine Rede.

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