Politik

Bürgergeld: Habeck will Langzeitarbeitslosen Arbeit bezahlen - mit 1.000 Euro Motivationsprämie zusätzlich

Ab Januar 2025 sollen Arbeitslose mit einer „Anschubfinanzierung“ von 1.000 Euro belohnt werden, wenn sie einen längerfristigen Job annehmen. Habeck verteidigt seine umstrittene „Arsch hoch“ – Prämie. Laut Bundeswirtschaftsministerium „spare der Staat mit der Prämie unter dem Strich Geld“. 1.000 Euro, weil man ein Jahr gearbeitet hat?
08.10.2024 21:07
Lesezeit: 3 min

Das Bundeswirtschaftsministerium plant eine Prämie für Bürgergeld-Empfänger, die es schaffen, ein Jahr lang zu arbeiten. 1000 Euro soll es dafür geben. Die Bundesregierung hat sich im Kabinett darauf verständigt. In einer Pressemitteilung teilt Bundesminister Habeck dazu mit: „Mit einer Anschubfinanzierung schaffen wir einen starken positiven Anreiz für Langzeitarbeitslose im Bürgergeld, eine Arbeit aufzunehmen und damit das Bürgergeld hinter sich zu lassen. Im ersten Jahr dürfen sie so nun deutlich mehr von ihrem Verdienst behalten. So bauen wir eine starke Brücke zurück in den Arbeitsmarkt.“

Doch dafür hagelt es Kritik – auch aus den Reihen der Ampel-Koalition selbst.

1000 Euro, weil man ein Jahr gearbeitet hat?

„Die Anschubfinanzierung war ein ausdrücklicher Wunsch von Robert Habeck“, kritisierte der sozialpolitische Sprecher der SPD, Martin Rosemann, am Sonntag in der Bild-Zeitung. „Als Fachpolitiker der SPD teilen wir die Bedenken, die das Arbeitsministerium immer vorgetragen hat.“ Rosemann will das Vorhaben im Bundestag stoppen. Zwar hätte die SPD das Instrument im Rahmen des Gesamtpakets zu Änderungen beim Bürgergeld (härtere Sanktionen, größere Zumutbarkeiten für Stütze-Empfänger) mitgetragen. „Wenn aber nun auch aus der Fraktion der Grünen Kritik vorgetragen wird und auch die FDP die Bedenken teilt, dann spricht wenig dafür, daran festzuhalten“, so Rosemann.

Das Bundeswirtschaftsministerium verteidigte indes das Vorhaben. Das Ministerium betonte, es gehe um reguläre, nicht geförderte Arbeitsverhältnisse. Gedacht sei die Finanzierung als Anreiz zur Suche nach einer existenzsichernden Beschäftigung. Zudem solle die Prämie ein Gegengewicht zu Verlusten staatlicher Leistungen bei Aufnahme einer Arbeit bilden. „Beschäftigungen mit niedrigeren Einkommen werden durch hohe Abzüge beim Bürgergeld, Kinderzuschlag und Wohngeld unattraktiv“, hieß es. Das Problem sei im Rahmen der geltenden Rechtsprechung nur schwer zu mindern. Mit der Prämie spare der Staat unter dem Strich Geld.

Neuer Streit in der Ampel

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte die Reform im Kabinett gegen den Willen von SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil durchgedrückt. Eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums begründete die Prämie wie folgt: „Wir setzen Arbeitsanreize, damit mehr Menschen arbeiten. Das ist gut für die Wirtschaft, denn die Menschen werden gebraucht.“ Damit droht ein neuer Streit in der Ampel-Koalition. Unter anderem hatte auch der Grünen-Sozialexperte Frank Bsirske die Prämie abgelehnt, genau wie mehrere FDP-Politiker.

