Politik

Arbeitslosigkeit: Präsenzpflicht soll wegfallen

Mal ein paar Tage wegfahren – das wird jetzt möglich. Bisher müssen Arbeitslose in der Regel vor Ort bleiben, um von der Bundesagentur für Arbeit in einen Job vermittelt werden zu können. Diese Verpflichtung soll jetzt wegfallen. So sieht es ein neuer Gesetzesentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vor. Insgesamt führt der zu Mehrausgaben. Bringt der geplante Wegfall persönlicher Anwesenheit eine schnellere Vermittlung in Arbeit?
04.07.2024 15:39
Aktualisiert: 04.07.2024 17:00
Lesezeit: 2 min

In Deutschland beziehen mehr als 900.000 Menschen Arbeitslosengeld I – und diese Personen sollen nun leichter in Jobs vermittelt werden können. So soll die Möglichkeit von Beratung und Vermittlung per Videoanruf erweitert werden.

Arbeitsvermittlung: Diese Regelung soll wegfallen

Das ist eine der Neuerungen eines Gesetzentwurfs von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), wie diese Woche in Berlin bekannt wurde. Wegfallen soll die Verpflichtung, ortsnah zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu stehen. „Für die Erreichbarkeit ist es künftig ausreichend, dass sich die Arbeitslosen im Bundesgebiet oder im grenznahen Ausland aufhalten und Mitteilungen und Vorschläge der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung werktäglich zur Kenntnis nehmen können“, so der Entwurf.

Bisher gilt: Für alle Erwerbslose im ALG I gilt die „Erreichbarkeitsanordnung“ (EAO). Danach hat jeder Erwerbslose sicherzustellen, dass der Leistungsträger (Arbeitsagentur) sie/ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift durch Briefpost erreichen und für den nächsten Werktag einladen kann. Eine unerlaubte Abwesenheit von Ihrem Wohnort kann zum Wegfall und zur Rückforderung Ihrer Leistungen beim Arbeitslosengeld II führen.

Wer Anspruch auf Arbeitslosengeld hat und die Voraussetzungen erfüllt, erhält bis zu einem bestimmten Höchstbetrag entweder 60 oder 67 Prozent des vorherigen Netto-Gehalts von der Arbeitsagentur – und das für bis zwei Jahre.

Ziel: Moderner und unbürokratischer

Die Arbeitsförderung soll mit dem Entwurf moderner, bürgerfreundlicher und unbürokratischer werden. Digitalisierung und Automatisierung sind die Mittel dazu.

Bereits bisher kann man sich bei der Bundesagentur für Arbeit online arbeitsuchend und arbeitslos melden. Unternehmen können online Förderleistungen oder Kurzarbeitergeld beantragen. „Diese Digitalisierungsschritte gilt es konsequent fortzusetzen“, heißt es in dem Referentenentwurf. Stärker erreicht werden sollen zudem junge Menschen und Personen mit ausländischen Berufsqualifikationen.

Weitere geplante Änderungen

Vereinfacht werden soll auch die Berechnung des Arbeitslosengeldes. Abzugsbeträge für eine Sozialversicherungspauschale, die Lohnsteuer und den Solidaritätszuschlag sollen früher berücksichtigt und Nachberechnungen vermieden werden.

Bestimmte Maßnahmen, die bisher jungen Menschen im Bürgergeld vorbehalten waren, sollen auf Arbeitslosengeld I – Bezieher ausgedehnt werden.

Außerdem sollen Jugendberufsagenturen gestärkt und die Förderung von Unterkunftskosten bei Berufsorientierungspraktika erhöht werden.

Mehrausgaben

Der Kostenpunkt für die Bundesagentur für Arbeit soll 2025 bei Mehrausgaben von rund 59 Millionen Euro liegen, die sich bis 2027 bis zu jährlich rund 161 Millionen und bis 2029 auf 197 Millionen Euro steigern sollen.

Positiv betrachtet, passen sich die neuen Regelungen an die Lebenswirklichkeit vieler Leistungsberechtigten an. Die Menschen sind heute wesentlich mobiler unterwegs. Die Kontakte und Erfahrungen, um einen neuen Job zu finden, können ohne Wohnort-Pflicht für einige sicher flexibler genutzt werden. Doch was machen die Menschen, die nicht so mobil und digital sind? In einem persönlichen Gespräch kann vieles direkt besprochen und von qualifizierten Mitarbeitern geklärt und umgesetzt werden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Mirell Bellmann

Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.

DWN
Politik
Politik Anhebung Mindestlohn: Höherer Mindestlohn beschert dem Start Milliardeneinnahmen
16.07.2025

Viele Aufstocker verlieren bei einem höheren Mindestlohn einen Teil oder auch das gesamte Bürgergeld. Das spart dem Staat einige hundert...

DWN
Finanzen
Finanzen Aus für Steuerklärung wegen Fachkräftemangel? Gewerkschaft fordert die Abschaffung für Arbeitnehmer und Rentner
16.07.2025

Kurz vor Ablauf der Abgabefrist für das Jahr 2024 hat die Deutsche Steuer-Gewerkschaft gefordert, die Steuererklärung für Arbeitnehmer...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft US-Inflation zieht stärker an – Zölle als möglicher Preistreiber
16.07.2025

Steigende Inflation, anhaltend hohe Zinsen – und ein Präsident, der die Lage verschärfen könnte: Die USA geraten unter...

DWN
Politik
Politik AI Act: Wo stehen wir über ein Jahr nach dem Beschluss des KI-Gesetzes?
16.07.2025

Mit dem AI Act schreibt Europa Geschichte: Die erste globale KI-Gesetzgebung verspricht Sicherheit, birgt aber auch Risiken. Wo Deutschland...

DWN
Politik
Politik US-Waffen: Trump soll Selenskyj gefragt haben: „Könnt ihr Moskau treffen?“
16.07.2025

Donald Trump soll Selenskyj gefragt haben, ob die Ukraine Moskau angreifen könne – mit US-Waffen. Droht eine neue Eskalation oder ist...

DWN
Politik
Politik 18. Sanktionspaket der EU gegen Russland gestoppt: Slowakei stimmt dagegen
16.07.2025

In der Europäischen Union ist das 18. Sanktionspaket gegen Russland am Widerstand der Slowakei gescheitert. Das mitteleuropäische Land...

DWN
Politik
Politik Immobilienverbot für Russland: Finnland verbietet Russen und Weißrussen den Immobilienkauf
16.07.2025

Helsinki verbietet Russen den Immobilienerwerb: Am 15. Juli trat in Finnland ein Gesetz in Kraft, welches russischen und weißrussischen...

DWN
Politik
Politik Kontrollstaat: digitale Identität mit Bürgerkonto wird Pflicht – Hacker kritisieren Überwachung
16.07.2025

Ende der Freiwilligkeit? Im Koalitionsvertrags setzen CDU, CSU und SPD auf eine verpflichtende digitale Identität der Bürger in der BRD....