Immobilien

Insolvenzrekorde bei großen Immobilienunternehmen

Bei der Krise im Immobilienmarkt ist kein Ende in Sicht. Seit zwei Jahren geht es steil bergab. Auch viele große Unternehmen der Branche haben dieses Jahr Insolvenz angemeldet, insgesamt 70 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum bis Ende September. Die Aussichten bleiben erst einmal trübe.
20.10.2024 08:24
Aktualisiert: 20.10.2024 09:00
Lesezeit: 3 min

Im ersten Halbjahr 2024 mussten fast 1700 Unternehmen aus dem Immobiliensektor in Deutschland Insolvenz anmelden. Dabei trifft es dieses Jahr nicht nur kleinere und mittlere Immobilienunternehmen, auch 46 Großunternehmen mit einem Umsatz über 10 Millionen Euro haben bis Ende September 2024 Insolvenz anmelden müssen.

Aktuell ist auch noch keine Trendwende in Sicht. Das Statistische Bundesamt meldete einen Rückgang bei den Auftragseingängen im Wohnungsbau von 6,3 Prozent bis Ende Juli 2024. Alleine im Juli betrug dieser sogar ganze 9,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Der Umsatzrückgang im Bauhauptgewerbe, der auch Projektentwickler trifft, betrug ganze 10,4 Prozent im Juli dieses Jahres im Vergleich zum Juli 2023.

Rahmenbedingungen für die Immobilienbranche extrem ungünstig

Nicht nur die Zinsanstiege, sondern auch der anhaltende Trend zum Homeoffice belastet die Branche. Wie ein Experte der Unternehmensberatung Falkenstein anführte, hätten auch viele Unternehmen in der Vergangenheit mit einer zu dünnen Eigenkapitaldecke und variablen Zinsen gearbeitet. Gleichzeitig hatte die Branche mit stark gestiegenen Baukosten zu kämpfen, was insgesamt zu großen Liquiditätsproblemen geführt hat.

Wie ein Immobilienunternehmer der Projektgesellschaft Wohnkompanie NRW bereits letztes Jahr in einem Interview mit der Wirtschaftswoche einschätzte, wird die Insolvenzwelle im Immobiliensektor auch noch weit bis ins kommende Jahr 2025 anhalten. Seiner Meinung nach wird eine deutliche Erholung erst ab September 2025 zu erwarten sein. Er geht davon aus, dass bis zu diesem Zeitpunkt rund 30 Prozent der noch im Jahr 2023 aktiven Projektentwickler dann aus dem Markt ausgeschieden sein werden.

Umfangreiche Deregulierungen für Erholung notwendig

Damit die Immobilienbranche sich erholen könne, bräuchte es nach Expertenmeinungen allerdings eine weitere Zinssenkung der EZB. Auch müsste die Grunderwerbssteuer auf 3 Prozent abgesenkt werden, die Mehrwertsteuer beim Wohnungsbau verringert werden und eine Sonderabschreibung für den Energieeffizienz-Neubaustandard EH 55 eingeführt werden, um ein investitionsfreundlicheres Klima zu schaffen.

Trotzdem sind auch diese Maßnahmen noch nicht ausreichend, da die Baukosten in Deutschland immer noch viel zu hoch sind. Experten fordern deshalb eine gesetzliche Deregulierung, bei der Baunormen überprüft werden müssen und das Bauplanungsrecht vereinfacht werden, um die Kosten zu senken. Begrüßt wird in der Branche hingegen der gesetzlich geplante Gebäudetyp E, der auf viele teure und nicht notwendige Standards beim Bauen verzichtet.

Restrukturierer schützen vor Insolvenzen

In der aktuellen Lage am Bau rechnen sich viele Immobilienprojekte für die Investoren nicht mehr aufgrund der hohen Finanzierungskosten durch den Zinsanstieg. Um die Verluste zu begrenzen, versuchen viele Investoren deshalb einen Verkauf, der jedoch in der aktuellen Marktlage schwierig ist. Der finanzielle Druck bei den Projektentwicklern ist ebenfalls hoch, trotzdem wollen alle Beteiligten zumeist eine Insolvenz vermeiden.

Wie Alexander Reus von der Restrukturierungskanzlei Anchor erklärt, ist die Gefahr groß, dass durch einen Insolvenzantrag ein sofortiger Baustopp ausgelöst wird und ein schneller Verkauf eines noch unfertigen Projekts erzwungen würde. Das bringt in jedem Fall hohe Verluste für Investoren und Gläubiger mit sich. Aus diesem Grund bietet Anchor eine sogenannte „Shareholder-as-a-Service“-Lösung für strauchelnde Projekte von professionellen Investoren an, die bereits absehen können, dass sie mit einem Immobilienobjekt realistischerweise kein Geld mehr verdienen können. Als Restrukturierer übernimmt Anchor dann die Immobilie und verkauft sie zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die Lage sich gebessert hat, dann wieder weiter. Die ehemaligen Gesellschafter erhalten in diesem Fall dann beim Verkauf erzielten Mehrwert, Anchor eine Gebühr für die Abwicklung.

„Bau-Turbo“ soll den Wohnungsbau ankurbeln

Der „Bau-Turbo“ ist ein von Kanzler Scholz initiiertes Projekt, das den Wohnungsbau in Deutschland ankurbeln soll. Als Teil eines 14-Punkte-Plans soll hiermit die Bau- und Immobilienbranche gefördert werden, mit weniger Bürokratie und besseren Bedingungen für ein schnelles Bauen von Wohnraum.

Der geplanten Änderung des Baugesetzbuches durch den Bau-Turbo stimmten letzte Woche alle Minister im Bundeskabinett zu. Doch insbesondere die Grünen wollen nun den parlamentarischen Prozess aufhalten. Sie befürchten, dass hauptsächlich gewinnorientierte Unternehmen davon profitieren würden und eben nicht die Menschen, die bezahlbaren Wohnraum brauchen. Das neue Gesetz begünstigt ihrer Meinung nach den Bau von weiteren Luxusimmobilien und würde dann am Bedarf vorbeigehen.

Diese Befürchtung teilt auch ein Bündnis von 20 Verbänden, dem auch der Deutsche Mieterbund und die Architektenkammer angehören. Da durch den Bau-Turbo in Ballungsräumen der demokratische Beteiligungsprozess von Städten und Gemeinden beschnitten wird, wird der Bau-Turbo als äußerst fragwürdig eingestuft. Er sieht nämlich vor, dass der Einfluss von Bezirks- und Gemeinderäten eingeschränkt wird, damit schnell neuer Wohnraum entstehen kann. Eine Zustimmung bei Bauprojekten mit mehr als sechs Wohnungen ist dann nicht mehr notwendig.

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