Auch CSU-Generalsekretär Martin Huber hält gar nichts von der Idee: „Die 1000-Euro-Prämie ist blanker Hohn für diejenigen, die seit Jahren ihren Job machen. Die Ampel gefährdet den sozialen Frieden und gießt damit noch mehr Öl ins Feuer.“

Der grüne Sozialpolitiker Frank Bsirske lehnt das Vorhaben ebenfalls ab. „Ich halte die Prämie nicht für erforderlich. Die allermeisten Menschen im Bürgergeld nehmen sowieso einen Job an, wenn sie die Chance dazu haben“, sagte Bsirske der Bild. Der FDP-Haushaltspolitiker Frank Schäffler sagte der Zeitung: „Das Vorhaben ist ein Unding. Die Ausgaben explodieren ja jetzt schon. Die Prämie muss im Bundestag gestoppt werden.“

Habeck verteidigt umstrittene „Anschubprämie“

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat die auch in Reihen der Ampel umstrittene geplante „Anschubfinanzierung“ für Langzeitarbeitslose, die einen Job annehmen, verteidigt. Der Grünen-Politiker sprach in Berlin von einem sehr praktischen und pragmatischen Vorschlag. Davon profitierten Menschen, die in Arbeit gingen, die Sozialsysteme und die Volkswirtschaft.

Habeck sagte, es handle sich um einen Vorschlag aus der Arbeitswissenschaft, der erst in den Verhandlungen der Koalitionspartner und dann mit Kabinettsbeschluss gemeinsam für gut befunden worden sei. Koalitionäre sollten sich fragen, ob sie das Spiel mitmachen sollten, sich von gemeinsamen gefassten Beschlüssen immer dann zu verabschieden, wenn es eine kritische Nachfrage gebe.

Strengere Regeln für Bürgergeld-Empfänger

Das Kabinett hatte vergangene Woche Verschärfungen der Regeln für Bürgergeld-Empfängerinnen und -Empfänger beschlossen. Bei Ablehnung einer Arbeit müssen sie bald mit höheren Strafen rechnen. Teil der Regelungen ist auch die sogenannte Anschubfinanzierung. Langzeitarbeitslose, die mehr als zwölf Monate in einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit beschäftigt sind, sollen einmalig 1000 Euro erhalten können. Die Regelung soll zum 1. Januar 2025 in Kraft treten.

Mirell Bellmann

Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.

DWN
Politik
Politik Umfrage: Deutsche gegen militärische Führungsrolle in Europa
25.11.2025

Rente, Bürgergeld, Wehrdienst – bei solchen Themen ist die Stimmung der Bürger gut erforscht. Für die Außenpolitik gilt das hingegen...

DWN
Politik
Politik Lawrow zu Europa: "Ihr hattet eure Chancen, Leute"
25.11.2025

Haben sich die Ukraine und die USA geeinigt? Europa jedenfalls habe seine Chance verspielt, den Ukrainekonflikt politisch zu entschärfen,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Biotech-Unternehmen wandern aus: Europa verliert 13 Mrd. Euro an die USA
25.11.2025

Europas Biotech-Branche steht an einem Wendepunkt, weil zentrale Finanzierungsquellen immer seltener im eigenen Markt zu finden sind....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeitsmarkt 2030: Diese Fachkräfte werden in fünf Jahren gebraucht
25.11.2025

Automatisierung, KI und Klimawandel verändern den globalen Arbeitsmarkt rasant. Bis 2030 entstehen Millionen neuer Jobs, doch viele...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KI-Blase: Experten warnen vor wachsenden Risiken am Markt
25.11.2025

Die Finanzmärkte stehen unter spürbarer Spannung, während Anleger die Dynamik rund um künstliche Intelligenz bewerten. Doch weist die...

DWN
Finanzen
Finanzen Doppelbesteuerung Rente: Ob Sie betroffen sind und was Sie tun können!
25.11.2025

In Deutschland müssen auch Rentner ihre Rente versteuern, weil Renten als Einkünfte gewertet werden, obwohl Arbeitnehmer bereits im...

DWN
Politik
Politik Georgiens Krise: Welche Machtverschiebung Europa jetzt alarmieren sollte
25.11.2025

Ein Land am Schwarzen Meer verliert seine demokratischen Sicherungen, während die Regierung Kritiker verfolgt und neue Allianzen mit...

DWN
Politik
Politik Insa-Umfrage aktuell: AfD bleibt in Sonntagsfrage vor Union
25.11.2025

Die aktuelle Insa-Umfrage zeigt eine AfD auf Rekordkurs - und eine Union, die langsam näher rückt. Gleichzeitig bröckelt das Tabu-Image...